Protocol of the Session on November 24, 2016

Herr Minister Pistorius - das vielleicht noch vorweg - hat dazu ausgeführt:

„Es ist für Schülerinnen nach dem geltenden Recht jedoch nicht zulässig, einen Gesichtsschleier in der Schule zu tragen.“

Mit anderen Worten: Die Landesregierung und alle Fraktionen in diesem Haus sind sich einig: Das, was hier passiert, ist rechtswidrig. Trotzdem hat der niedersächsische Innenminister ausgeführt: Diesen rechtswidrigen Zustand werden wir nicht beseitigen. - Er hat gesagt: Dies wird geduldet.

„In einem Fall wurde entschieden, die Vollverschleierung aufgrund der besonders gelagerten Umstände des Einzelfalls... für einen absehbaren Zeitraum zu dulden...“

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Ja, das hat er gesagt!)

Frau Ministerin Heiligenstadt hat das dann mit dem Satz kommentiert:

„Mein Kollege Innenminister Boris Pistorius hat im Großen und Ganzen die selbstverständlich zwischen den Häusern abgestimmte Verfahrensweise deutlich vorgetragen.“

Er hat also hier für die Landesregierung und damit auch für das Kultusministerium vorgetragen: Dies wird geduldet. - Das ist ein bemerkenswerter Vorgang, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ich fasse zusammen: Seit mehr als zwei Jahren verstößt eine Schülerin gegen das Schulgesetz im Verantwortungsbereich der Kultusministerin. Seit dem 5. September weiß Ministerin Heiligenstadt selbst von diesem Vorfall. Sie billigt seit diesem Zeitpunkt einen rechtswidrigen Zustand und damit fortgesetzten Rechtsbruch.

Zur Begründung wurde seitens der Fraktionen der SPD und der Grünen, auch seitens der Landesregierung, angeführt, dieses Mädchen solle ihren Abschluss machen können. Dabei wurde aber verschwiegen, dass es selbstverständlich Möglichkeiten für dieses Mädchen gibt, ihren Abschluss zu erreichen, ohne weiter an dieser Schule unterrichtet zu werden, weil der Zustand, den sie dort herstellt, rechtswidrig ist. Im Übrigen kann sie jeden Tag den rechtmäßigen Zustand wiederherstellen. Sie muss lediglich den Niqab ablegen.

Meine Damen und Herren, damit wird ein Signal ausgesandt. Dieses Signal lautet: Wer aufgrund seines Glaubens gegen deutsches Recht verstößt, wird anders behandelt als andere. - Damit senden Sie ein verheerendes Signal, und zwar in zwei Richtungen: zum einen in Richtung der Prediger und Werber für Islamisten, die doch genau diesen Fall als Beispiel nehmen und sagen werden: „Du musst dich zur Wehr setzen. Dieser Staat wird nicht reagieren“,

(Johanne Modder [SPD]: Haben Sie gestern nicht zugehört, dass Belm ein besonderer Fall ist?)

und gleichzeitig, Frau Kollegin Modder, zum anderen in Richtung der rechtsextremen Populisten, die

dieses Beispiel genauso für sich in Anspruch nehmen werden: Dieser Staat wehrt sich nicht, wenn gegen Recht verstoßen wird.

(Zuruf von Johanne Modder [SPD])

Das ist das Signal, das Sie senden - egal, wie viel Sie dazwischenreden.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegin Modder, ich empfehle Ihnen in diesem Zusammenhang einmal den Artikel im WeserKurier von heute mit der Überschrift „Salafisten bieten einfache Antworten“ vom LKA-Chef aus Bremen, Daniel Heinke.

(Johanne Modder [SPD]: Wir reden über einen Einzelfall! Das ist hier ges- tern deutlich gesagt worden! Aber Sie wollen ja nicht zuhören! - Gegenruf von Björn Thümler [CDU]: Das war vorgestern!)

Frau Modder, bitte stören Sie den Redner nicht! - Herr Nacke, bitte präzisieren Sie wegen der Fünfminutenregel den Antrag!

Frau Ministerin Heiligenstadt, ich möchte Sie an dieser Stelle an Ihren Amtseid vom 19. Februar 2013 erinnern. Sie haben damals geschworen, dass Sie das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Niedersächsische Verfassung sowie die Gesetze wahren und verteidigen werden. So steht es auch im Artikel 31 der Niedersächsischen Verfassung.

Deshalb wäre es Ihre Aufgabe gewesen, das Verbot der Vollverschleierung in unseren Schulen durchzusetzen. Das ist die Aufgabe der Niedersächsischen Kultusministerin. Dagegen haben Sie verstoßen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Glocke des Präsidenten)

Deswegen, Herr Präsident, gab es gestern eine Sitzung der CDU-Landtagsfraktion, in der wir diesen Fall ausführlich besprochen haben. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass hier ein Fall nach Artikel 40 vorliegt. Sie müssen mit einer Ministeranklage rechnen, Frau Ministerin. Aber wir wollen Ihnen aufgrund der Kürze der Zeit die Möglichkeit geben, dies nach Artikel 40 Abs. 3 unserer Verfas

sung in einem Selbstreinigungsverfahren zu bereinigen.

Gehen Sie zum Staatsgerichtshof! Lassen Sie sich vom Staatsgerichtshof bescheinigen, dass Ihr Verhalten rechtmäßig ist! Aber ziehen Sie dann, wenn der Staatsgerichtshof feststellt, dass das rechtswidrig ist, auch die Konsequenz, dass Sie für dieses Amt nicht mehr geeignet sind! Das wäre die Konsequenz. Das können Sie selbst und in eigener Verantwortung mit einem Selbstreinigungsverfahren erledigen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege, ein Satz noch!

Deshalb beantragt die CDU-Landtagsfraktion, dass dieses Selbstreinigungsverfahren von Ihnen eingeleitet wird. Wir beantragen, den heute eingebrachten Antrag dazu auf die Tagesordnung zu setzen, damit er heute im Anschluss an die bereits auf der Tagesordnung stehenden Punkte beraten werden kann.

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Kollege Nacke. - Meine Damen und Herren, der von Herrn Nacke angesprochene Antrag wurde, glaube ich, heute Morgen auf elektronischem Wege zugestellt und trägt die Drucksachennummer 17/6971.

Jetzt hat sich Herr Kollege Tonne zur Geschäftsordnung gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Beitrag des Kollegen Nacke kann man nur ausführen: Herzlich willkommen im postfaktischen Zeitalter! Fakten spielen für diese Opposition keine Rolle mehr, trägt man sie auch noch so oft vor.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen auch: Ich finde daran besonders verwerflich, dass Sie ein solches Thema hochziehen mit dem Ziel, Budenzauber zu veranstalten,

aber nicht mit einer inhaltlichen Bearbeitung des Falles.

(Christian Dürr [FDP]: Oh Gott!)

Ihnen ist in Unterrichtungen wie auch in der Aktuellen Stunde dargestellt worden, was der Grundsatz ist und was die Besonderheiten im Einzelfall sind. Hier ist nun einmal die Besonderheit, dass dieses Mädchen seit über zwei Jahren - seit fast zweieinhalb Jahren - bereits eine Verschleierung trägt. Das ist nicht gemeldet worden. Entgegen dem, was Sie aber ausgeführt haben, hat das Kultusministerium in dem Moment, als es gemeldet worden ist - auch das ist am Dienstag hier dargestellt worden -, gehandelt. Man hat genau die Gespräche eingeleitet, die Vorgänge eingeleitet, um zu schauen, wie man darauf angemessen und vernünftig reagieren kann. Das ist völlig konträr zu dem, was Sie hier gerade dargestellt haben, Herr Nacke.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Von daher ist es auch schlicht falsch, wenn Sie behaupten, hier habe etwas mit Billigung stattgefunden. Eine Billigung würde erfordern, dass nichts getan wurde. Das wurde Ihnen hier dargestellt. Deswegen nehmen Sie die Fakten nicht zur Kenntnis,

(Johanne Modder [SPD]: Das hat auch keinen Sinn mehr! - Widerspruch bei der CDU)

und Sie nehmen auch offensichtlich die Besonderheit dieses Einzelfalls nicht zur Kenntnis.

Damit wird auch klar: Die einzigen, die ein verheerendes politisches Signal setzen, sind Sie mit solchen Anträgen, wie Sie sie hier gerade stellen wollen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jörg Hillmer [CDU]: Wol- len Sie das etwa ablehnen?)

- Der Zwischenruf von Herrn Hillmer war: Wollen Sie das etwa ablehnen?

(Jörg Hillmer [CDU]: Genau!)

Natürlich werden wir das ablehnen. Wir werden diesen Antrag, der nicht zu begründen ist, heute hier selbstverständlich ablehnen. Er kommt nicht auf die Tagesordnung. Was glauben Sie denn?

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Reinhold Hilbers [CDU]: Das ist die Arroganz, mit der Sie Politik machen! - Weitere Zurufe von der CDU)

Das, was Sie hier mit der Aktuellen Stunde veranstalten und mit Ihren Pressemitteilungen und mit der Äußerung des Kollegen Nacke - sei sie auch noch so erstaunlich ruhig vorgetragen; das will ich übrigens zur Kenntnis nehmen -,