Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf aus dem BMVI, dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, geschieht genau das, was nicht geschehen sollte: Die Auflagen für die Sicherheit von Traditionsschiffen sollen an die Auflagen für die Berufsschifffahrt angelehnt werden und werden damit für viele der ehrenamtlich betriebenen Trägervereine unerfüllbar.
Zum einen werden die unterschiedlichen Gegebenheiten auf den Schiffen in keinster Weise berücksichtigt. Jedes Schiff soll z. B. einen gleichgroßen Anker bekommen. Das würde gerade für kleinere Schiffe wie der „Gloria“, die in Elmshorn in Schleswig-Holstein liegt, bedeuten, dass sie einen Kran bräuchten, um den Anker zu lichten. Damit dieser Kran, der auf dem Schiff installiert werden müsste, nicht zum Kentern des Schiffes führt, bräuchte man ein Gegengewicht, für das auf den Schiffen mit einer ähnlichen Größe gar kein Platz ist. Auf dieses absurde Ergebnis des Gesetzentwurfs weist der Artikel „Sicherheitsauflagen könnten das Ende für Traditionsschiffe bedeuten“ der Elmshorner Nachrichten vom 4. November dieses Jahres hin.
Zum anderen aber - das ist mindestens ebenso wichtig und wurde auch schon angesprochen - wird das ehrenamtliche Engagement der Menschen, die unsere Traditionsschiffe betreiben, durch diesen Entwurf mit Füßen getreten. Menschen, die ihre Freizeit für den Erhalt eines Stücks unserer Geschichte nutzen und die nicht dafür bezahlt werden, Menschen, die gerade für den Tourismus in den norddeutschen Bundesländern wichtige Anlaufpunkte und Sehenswürdigkeiten erhalten, soll noch viel mehr abverlangt werden, als sie bisher schon einbringen. Sie sollen den Traditionsschiffen nicht nur ihre Zeit widmen, sie sollen in Zukunft auch, geht es nach dem BMVI, Lehrgänge besuchen, die Qualifikationen schaffen sollen, wie Berufsseeleute sie benötigen, Lehrgänge, die bezahlt werden wollen und zusätzlich Zeit kosten.
Zurzeit werden die sicherheitsrechtlichen Vorschriften und Anforderungen an Traditionsschiffe in Deutschland auf Bundesebene beraten. Unter anderem geht es um erweiterte Anforderungen an die bauliche Beschaffenheit, an den Brandschutz und an die Ausstattung mit Rettungsmitteln. In Kraft treten sollen diese veränderten Vorschriften zum 1. Januar 2017. Ich frage: Warum diese Eile? - Im Winterhalbjahr liegen die meisten Schiffe in ihren Winterquartieren.
Dass das Bundesverkehrsministerium keine Rücksicht darauf genommen hat, dass sich die meisten Betreiber von Traditionsschiffen in ihrer Freizeit mit diesen beschäftigen, zeigte auch die kurze Frist, die für Eingaben zum Gesetzentwurf gegeben wurde. Für Einwände wurden ihnen vom BMVI ganze 40 Tage Zeit gelassen.
Die Träger der Traditionsschiffe sind lange für eine Überarbeitung der Regelungen für die Traditionsschifffahrt. Sie fordern berechtigt eine Überarbeitung mit Augenmaß, die den Anforderungen und Möglichkeiten dieser Schiffe gerecht wird und die Einzigartigkeit jedes einzelnen Schiffs möglichst weit erhält. Diese Forderung unterstützen wir alle hier im Hause ausdrücklich. Das zeigt nicht zuletzt der gemeinsame Antrag, der maßgeblich von Frau Eilers zu verantworten ist.
Dass sich das Bundesverkehrsministerium mit Experten zum Thema Traditionsschifffahrt zusammengesetzt hat, bevor dieser Gesetzentwurf zustande kam, was ja immer wieder gefordert wurde, kann ich mir nicht vorstellen. Im vorgelegten Gesetzentwurf wurden Dinge vorgeschlagen, die die Schiffe grundlegend verändern, wenn die Träger
es überhaupt schaffen können, diese Umbauten zu finanzieren. Das zeugt doch davon, dass man sich im Vorfeld nicht mit den Gegebenheiten auf solchen Schiffen auseinandergesetzt hat, zumindest nicht ernsthaft. Das muss ich unterstellen.
Hat man die vorgeschlagenen Änderungen im Kopf, kommt es einem fast höhnisch vor, wie das BMVI den Artikel zur Gesetzesänderung auf seiner Internetseite überschreibt. Man höre und staune, da steht: „Erhalt der Traditionsschifffahrt“.
Ich freue mich sehr, dass sich hier in Niedersachsen alle Parteien einig sind und durch diesen gemeinsamen Antrag alle an eine Strang ziehen wollen - vielleicht besser: an einem Tampen -, um sich für eine sinnvolle Neuregelung für die Traditionsschifffahrt einzusetzen. Wir müssen gemeinsam auf unsere Beschlüsse verweisen und das Bundesverkehrsministerium daran erinnern, dass gesetzliche Veränderungen im Bereich der Traditionsschifffahrt immer an den praktischen Gegebenheiten vor Ort orientiert sein müssen. Traditionsschifffahrt unterscheidet sich fundamental von der Berufsschifffahrt und muss somit gänzlich anders reguliert und bewertet werden.
Die Beurteilung bezüglich des Erfüllens der Anforderungen für die Einstufung als Traditionsschiff sollte unserer Meinung nach einem Gremium aus Sachverständigen obliegen. Die Sicherheitszeugnisse sollen jedoch weiter von der Berufsgenossenschaft Verkehr ausgestellt werden. Außerdem bleibt es erforderlich, dass sich die Sicherheitsanforderungen bei Traditionsschiffen nach dem einzelnen Schiff, seinen Anforderungen, Eigenarten und den angestrebten Einsatzzwecken richten.
Wir alle hören das SOS-Signal. Durch unseren gemeinsamen Antrag werfen wir der Traditionsschifffahrt und denen, die sich für sie starkmachen, einen Rettungsring zu. Wir hoffen, nein, wir fordern, dass sich das BMVI an der Rettungsaktion beteiligt. Wir werden dem Antrag heute zustimmen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Logemann. - Nun hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Menge das Wort. Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde an dieser Stelle nicht wiederholen, was meine Kollegin und der Kollege zuvor dazu gesagt haben: wie wichtig die Traditionsschifffahrt ist, gerade im Vereinsleben und insbesondere für Ausflüge, für Menschen, die auf diesen Schiffen vielleicht einmal ein Stück Kuchen essen und einen Kaffee trinken wollen, die aber auch Ausflüge machen wollen.
Ich möchte damit beginnen, dass Frau Eilers den Antrag vorbereitet hat und ihn eigentlich auch hätte einbringen müssen. Es wäre gentlemanlike gewesen, das anzuerkennen, lieber Herr Hiebing.
In den vergangenen Jahren hat die Berufsgenossenschaft Verkehr die Anforderungen offenbar immer strenger ausgelegt. Das beklagen Verbände und Schiffsbetreiber. Und tatsächlich wird immer mehr Schiffen der Status eines Traditionsschiffs aberkannt. Die, die weiter Traditionsschiff sein dürfen, erhalten nur noch auf zwei Jahre verkürzte Patente. Das ist ein Zeitraum, in dem kaum ein Betreiber betriebswirtschaftlich sinnvoll planen und investieren kann.
Sehr geehrte Damen und Herren, die zunehmenden Unwägbarkeiten und die Ankündigung des Bundes, eine neue Richtlinie aufzulegen, haben uns im Landtag schon einmal zusammengebracht, und zwar im März 2015. Damals haben wir die Landesregierung aufgefordert, sich beim Bund für mehr Klarheit und Sicherheit und damit für den Erhalt unserer Traditionsschiffe einzusetzen.
Trotz hohen Engagements von Niedersachsen aus ist leider nicht alles so gekommen, wie wir uns das erhofft haben. Die neue, im August vorgelegte Richtlinie ist in Teilen derart streng und überzogen, dass sie das Gegenteil von dem bewirken könnte, was alle wollten, nämlich Rechtssicherheit zu schaffen, den Status als Traditionsschiff anzuerkennen und die Schiffe in die bestehende Systematik der Seeschifffahrtssicherheitsverordnung einzuordnen.
Der Entwurf des Bundes sei - Zitat - „insgesamt eine unverhältnismäßige Verschärfung“, schimpfte z. B. das Deutsche Jugendwerk zur See, CLIPPER. Die neuen Vorschriften zum Bau würden dazu führen, dass die Schiffe ihren ursprünglichen Charakter verlieren könnten. Der finanzielle Aufwand sei derart hoch, dass der weitere Betrieb eines Großteils der Traditionsschiffe gefährdet sei.
Für wenig sinnvoll halte ich die Anlehnung der Richtlinie für Traditionsschiffe z. B. auch an die Berufsschifffahrt. Insbesondere die meist ehrenamtlichen Crews mit mehrfach wechselnden Mitgliedern können nicht behandelt werden wie eine Mannschaft, die das ganze Jahr fest auf einem Schiff zusammenarbeitet.
Aber all das entspringt eventuell auch einem Sicherheitsbewusstsein, das jeder und jedem suggeriert, man habe jede Unwägbarkeit genau im Blick und schaffe nahezu 100-prozentige Sicherheit - das trifft nicht nur auf die Traditionsschifffahrt zu -, und es entspringt einem Klagebewusstsein nicht nur unserer deutschen Bevölkerung, für jedes Missgeschick und für jedes Problem sofort Schuldige zu suchen und diese zur Zahlung von Geldleistungen in möglichst überdimensionierter Form zu zwingen.
Dennoch ist es Zeit, sich einmal mehr für unsere Traditionsschiffe stark zu machen. Ich freue mich deshalb, dass wir hier und heute gemeinsam ein deutliches Zeichen Richtung Berlin senden. Denn die neue Richtlinie, die zum 1. Januar 2017 in Kraft treten soll, muss dringend überarbeitet werden. - Sorgen wir gemeinsam dafür, dass die Sicherheitsrichtlinie nicht länger ein Schreibtischakt bleibt.
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nun hat für die Regierung der Herr Wirtschaftsminister Lies das Wort. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Welche Bedeutung die Traditionsschifffahrt für Niedersachsen hat, ist an den Reden der Abgeordneten mehr als deutlich geworden, vor allen Dingen an der Tatsache, dass es gelingt, hier gemeinsam einen Antrag auf den Weg zu bringen.
Ich kann dieses Engagement nur ganz herzlich begrüßen und mich dafür bedanken. Frau Eilers, ich glaube, gerade dort, wo es, wie bei Ihnen, viele Traditionsschiffe gibt, wird einem erst bewusst, über welches Thema man redet. Möglicherweise ist das ein bisschen das Problem des Bundesverkehrsministers: die geringe Anzahl der Traditionsschiffe, die dort vorhanden sind. Insofern hoffe ich, dass man auf die Länder hört, in denen das Thema Traditionsschifffahrt eine große Rolle spielt, und wir mit unseren Argumenten ein bisschen weiterkommen können.
Es geht nicht nur um die Traditionsschifffahrt, sondern auch, wie schon gesagt wurde, um die vielen Ehrenamtlichen, die sich bemühen, einbringen, sich engagieren, am Wochenende viele Stunden verbringen, Geld sammeln, sich beteiligen und das unterstützen. Sie haben kein Verständnis dafür, dass nun Maßnahmen ergriffen werden sollen, die vieles von dem, was wir schätzen und wertschätzen, nicht mehr möglich machen.
Wir haben eine ganze Reihe - nämlich 17 - schwimmender Denkmäler, wenn man so will. Das Besondere ist: Sie schwimmen noch. Es sind keine Museen, die an Land liegen, in die man reingehen kann. Das bleiben funktionierende Systeme. Das ist so entscheidend dabei, weil sie sonst die Attraktivität verlieren würden. Anderenfalls könnte man das nachbilden, was ich vom Schiff kenne, und sich das in einem Gebäude ansehen. Das ist das Besondere.
Knapp 20 % aller in Deutschland zugelassenen Traditionsschiffe befinden sich in Niedersachsen. Ich möchte diese 17 Traditionsschiffe einmal nennen - es ist ja überschaubar -, weil das eine gute Gelegenheit ist, ein Stück weit Wertschätzung für diejenigen zum Ausdruck zu bringen, die sich engagieren und sich einbringen, und weil es deutlich macht, um wen es geht:
Das sind die „Ems“ in Emden, die „Amrumbank“ in Emden, die „Flinthörn“ in Emden, die „Hinderk“, die „Lulu Meinders“ in Neuharlingersiel, die „Windsbraut“ in Stade, die „Wilhelmine von Stade“ in Stade, die „Greundiek“ in Stade,
die „Gebrüder“ in Carolinsiel, die „Fiederich“ in Leer, die „Großherzogin Elisabeth“ in Elsfleth, die „Borkumriff“ in Borkum,
die „Nordwind“ in Wilhelmshaven und die „Gesine von Papenburg“ in Papenburg. Es geht um diese Schiffe, die wir nennen, und all die Ehrenamtlichen, die dort tätig sind und sich einbringen.
Deswegen - das ist doch klar geworden, meine Damen und Herren - müssen diese Schiffe mit den so klangvollen Namen erhalten bleiben. Wir teilen, glaube ich, allesamt die Sorge, die die Traditionsschifffahrt hat und die sie uns auch mehrfach mitteilt.
Frau Logemann hat deutlich gemacht, wie absurd der eine oder andere Vorschlag ist. Man könnte leider für jedes Schiff noch eine Vielzahl an Vorschlägen nennen, um zu zeigen, wie absurd das ist und dass das am Ende das Aus der Traditionsschifffahrt bedeuten würde.
Deswegen muss man denen, die sagen, wir haben doch Lösungen präsentiert, erwidern, dass diese Lösungen keine Lösung für den Fahrbetrieb eines Schiffes sind, sondern am Ende das Aus dafür bedeuten.
Aus diesem Grund setzt sich auch mein Haus im Rahmen der den Ländern zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für die Überarbeitung des Verordnungsentwurfs zur Änderung der schiffssicherheitsrechtlichen Vorschriften über Bau und Ausrüstung von Traditionsschiffen ein.
Am 22. August wurde der Entwurf durch das Bundesministerium mit der Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen übersandt. Wir diskutieren wirklich viele Dinge in unserem Land über extrem lange Zeiträume. Bei einer solchen Fragestellung eine Frist von drei Wochen zu setzen, zeigt aber, welche Wertschätzung man dieser Stellungnahme am Ende entgegenbringt. So kann man weder mit den Ländern noch mit den Beteiligten umgehen.
Wir haben eine Fristverlängerung erwirkt, die zumindest einen Rahmen gibt, über SchleswigHolstein koordiniert, um eine vernünftige Stellungnahme abzugeben und vor allen Dingen mit einer Stimme sprechend gegenüber dem Bund aufzutreten.