Protocol of the Session on September 14, 2016

Dann geschah in der Tat etwas Ungewöhnliches - dies hat der Kollege Limburg gerade angesprochen -: Dieses Parlament hat ein Gesetzgebungsverfahren auf den Weg gebracht, das es in dieser Form nur sehr selten, vielleicht noch nie gegeben hat, nämlich dass wir uns wirklich zwei Jahre Zeit genommen haben, dieses Gesetz vollständig neu zu formulieren, vollständig neu zu überlegen. Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat die unbrauchbare Arbeit des Ministers verworfen und einen vollständig neuen Gesetzentwurf geschrieben, der dann auch die entsprechenden Maßnahmen ergriffen hat und der beispielsweise verfassungswidrige Teile gegen Ihren zunächst erbitterten Widerstand irgendwann endlich aus diesem Gesetzentwurf gebracht hat.

In dieser Zeit passierten natürlich entsprechende Dinge, die auch die Koalition aus SPD und Grünen zum Nachdenken gebracht hat: der „Schoduvel“, die Absage des Länderspiels, die islamistischen Schwerpunkte, die sich in Wolfsburg und Hildesheim gebildet haben, und nicht zuletzt natürlich der Anschlag auf dem Hauptbahnhof in Hannover.

So kann man inzwischen sagen: Die Grünen haben in den Zeiten, in denen sie jetzt in der Regierungsverantwortung sind, tatsächlich dazugelernt. Das erkennt man zumindest bei Herrn Limburg, der für uns dort der wesentliche Gesprächspartner

war und der heute hier auch völlig zu Recht das Gesetz eingeführt hat. Er war der Verhandlungspartner, auch im Ausschuss. Die SPD hatte sich vollständig abgemeldet. Insofern ist es richtig, dass Sie sich hier eingebracht haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Limburg, von dem man jetzt zumindest sagen darf, dass er sich auskennt, stellt die Notwendigkeit des Verfassungsschutzes jetzt nicht mehr infrage. Ich hoffe, Sie können sich in Ihrer Partei durchsetzen, wenn es um die Listenaufstellung geht. Sie sind wenigstens an dieser Stelle vernünftig geworden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die verfassungswidrige Verletzung der Gewaltenteilung ist jetzt raus.

Von den Transparenzregeln, die Sie gerade angesprochen haben, Herr Kollege Limburg, bleibt natürlich nicht viel übrig, wenn sich gleichzeitig die Mitarbeiter der Landesregierung weigern, in den Ausschüssen die tatsächlich notwendigen Informationen zu präsentieren. Uns ist das passiert. Es ist inakzeptabel - das sage ich an dieser Stelle -, Frau Niewisch-Lennartz, wenn ein Mitarbeiter Ihrer Justizverwaltung sagt: Ich werde diesen Ausschuss verfassungswidrig nicht informieren. - Bringen Sie Ihre Leute zur Räson! Ich kann es nicht ertragen, wenn so etwas im Ausschuss passiert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD und den GRÜ- NEN)

Wir müssen allerdings sagen, dass die zusätzlichen - - -

(Gerald Heere [GRÜNE]: Schon mal was von Gewaltenteilung gehört?)

- Herr Kollege Heere, ich habe Ihnen doch gerade erklärt, dass der Entwurf der Landesregierung schwer verfassungswidrig war, weil er exekutive Dinge auf die Parlamente übertragen wollte. Herr Kollege Heere, Sie wissen doch überhaupt nicht, wovon Sie reden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Gerald Heere [GRÜNE]: Oh doch!)

Gleichwohl wird die CDU im Ergebnis diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen können.

Wir haben vieles beraten, vieles ist eingeflossen. Insofern, Herr Kollege Limburg, finde ich es ein bisschen schade, wenn Sie hier jetzt die Verände

rungen darstellen. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie an vielen Punkten gesagt hätten, dass wir uns dort einig sind. Wir waren ja dicht dran.

Die Ausgangslage war ein Gesetz, das CDU, FDP und SPD seinerzeit gemeinsam verabschiedet haben. Auch in der Beratung haben wir immer gesagt: Vielleicht schaffen wir es, einen gemeinsamen Entwurf hinzubekommen. - Wir waren auch nicht weit davon weg.

Die zusätzlichen Dokumentations- und Beteiligungspflichten, die in diesem Gesetz aufgeführt sind, werden zu erheblicher zusätzlicher Arbeit beim Verfassungsschutz führen. Es muss jetzt nicht zwingend so sein, dass man das deswegen ablehnt, wenngleich wir sie für überzogen und überflüssig halten, insbesondere dann, wenn die Akten einfach nur gezogen werden, eine kurze Dokumentation stattfindet und sie wieder weggehängt werden. Das wird die Praxis sein.

Aber wenn man so etwas macht, dann darf man nicht gleichzeitig einen Haushalt vorlegen, in dem der Personalbestand des Verfassungsschutzes überhaupt nicht verändert wird. Herr Minister, es ist Ihre Verantwortung, jetzt Personal zur Verfügung zu stellen, damit dieses Gesetz umgesetzt werden kann. Wenn die mit diesem Personal weiterarbeiten müssen, dann werden die nur noch an ihrem Schreibtisch dokumentieren und nicht mehr ihrer eigentlichen Arbeit nachkommen. Dann ist die Sicherheit in diesem Land schlechter gestellt.

(Beifall bei der CDU)

Dann gab es eine Sollbruchstelle. Auch die hat Herr Limburg angesprochen. Das ist die Frage der Speicherung von Daten Minderjähriger, und die ist in diesem Gesetz in der Tat unverantwortlich geregelt. Das, was wir bislang hatten, ist die Regelung, die Nordrhein-Westfalen jetzt übernimmt.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: So ist es!)

Die Lehre aus Safia S., dass ein 15-jähriges Mädchen auf dem Hauptbahnhof in Hannover einen Anschlag begeht, einen Familienvater fast tötet, mit Tötungsabsicht unterwegs war, die Lehre, dass unser Verfassungsschutz eine Terrorgruppe nicht erkannt hat, obwohl sie in einem Beobachtungsobjekt unterwegs war, nämlich in einer Moschee, die als salafistisch dominiert beschrieben wird, und sich an Koranverteilaktionen beteiligt hat und der Verfassungsschutz trotzdem nicht tätig geworden ist, weil politisch motiviert sensibilisiert wird: „Lasst die Finger von Moscheen! Lasst die Finger von Minderjährigen!“ - das ist die Wahrheit in diesem

Lande. Dass das Ihre Lehre ist und dass Sie eigentlich an 16 festhalten wollen, ist unverantwortlich und ein Sicherheitsrisiko. Orientieren Sie sich an Nordrhein-Westfalen!

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dass die SPD das überhaupt nicht verstanden hat, das hat die Pressemitteilung, Herr Kollege Brunotte, von gestern deutlich gemacht. Darin schreiben Sie - Zitat, ich zitiere Sie -:

„Bei Gefahr im Verzug wird es auch weiterhin möglich sein, Jugendliche ab einem Alter von 14 Jahren zu überwachen.“

„Gefahr in Verzug“ - das ist überhaupt kein Begriff des Verfassungsschutzes. Gefahrenabwehr - das hat der Kollege Limburg völlig richtig gesagt - ist Sache der Polizei. Aber hier geht es um Vorfeldaufklärung, um Informationsbeschaffung - eine völlig andere Aufgabe. Sie reden von jugendlichen Gefährdern. Das ist eine Aufgabe des LKA. Dass Sie sich dann von Ihrer eigenen Pressestelle noch als SPD-Verfassungsschutzexperte beschreiben lassen, ist schlicht falsch. Sie wussten nicht, wovon die Rede ist.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn Sie dann noch schreiben, der Verfassungsschutz habe die Aufgabe, die Verfassung und die Demokratie zu verteidigen, dann muss ich sagen, dass auch das nicht zutreffend ist. Die Aufgabe, die Verfassung und die Demokratie zu verteidigen, haben wir, dieses Parlament, die Parteien, das Verfassungsgericht.

Wir müssen uns einfach vor Augen führen: In diesem Land gibt es Menschen, die diesen Staat, die dieses Land ablehnen und die bereit sind, Menschen zu töten, die gewalttätig gegen Andersdenkende sind, gegen die Polizei, gegen Staatsorgane, die die Köpfe junger Menschen mit falscher Ideologie und falschen Ideen vergiften und Eigentum und öffentliche Einrichtungen zerstören wollen, um Schaden anzurichten. Das sind Rechtsradikale, das sind Linksradikale, und das sind auch religiös motivierte Radikale.

Das ist der Grund, warum wir einen Nachrichtendienst brauchen, weil es nämlich keinen guten Extremismus gibt - einen Nachrichtendienst, der nicht nur, wie Frau Rundt es hier in den Raum gestellt hat, nach rechts schaut - das ist ein Kernfehler dieser Landesregierung -, sondern der nach

rechts, nach links und in den Islamismus hineinschaut, der sich um jeden Extremismus kümmert.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir brauchen einen Nachrichtendienst, der Informationen sammelt, der Informationen beschafft und damit diese Landesregierung und die Sicherheitsbehörden in die Lage versetzt, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit dann Gefahren abgewehrt werden, damit Anschläge abgewehrt werden können. Solange Sie nicht den Anspruch haben, hier das Allernotwendigste zu tun, können Sie auch nicht in den Raum stellen, dass Sie alles getan haben, Anschläge wie den von Safia S. zu verhindern, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen drei Forderungen:

Erstens. Stellen Sie das notwendige Personal zur Verfügung, das die Sicherheitsbehörden brauchen! Dies gilt für die Polizei, aber dies gilt eben auch für den Verfassungsschutz.

Herr Minister, Forderung zwei: Geben Sie sich nicht mit einem Verfassungsschutz zufrieden, der seine Aufgaben, die er nach dem Gesetz hat, dann gar nicht erfüllt, weil Sie nur den Anspruch haben, dass er keinen politischen Ärger macht! Kuschen Sie nicht vor dem grünen Koalitionspartner zulasten der Sicherheit in diesem Lande!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister, folgen Sie nicht der Fehlausrichtung von Frau Rundt, dass eine einseitige Ausrichtung der Landesregierung auf Rechtsextremismus erfolgt, wie sie dies hier in diesem Parlament verteidigt hat!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, abschließend gilt eines festzustellen: Dieses Gesetz ist in weiten Teilen in Ordnung. Das haben wir so besprochen. Es gibt einzelne Punkte, die ich erwähnt habe, weswegen wir heute diesem Gesetzentwurf im Ergebnis nicht zustimmen werden.

Wichtig ist, dass der Verfassungsschutz dieses Gesetz ausführt. Dazu muss man feststellen: Die Sicherheit ist eben nicht in guten Händen in diesem Land; denn es gibt einen desinteressierten Ministerpräsidenten, was man daran erkennen kann, dass er dieser Debatte nicht folgt.

(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Das ist doch so! - Heiner Schönecke [CDU]: Wo ist er denn?)

Und es gibt einen oberflächlichen Minister, der im Ergebnis - das kann man hier feststellen - nur ein schlagzeilenorientierter Sprücheklopfer ist

(Widerspruch bei der SPD)

und eben kein starker Minister.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ein starker Minister, Herr Minister Pistorius, hätte den Ausgleich bei der Frage der Speicherung von Daten 14-Jähriger gefunden.

(Wiard Siebels [SPD]: Abenteuerlich!)