Protocol of the Session on October 26, 2016

Insofern ist der Vorwurf abwegig. Herr Grascha, Ihr gestriger Vorwurf der Rechtsbeugung in unsere Richtung ist dabei besonders lächerlich.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: Das ist Rechtsbeugung! Es ist Rechtsbeugung!)

Ich will hervorheben: Das ist nichts anderes als eine typische Masche, nämlich der Versuch der Skandalisierung um jeden Preis. Ich sage Ihnen: Der Sache werden Sie nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Un- fassbar!)

Wir orientieren uns bei unserer Entscheidung auch nicht an der Frage, wie der Sachverhalt konkret zu beurteilen ist. Ob die Ermittlungen schnell wieder eingestellt werden würden - wovon ich persönlich im konkreten Fall tatsächlich ausgehe -

(Zuruf von der CDU: Wo ist dann das Problem?)

oder eben nicht, ist für die Entscheidung, die Immunität aufzuheben, unerheblich. Würden wir das machen, würden wir davon im Ergebnis ausgehen, dann wären die Vorwürfe des Missbrauchs der Immunität sogar berechtigt.

(Christian Dürr [FDP]: Sie missbrau- chen sie! Sie tun nichts anderes, als sie zu missbrauchen!)

Es geht um den grundsätzlichen Versuch der Einschüchterung mittels einer Strafanzeige, der wir uns durch unsere Entscheidung damit widersetzen. Ich betone ausdrücklich: Dies ist keine Kritik an der Arbeit der Staatsanwaltschaft.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Sie scha- den diesem Parlament!)

Die Verfahrensvorschriften sind so, wie sie sind.

(Christian Dürr [FDP]: Sie haben kei- nen Juristen an Ihrer Seite!)

Die Staatsanwaltschaft hat sich korrekt verhalten.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Erlauben Sie mir noch ein paar Sätze zur Stellungnahme des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes. Ich bedanke mich für diesen juristischen Beitrag zur Diskussion, da wir keine gesetzlichen Anhaltspunkte für die Verweigerung der Immunität haben

(Christian Grascha [FDP]: Keine Ar- gumente!)

und nur eine sehr begrenzte Anzahl von Urteilen heranziehen können. Aber auch nach Lektüre des Gutachtens ist klar:

Erstens. Die Frage der Aufhebung der Immunität ist eine politische Entscheidung des Landtages.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: „Ermes- sensfehlerhaft“ steht da drin!)

- Das steht da genau so drin! Sie hätten es lesen müssen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: „Ermes- sensfehlerhaft“, Herr Kollege! Rechtswidrig ist das, was Sie tun!)

Zweitens. Auch bei unterstelltem einwandfreien Verhalten der Staatsanwaltschaft kann die Aufhebung der Immunität bei politisch motiviertem Handeln, hier des Anzeigenerstatters, verweigert werden.

Drittens. Eine solche grundsätzliche Praxis gibt es sowohl im Bundestag wie auch in der Vergangenheit in Niedersachsen.

(Christian Grascha [FDP]: Mit der Wahrheit nehmen Sie es eh nicht so genau!)

Viertens. Wir haben allerdings eine unterschiedliche Auffassung, welche Bedeutung einer Strafanzeige wegen vermeintlicher Verleumdung zukommen soll.

(Christian Grascha [FDP]: Kennen Sie das Gutachten?)

Wir sehen keinen Grund, eine Anzeige wegen Beleidigung anders zu behandeln als eine Anzeige wegen Verleumdung.

(Christian Grascha [FDP]: Noch schlimmer!)

Der GBD tut dies schon. Das trennt uns in der Bewertung und sorgt für unterschiedliche Ansichten.

(Christian Dürr [FDP]: Sie spielen sich als Richter auf! - Jörg Hillmer [CDU]: Das ist unglaublich!)

Unterschiedliche Ansichten sind aber nicht gleichbedeutend mit der Bewertung als richtig oder falsch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Und die Grünen sind Steigbügelhalter, un- glaublich!)

Gleichwohl bin ich dafür, dass wir uns, wenn wir diesen konkreten Fall heute behandelt haben, für die Zukunft die Verfahrensvorschriften rund um die Aufhebung der Immunität in Ruhe anschauen und prüfen, ob wir im Ablauf zu Veränderungen kommen sollten. Aber ein solcher Schritt ist für heute nicht mehr relevant.

(Jörg Hillmer [CDU]: Schon vorher!)

Vor einem will ich aber mit Nachdruck warnen, nämlich vor einer Debatte, ob die Immunität überhaupt noch notwendig ist. Die Immunität hat Verfassungsrang. Sie ist mühsam erkämpft worden. Eine solche Errungenschaft heute aus einer Laune, aus Gleichgültigkeit oder, Herr Birkner - dies sage ich wegen Ihres Zwischenrufes -, aufgrund von Nichtverstehen der gesamten Situation zur Disposition zu stellen, halte ich für fatal.

(Zurufe von der CDU und der FDP - Christian Dürr [FDP]: Bitte was? Wie spielen Sie sich hier eigentlich auf? Sie schaden dem Immunitätsrecht!)

Die Immunität ist ganz bestimmt kein Relikt, sondern ein wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie.

Wir können letztlich darüber streiten, ob die Wortwahl im Einzelnen angemessen und richtig war.

(Christian Dürr [FDP]: Nein, darüber streiten wir nicht! Wir streiten darüber, dass Sie den Rechtsstaat kaputt ma- chen!)

Aber auch darum geht es im Kern nicht. Der Versuch, das Vorgehen des Abgeordneten Schminke jetzt in einzelne Sätze aufzuspalten, geht fehl.

(Christian Grascha [FDP]: Das ist auch gar nicht unsere Aufgabe!)

Es geht um den Vorgang als solches in Gänze, um die Aufdeckung und Benennung von Missständen.

(Christian Grascha [FDP]: Das ist im Übrigen gar nicht unsere Aufgabe!)

Im Rahmen von früheren Debatten zur Aufhebung der Immunität zitierte der Abgeordnete Holtfort einmal Voltaire mit dem Satz: Herr Abbé, ich verabscheue, was Sie schreiben. Aber ich würde mein Leben dafür hingeben, dass Sie weiterschreiben können.

(Christian Dürr [FDP]: Unfassbar! Jetzt zitiert er auch noch Voltaire!)

Das Protokoll verzeichnete dann einen Zwischenruf von Gerhard Schröder, der lautete: Es muss ja nicht gleich das Leben sein!

Meine Damen und Herren, in der Tat: Das Leben muss es heute dankenswerterweise nicht mehr sein. Aber dieser Landtag sollte die Kraft aufbringen, die Tätigkeit dieses Parlaments und seiner gewählten Abgeordneten vor unlauteren Beschränkungen seiner Arbeit zu verteidigen.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Das erste Mal in der Geschichte Deutschlands, das allererste Mal, und ihr seid beteiligt! Ihr seid mittendrin! Unfassbar!)

Vielen Dank, Herr Kollege Tonne. - Es hat sich jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Jens Nacke zu Wort gemeldet. Herr Nacke, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bitte lassen Sie mich Folgendes an den Anfang stellen: Es ist gut, wenn ein Abgeordneter sich Vertrauen erworben hat, sodass Bürgerinnen und Bürger sich an ihn wenden, wenn sie Hilfe brauchen. Es ist gut, wenn ein Abgeordneter sich um die Belange kümmert, die an ihn herangetragen werden, und zwar unabhängig von Zuständigkeit