Protocol of the Session on October 27, 2016

(Beifall bei der CDU - Doris Schröder- Köpf [SPD]: Ja, jetzt!)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Es antwortet Ihnen Herr Kollege Bachmann. Bitte, Herr Kollege Bachmann!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Lorberg, ich habe das nicht gesagt, um mich hier selber zu loben oder in den Mittelpunkt zu stellen.

(Jens Nacke [CDU]: Nein, natürlich nicht! Das wäre Ihnen auch wesens- fremd, Herr Kollege! - Weitere Zurufe)

- Überhaupt nicht!

Dass es Ihnen nicht gefällt, dass ich für diese enge Zusammenarbeit sozusagen dieses Zeichen bekommen habe, kann ich ja nachvollziehen. Ich kann auch zitieren, was öfter aus Ihrem Munde kam: „Sie sprechen, liebe Frau Bischoff, viel zu viel mit Sozialdemokraten, und Sie haben viel zu viel Sozialdemokraten um sich.“ Sie sind an solchen Gesprächen ja nicht interessiert, und das kann ich auch nachvollziehen.

Ich gehöre diesem Haus seit 1994 an und fahre diese Linie, von der ich eben gesprochen habe, seit dieser Zeit. In jeder Partei, in jeder Fraktion gibt es auch mal unterschiedliche Sichtweisen; das ist doch gar keine Frage. Als Sie die Landesregierung gestellt haben, haben wir in den entscheidenden Phasen, als die wichtigsten Beschlüsse zur Zusammenarbeit mit der LmDR gefasst wurden, immer einstimmig beschlossen. Daran wollte ich erinnern. Das betrifft die Änderung des Bundesvertriebenengesetzes genauso wie die Entwicklung in Friedland.

Deshalb nehmen Sie es einfach einmal so hin - auch wenn es Ihnen nicht gefällt -, dass wir bei den Russlanddeutschen eine so hohe Akzeptanz erfahren und mit Ihnen eine so gute Zusammenarbeit pflegen. Das ist nun einmal die Realität.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Vielen Dank. - Wir fahren in der Rednerliste fort. Als Nächste hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Polat das Wort. Bitte, Frau Kollegin!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Sehr geehrte Frau Bischoff, Frau Welz und Frau Neumann, auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßt Sie hier recht herzlich.

Ich möchte mich meinen Vorrednerinnen und Vorrednern darin anschließen, dass wir uns gemeinsam gegen Pauschalierungen und Generalverdächtigungen gegenüber einer großen Zuwanderungsgruppe, nämlich gegenüber den Deutschen aus Russland, verwehren müssen.

Es war wichtig, Frau Lorberg, dass Sie das in Ihrer Rede deutlich gemacht haben; denn als ich die Große Anfrage gelesen habe, war mein erster Eindruck, dass Sie doch in diese Richtung tendieren. Einerseits haben Sie einen sehr großen Teil des Einleitungstextes den Presseberichterstattungen gewidmet, die gerade die Russlanddeutschen und die Aussiedlerinnen und Aussiedler in diesen Kontext setzen. In einem Anfragetext können Sie sich davon natürlich nicht distanzieren. Zum Glück haben Sie dies aber in Ihrer Rede getan.

Einen Großteil Ihres Fragenkatalogs widmen Sie eben doch gewissen Stigmata. Einige Fragen beziehen sich auf die Anzahl der Rauschgifttoten, auf kriminelle Auffälligkeiten bei Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und auf Probleme mit Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern im Strafvollzug. Ich hatte den Eindruck, dass Sie damit einen Schwerpunkt jenseits des „Falles Lisa“ setzen wollen - der der Erfolgsgeschichte der Deutschen aus Russland hier in Niedersachsen aber nicht gerecht geworden wäre.

(Zuruf von Editha Lorberg [CDU])

- Ich sagte ja, dass Sie das in Ihrer Rede so nicht gesagt haben. Vielleicht habe aber ich da zu große Vorurteile.

(Jens Nacke [CDU]: Davon können Sie ganz sicher ausgehen!)

Ich entschuldige mich dafür an dieser Stelle.

Der Innenminister hat es betont: Die Aussiedlerinnen und Aussiedler bzw. die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sind die größte Zuwande

rungsgruppe in Niedersachsen. Keine andere Gruppe hat Niedersachsen - auch im Vergleich zu anderen Bundesländern - so geprägt wie diese Zuwanderungsgruppe. Es wurden einige Studien zitiert, auch in der Großen Anfrage.

Das Ganze ist auch eine Erfolgsgeschichte. Aber ich muss hinzufügen: Die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler galten nicht immer als Zuwanderungsgruppe. Dazu kam es erst Ende der 90er-/Anfang der 2000er-Jahre, als diese Gruppe dann auch statistisch erfasst wurde.

Im Übrigen wurde die Landsmannschaft dann auch als ordentliches Mitglied in die Kommission zu Fragen der Migration und Teilhabe aufgenommen. Frau Lilli Bischoff gehört dieser Kommission seit Jahren an und engagiert sich mit ihren Beiträgen und Initiativen sehr für ihre Landsmannschaft. Damit ist sie eine wichtige Beraterin der Fraktionen im Niedersächsischen Landtag und eine Initiativgeberin für die Landesregierung.

Frau Lorberg, in der Debatte wurde deutlich - gerade weil Herr Bachmann sich davon distanziert hat, dass Sie für die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler keinen Alleinvertretungsanspruch haben. Sie sagen nämlich immer: „unsere Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler“. Nein, meine Damen und Herren, es gibt keinen Besitzanspruch auf bestimmte Zuwanderungsgruppen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir sollten uns auch dagegen wehren, von „guten“ und von „schlechten“ Zuwanderungsgruppen zu sprechen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: So ist es!)

Gerade bei der wirtschaftlichen und der sozialen Integration haben die Russlanddeutschen besondere Erfolge erzielt. Vor diesem Hintergrund muss ich mit Blick auf die Studie zu den ungenutzten Potenzialen darauf hinweisen, dass es immer darauf ankommt, in welchem Rechtsstatus sich Zuwanderungsgruppen befinden und welche Unterstützungsmaßnahmen sie bekommen. Hier wurde deutlich gemacht, dass die Deutschen aus Russland nach dem Bundesvertriebenengesetz gekommen sind, dass sie andere Ansprüche hatten und dass sie von ihrem Status her sogleich deutsche Staatsbürger waren. Damit hatten sie Vorteile, die andere Zuwanderungsgruppen, die unter schwierigeren Zuwanderungsbedingungen nach Deutschland gekommen sind, nicht hatten. Dies gilt auch für den Zugang zum Arbeitsmarkt.

Von daher ist es für unsere Fraktion wichtig, hier nicht von Pauschalierungen auszugehen. Frau Bischoff hat dies in der Kommission gegenüber Vertreterinnen und Vertretern der Medien, mit denen wir dort in einer unserer Sitzungen gesprochen haben, auch noch einmal deutlich gemacht. Rassismus findet nicht nur bei Russlanddeutschen oder Aussiedlern statt, sondern auch bei Türkischstämmigen oder Griechischstämmigen. Von daher ist das auch kein Indikator für fehlende oder gute Integration. Rassismen, Diskriminierung oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit müssen wir als Politik, als Gesellschaft in Gänze bekämpfen.

Sie müssen zum Schluss kommen, Frau Kollegin.

In diesem Sinne - mein letzter Satz, Frau Präsidentin - freue ich mich umso mehr, dass das Motto der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland „Kultur verbindet - Vielfalt auch“ lautet. Das Signal geht dahin, dass wir gemeinsam dafür kämpfen müssen, dass AfD & Co. diese Gruppe nicht instrumentalisieren. Wir solidarisieren uns mit ihnen und unterstützen sie auch darin.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Es hat nun für die FDP-Fraktion Herr Kollege Oetjen das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich sage auch im Namen der FDP-Fraktion: Verehrte Frau Bischoff, herzlich willkommen! Ich freue mich, dass Sie dieser Debatte beiwohnen. Ich hatte zwischendurch die Sorge, dass die Debatte nicht dazu geeignet ist, die Deutschen aus Russland für die Parteien, die hier im Parlament vertreten sind, zu begeistern. Ich hoffe aber, dass wir es dann doch noch ganz gut hinbekommen.

(Zustimmung von Christian Grascha [FDP])

An das Ministerium geht der herzliche Dank für die Beantwortung der Großen Anfrage und an die CDU-Fraktion der Dank für ihre Initiative. Verehrte Frau Kollegin Lorberg, ich habe die Fragen, die Sie

formuliert haben und die gerade von der Kollegin Polat angesprochen worden sind, eher so verstanden, dass sie dazu dienen sollen, die zum Teil bestehenden Vorurteile endlich einmal mit Zahlen zu widerlegen. Dazu sage ich ganz deutlich: Das ist gelungen und zeigt, wie gut die Deutschen aus Russland in Niedersachsen und in Deutschland insgesamt integriert sind.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Es ist hier schon angesprochen worden: Seit 1954 sind etwa 4,5 Millionen Aussiedlerinnen und Aussiedler gekommen. In Niedersachsen lebten 2014 340 000 Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler. Damit beläuft sich ihr Bevölkerungsanteil in den einzelnen Regionen auf 2 bis 6 %. Diese Zahlen fand ich sehr interessant.

Vor allem aber fand ich auch das Bild interessant, auf das Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Union, in Ihrer Einleitung rekurriert haben und dass in den Medien im Laufe dieses Jahres häufig gezeichnet wurde: Deutsche aus Russland reden in der Familie untereinander Russisch und gucken den ganzen Tag nur „Russia Today“. Dort sind Frauen mit Kopftuch zu sehen, die irgendwie gegen Asylbewerber demonstrieren. Und natürlich wählt die ganze Familie AfD.

Diese Bilder, die zum Teil in den Medien gezeichnet wurden, haben nichts, aber auch gar nichts mit der Realität zu tun. Die Realität, die ich erlebe, ist: Diese Familien sind häufig wertkonservativ - im besten Sinne des Wortes. Sie stehen aber sehr, sehr fest auf dem Boden unseres Grundgesetzes und des Wertekanons der Bundesrepublik Deutschland und sind dort sehr, sehr fest verankert. - Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Realität, wie Deutsche aus Russland heute bei uns leben!

Aus der Antwort auf die Große Anfrage wird auch deutlich, dass die Änderung des Bundesvertriebenengesetzes von 2013 ein großer Erfolg gewesen ist. Ein Dank an dieser Stelle an Uwe Schünemann, auch wenn das alle in diesem Hause natürlich unterstützt haben, sehr geehrter Herr Kollege Bachmann!

Wir Freie Demokraten wollen, dass wir in den Bemühungen und Anstrengungen zur Integration derjenigen, die aus Russland zu uns kommen, nicht nachlassen. Wir wollen auf diesem Weg die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland natürlich auch weiterhin intensiv unterstützen.

Regelmäßig bekommen wir aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Rückmeldungen über Dinge, die trotzdem nicht funktionieren. Der Kollege Bachmann hat das gerade zu Recht angesprochen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Rich- tig!)

Gerade bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse gibt es in der Praxis immer noch ganz große Probleme - bei allem durchaus vorhandenen guten Willen in der Politik, das zu regeln.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Lei- der!)

Immer wieder werden solche Petitionen und solche Hinweise bei uns in den Wahlkreisbüros an uns herangetragen. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass es in der letzten Zeit weniger geworden ist, Herr Kollege Bachmann - trotz der Bemühungen, die vonseiten der Politik unternommen wurden.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Lei- der!)

Ich glaube, dass wir unser Augenmerk darauf legen müssen, an dieser Stelle nachzuarbeiten.

Zu der prekären Situation von Rentnerinnen und Rentnern, die als Aussiedler zu uns gekommen sind und die aufgrund ihrer Biografie einfach nicht in dem Umfang ein Arbeitsleben nachweisen können wie viele andere: Über diese prekäre finanzielle Situation müssen wir uns Gedanken machen. Die Kollegin Lorberg hat an dieser Stelle die Mütterrente angesprochen. Über diese Frage der prekären Situation von Rentnerinnen und Rentnern müssen wir uns noch einmal gesondert Gedanken machen.