Protocol of the Session on August 18, 2016

Sie sind exakt gleich!

Aber wie, Herr Minister, kann das sein? - Sie schreiben doch in der Vorbemerkung extra:

„Das Land hat die Bundesbeteiligung bis zum Jahr 2013 in vollem Umfang an die örtlichen Träger der Sozialhilfe weitergeleitet; dies galt auch für den auf das Land entfallenden Anteil. Nach der seit 2014 geltenden Rechtslage in Niedersachsen werden sowohl den örtlichen Trägern der Sozialhilfe als auch dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe die ihnen jeweils in eigener sachlicher Zuständigkeit entstandenen Nettoausgaben in vollem Umfang erstattet.“

Wenn das so ist, Herr Minister, dann können die Beträge in den Antworten auf die Fragen 2 und 3 nicht gleich sein. Das ist schlichte Logik.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen gibt es nur zwei Möglichkeiten, Herr Minister. Entweder wissen Sie nicht, wie hoch die Entlastung beim Land ist - was ich mir kaum vorstellen kann; denn das Jahr 2014 ist ja schon abgerechnet -, oder Sie wollen sie uns nicht sagen.

Das, Herr Minister, ist genau der Stil, der Sie schon siebenmal vor den Staatsgerichtshof geführt hat. Wir erwarten, dass Sie uns hier und heute die genauen Zahlen nennen und dass Sie uns hier und heute sagen, wie viel Mittel Sie den Kommunen vorenthalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn wir nun einmal davon ausgehen, dass der Bund 20 % der Kosten für die Grundsicherung im Alter trägt, dann wären das noch einmal 125 Millionen. Damit sind wir dann schon bei weit über 1 Milliarde Euro Entlastung durch den Bund.

Und wenn man sich dann anschaut, was Sie im Zusammenhang mit den Flüchtlingskosten tun, nur für die Kommunen, dann ist das ein ganz ähnlicher Betrag. Das bedeutet im Grunde genommen, dass Sie wieder nichts tun.

Die Hauptverwaltungsbeamten des Landkreises Hameln-Pyrmont haben eine Resolution formuliert,

wonach das Land die Kommunen endlich adäquat mit Finanzmitteln ausstatten soll. Im Rat der Stadt Bad Pyrmont hat sich der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Uli Watermann, zusammen mit der Ratsfraktion der SPD bei der Abstimmung über diese Resolution enthalten. Lieber Uli Watermann, das ist konsequent, aber falsch! Es zeigt genau das, was wir meinen: Sie wollen einfach nicht, dass die Kommunen eine adäquate Finanzausstattung bekommen, und Sie stehlen sich aus der Verantwortung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Antwort auf unsere Anfrage zeigt: Die Kommunen brauchen eine Landesregierung, die ihrer Verantwortung gerecht wird. Wir brauchen eine Landesregierung, die den Kommunen wieder Priorität in der Haushaltspolitik einräumt. Wir brauchen einen Entschuldungspakt. Wir brauchen einen Weg, wie wir kommunale Investitionen fördern. Und wir brauchen Anregungen, wie wir die Finanzen der Kommunen stabilisieren.

Es reicht einfach nicht, immer nur nach dem Bund zu rufen und sich die Lorbeeren des Bundes ans Revers zu heften. Der Bund liefert - Sie tun es nicht!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lechner. - Für die Landesregierung erteile ich nun Herrn Innenminister Pistorius das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Frage vorab: Ist die Bundeskanzlerin zurückgetreten, oder hat sie die Partei gewechselt? - Sie haben gerade gesagt: die Bundesregierung unter der Führung der kommunalfreundlichen Partei Nummer eins. Meines Wissens ist das die SPD!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Aber man kann sich ja mal vertun.

Meine Damen und Herren, bevor ich auf einzelne konkrete Punkte eingehe, lassen Sie mich zunächst einige grundsätzliche Dinge vorausschicken.

Zunächst einmal möchte ich anerkennen: Ja, es gibt insgesamt einen umfangreichen Betrag, um den der Bund die Kommunen und die Länder entlastet. Das will ich ausdrücklich würdigen. Lassen Sie mich dazu aber auch sagen: Das allein ist noch kein Grund für überschwänglichen Jubel. Ein großer Teil der Entlastungsmaßnahmen für Kommunen und Länder ist nämlich schlicht und ergreifend notwendig und erforderlich und war überfällig.

Warum ist das so? - Die Antwort ist einfach: Entscheidungen, die in Berlin getroffen werden und wurden, bedeuten oft sehr zeitnah - und manchmal aus Berliner Sicht viel schneller, als man dort erwartet - neue Aufgaben und neue Ausgaben für Länder und Kommunen. Die Flüchtlingsfrage ist dafür ein sehr eindrückliches Beispiel.

Der große Anstieg bei den Zugangszahlen in Deutschland wurde durch das Vorgehen des Bundes spürbar beeinflusst. Danach waren allerdings Länder und Kommunen nach Kräften gefordert, die Schutzsuchenden vor Ort unterzubringen und zu versorgen. Es ist daher aus meiner Sicht eine Selbstverständlichkeit, dass der Bund sich an derartigen Kosten stärker beteiligt.

In der Niedersächsischen Verfassung haben wir deshalb längst den Konnexitätsgrundsatz. Dieser Grundsatz ist ein umfangreicher und wirksamer Schutzmechanismus für die niedersächsischen Kommunen mit Blick auf neue Aufgaben. Daran halten wir in Niedersachsen selbstverständlich auch weiterhin fest.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Unser Er- folg!)

Bei den Kostensteigerungen, die der Bund mit veranlasst hat, geht es jedoch häufig um alte Ausgaben im Sozialbereich. Die Kostensteigerungen in diesem Bereich übertreffen die üblichen Einnahmesteigerungen der Kommunen oftmals erheblich. In solchen Fällen sind die gesamtstaatliche Unterstützung und das Zusammenwirken der verschiedenen Ebenen unerlässlich, um die Lasten für die Kommunen abzumildern.

Die Entlastungsmaßnahmen des Bundes, die in der Beantwortung dieser Großen Anfrage aufgelistet sind, zeigen, dass der Bund seine gesamtstaatliche Verantwortung wahrnimmt. Das begrüße ich sehr. Ich füge aber auch hinzu, dass Kommunen und Länder dies in einem solidarischen Bundesstaat auch erwarten dürfen. Das ist kein Gnadenakt, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich möchte all das gerne anhand konkreter Beispiele veranschaulichen. Nehmen wir etwa den großen Bereich der Entlastung bei den Sozialausgaben. Die Entlastungen kommen hier besonders den Trägern der örtlichen Sozialhilfe zugute, also den Landkreisen, der Region Hannover und den kreisfreien Städten. Diese kommunale Ebene hat besonders hohe Sozialausgaben zu leisten. Nicht zuletzt dadurch hat sie zum Teil mit hohen Defiziten zu kämpfen. Gerade einige größere Städte wissen sehr genau, wovon ich rede.

Das erste Entlastungsfeld ist die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Leistungen erhalten Seniorinnen und Senioren sowie voll erwerbsgeminderte Menschen, die nicht über ein eigenes bedarfsdeckendes Einkommen verfügen. Seit dem 1. Januar 2014 trägt der Bund die Nettoausgaben für die Geldleistungen der Grundsicherung vollständig. Die Mittel werden seitdem umfassend in Höhe der den örtlichen Trägern entstehenden Kosten weitergeleitet. Dieser Schritt war richtig und wichtig, gerade mit Blick auf die demografische Entwicklung. Für die betroffenen niedersächsischen Kommunen bedeutet das nach bisheriger Prognose z. B. in 2016 eine Entlastung um fast 649 Millionen Euro.

Der Bund engagiert sich auch stärker bei den Kosten der Unterkunft und Heizung für bedürftige Arbeitssuchende, also dem zweiten großen Feld bei den Sozialausgaben. Die Landesregierung gibt diese Bundesbeteiligung selbstredend jeweils in voller Höhe an die Kommunen weiter. Ein gutes Miteinander von Bund und Land gibt es im Übrigen auch noch in einem anderen Bereich, und zwar bei der frühkindlichen Bildung. Jeder Euro - darüber sind wir uns hier einig - ist hier gut investiert; daran besteht kein Zweifel.

Wir als Landesregierung nutzen deshalb einerseits die Unterstützung des Bundes, um die Zahl der Betreuungsplätze für unter dreijährige Kinder auszuweiten, aber - und das ist ein wichtiger Punkt - wir ruhen uns andererseits darauf nicht aus, sondern stellen zusätzliche Mittel für eine dritte Betreuungskraft in den Krippen bereit und sorgen damit für eine erhebliche Qualitätssteigerung.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Reinhold Hilbers [CDU]: Weil wir Sie dazu gezwungen haben!)

Diese Qualitätssteigerung kommt allen Beteiligten in den Krippen zugute, zuvorderst natürlich den Kindern, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die jetzt deutlich mehr Zeit für jedes Kind haben.

(Reinhold Hilbers [CDU]: BAföG-Mittel nehmen Sie dafür, die eigentlich die Hochschulen erhalten sollten!)

Dennoch bleiben auch in diesem Bereich, meine Damen und Herren, Baustellen - Baustellen in der Zusammenarbeit von Bund und Ländern, Baustellen, die zum Teil bis in das letzte Jahrzehnt zurückreichen. Nehmen wir etwa die alltagsintegrierte Sprachbildung und Sprachförderung, die schon in der frühkindlichen Bildung eine große Bedeutung hat, was sich mit Blick auf die aktuelle Flüchtlingssituation weiter verstärken wird.

Die Landesregierung begrüßt es, dass sich der Bund, zurzeit auch unter dem Eindruck der Flüchtlingssituation, finanziell an den Kosten der frühkindlichen Bildung beteiligt. Kritisch anzumerken ist aber, dass es für diese finanzielle Unterstützung keine dauerhafte Lösung gibt. Es ist vielmehr so, dass die immer nur kurzfristigen Programme erhebliche zuwendungsrechtliche Probleme für Land und Kommunen aufwerfen.

Ein anderes Thema ist die Beteiligung des Bundes an den Betriebskosten der Kinderkrippen. Schon im Jahr 2007 hatten die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder vereinbart, dass sich der Bund mit einem Drittel der Kosten beteiligt. Auch dies war damals notwendig, da der Bund den Krippenausbau - das war übrigens völlig richtig - vorgeschrieben hatte, die Kommunen diese Aufgabe aber unmöglich im Alleingang hätten bewältigen können. Allerdings ist die unzureichende Beteiligung an den Betriebskosten seitdem ein Dauerthema in den Verhandlungen mit dem Bund - auch ganz aktuell wieder.

Die Bundesregierung beabsichtigt zwar dankenswerterweise, ihr bisheriges Investitionsprogramm für Krippenplätze zu verlängern; an den erhöhten Betriebskosten aber, die infolge des weiteren Ausbaus anfallen werden, will sich der Bund nicht beteiligen. Dies würde dauerhafte und erhebliche Lasten für Länder und Kommunen bedeuten. Um es deutlich zu sagen: Es täte gut, wenn der Bund hier den Rotstift beiseitelegen und stattdessen lieber dauerhaft ausreichende Mittel für diese wichtige Aufgabe bereitstellen würde; getreu dem Motto: Wer die Musik bestellt, muss sie wenigstens

zum größten Teil bezahlen, meine Damen und Herren.

(Zuruf von Reinhold Hilbers [CDU])

Ich halte jedenfalls auch für dieses Politikfeld fest: Das Land gibt jeden Euro des Bundes an die Kommunen weiter.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das stimmt nicht!)

Wir tun dies aus voller Überzeugung; denn wir alle können alltäglich beobachten, wie entscheidend starke Kommunen für die Lebensqualität vor Ort sind.

Herr Minister Pistorius, lassen Sie eine Frage des Kollegen Hilbers zu?

Nein, danke. - Wir alle wollen gut ausgerüstete Kitas und Schulen. Wir wollen auch Behördengänge in sanierten und modernisierten Verwaltungsgebäuden erledigen können, und wir wollen eine attraktive Innenstadt mit neuen Fußgängerzonen, ein schönes Naherholungsgebiet, gute Sportanlagen, ein modernes Schwimmbad usw. Die Felder, in denen Investitionen angebracht sind, sind also breit gestreut.

Deshalb fördern Bund und Länder die Kommunen an verschiedenen Stellen. Ich nenne z. B. das Bund-Länder-Programm zur Städtebauförderung, das auch in Niedersachsen ein bewährter Baustein in der Regionalentwicklung ist.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Sie haben 20 Millionen verfallen lassen!)

Es trägt seit mehr als 40 Jahren dazu bei, dass zahlreiche Kommunen ihre städtebaulichen Strukturen an aktuelle Bedürfnisse anpassen können. Die Förderung ist aber auch ein wichtiger Beitrag für Wachstum und Beschäftigung; denn 1 Euro an Fördermitteln löst bekanntlich ein Vielfaches an öffentlichen und privaten Folgeinvestitionen aus. Und davon profitiert wieder die regionale Wirtschaft.