Protocol of the Session on June 9, 2016

Angesichts der Probleme, die wir gehabt haben, hätten wir dringend ein Konzept benötigt. Die CDU-Fraktion hat auch fast vor einem Jahr, am 25. Juni 2015, einen Antrag eingebracht, der da lautete: „Der Schutz des Menschen muss jederzeit höchste Priorität haben - für ein konsequentes Handeln der Landesregierung im Umgang mit dem Wolf!“. Ein Jahr ist dieser Antrag nun in der Beratung. Eine Entscheidung ist immer wieder verschoben worden. Die Beratungen sind trotz unse

res Drängens nicht zum Abschluss gekommen. Es hätte vieles gebracht, wenn die Beratungen abgeschlossen worden wären.

In diesem Antrag stehen wichtige Punkte, die uns wesentlich weiter gebracht hätten, u. a. der Punkt, den Managementplan Wolf umgehend zu überarbeiten und abgestimmt auf die zu erwartende Populationsentwicklung nachhaltige und effektive Handlungsempfehlungen zum Schutz von Mensch und Tier zu entwickeln. Damit ist im Grunde alles zum Management gesagt, was notwendig ist.

Genau das haben wir gefordert, und wir fordern das nach wie vor.

Zudem fordern wir, einen Leitfaden zu erarbeiten, in dem artfremdes Verhalten von Wölfen klar definiert wird und darauf bezogene Handlungsempfehlungen entworfen werden und damit Sicherheit gegeben wird - auch dahin gehend, ab wann das Verhalten eines Wolfes artfremd ist und wie im Falle artfremden Verhaltens mit ihm umzugehen ist.

Außerdem haben wir gefordert, die Zuständigkeit für den Umgang mit Problemwölfen, die es gegeben hat und die es sicherlich auch weiterhin geben wird, klar zu regeln und die Dinge in die Hände von Experten zu legen, die entsprechend reagieren können.

Ich bin mir sicher: Wenn Sie diese Forderungen kurzfristig umgesetzt hätten, gäbe es nicht die zunehmenden Sorgen der Menschen in den betroffenen Regionen und auch mehr Akzeptanz für die Wölfe. Stattdessen gibt es ein unsägliches Herausschieben von Entscheidungen und Handeln. Als Beispiel nenne ich die viel zu späte und dann auch noch uneffektive Vergrämung von MT6. Statt selber eine ausgebildete Einsatzgruppe zur Vergrämung zu bilden, wie wir es gefordert haben, muss erst ein schwedischer Experte kommen, der nicht mehr gebracht hat als Schlagzeilen in der Presse, wenn man es genau betrachtet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

So geht man nicht mit den Problemen vor Ort um!

Bereits wenige Wochen nach der Besenderung im vergangenen Jahr gab es Nahbegegnungen von MT6 und Menschen. Es wäre stringent gewesen, wenn man sofort Vergrämungsmaßnahmen durchgeführt hätte, beispielsweise mit Gummigeschossen. Dann wäre MT6 heute möglicherweise noch am Leben. Mit dem Sender, der damals noch funktionierte, hätten Sie alle Möglichkeiten gehabt.

Das ständige Herauszögern und Hadern bis hin zur Aberkennung der Glaubwürdigkeit von betroffenen Personen hat dazu geführt, dass der Wolf ständig in der Presse war, mit der Folge, dass sich in den sozialen Netzwerken hitzige Diskussionen entwickelten, die bis zu persönlichen Anfeindungen und Drohungen besonders gegenüber Menschen reichten, die im ländlichen Raum leben und mit Sorge die Ausbreitung der Wolfspopulation sehen. Auf der anderen Seite steht die Gruppe derer, die vorwiegend im städtischen Bereich bzw. in größeren Orten leben und den Wolf ausschließlich als Bereicherung der Natur sehen, der alles andere unterzuordnen ist.

Alles das wäre nicht nötig gewesen, wenn Sie von vornherein mit auffälligen Wölfen und insbesondere mit MT6 entsprechend umgegangen wären. Stattdessen war noch im April dieses Jahres zu lesen: Das MU plant eine Aufklärungskampagne in der Region. Die Menschen sollen lernen, wie und in welcher Situation sie den Wolf selbst vergrämen können. - Damit wird die Problematik auf die Menschen vor Ort umgelagert. Ich kann mir kaum vorstellen, dass zukünftig ältere Herrschaften und Kinder mit Pfefferspray in den Wald gehen, um dort spazieren gehen zu können. Das können wir doch wohl nicht erwarten!

(Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens [CDU]: Die bleiben gleich ganz zu Hause!)

Gleiches gilt für den Umgang mit dem Goldenstedter Wolf. Er hat bisher nachweislich 200 Nutztiere auf Weiden gerissen; mehrmals in der Nähe von Wohngebieten. Er überspringt 1,40 m hohe Zäune. Es gibt keinen Schutz vor ihm. Wie wollen Sie Akzeptanz vor Ort erreichen, wenn dieser Wolf immer wieder zugreifen kann?

Im November 2015 sollte dieser Wolf besendert werden, um ihn identifizieren zu können, wenn wieder einmal ein Riss stattfindet. Bis heute hat es keine Besenderung gegeben.

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Uner- hört!)

Natürlich ist es ruhiger geworden. Das haben auch wir festgestellt. Aber was wird sein, wenn diese Fähe - das ist ja nicht ausgeschlossen - Nachwuchs bekommt? Sie wird dann ihrem Nachwuchs zeigen, wie es geht, über Zäune zu springen. Dann haben wir vor Ort ein richtiges Problem. Ich frage mich ernsthaft, Herr Wenzel, wie Sie damit umgehen wollen.

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Gar nicht!)

Ein weiteres Problemfeld sind die Präventionsvorkehrungen. Nicht hinnehmbar sind die Ausführungen in der Antwort auf die Große Anfrage, dass man weiterhin nicht vorsehe, vorsorglich alle Landkreise in Niedersachsen in die Förderkulisse aufzunehmen. Das ist genau der falsche Weg! Wir haben am Anfang gefordert: Keine Herdenschutzregionen, sondern landesweite Präventionsmöglichkeiten! Es macht doch keinen Sinn, dass erst dann, wenn der Wolf kommt und Schafe reißt, Herdenschutzregionen ausgewiesen werden und Anträge für Maßnahmen gestellt werden können. Bis die Maßnahmen umgesetzt werden können, ist ein halbes Jahr vergangen. Bis dahin kann viel Unruhe entstehen, und weitere Tiere können gerissen werden. So geht man vor Ort nicht präventionsmäßig vor, wenn man denn weiß - das hat auch Frau Kottwitz bestätigt -, dass der Wolf in kurzer Zeit landesweit vorkommen wird. Sie hat damit vollkommen recht.

(Beifall bei der CDU)

Zudem muss es zukünftig - damit gehe ich auf die Richtlinie ein, die ebenfalls überarbeitet werden muss - Präventionsmaßnahmen für Klein- und Hobbytierhalter geben. Dort lernen die Wölfe doch erst, wie leicht es ist, über Zäune zu springen. Ebenfalls benötigen wir Präventionsunterstützung für Rinder- und Pferdehalter.

Absolut nicht nachvollziehbar ist die Antwort auf Frage 46 der Großen Anfrage, die da lautet:

„Eine wolfsabweisende Einzäunung für Rinder und Pferde ist in der Regel nicht notwendig.“

Bis heute sind sieben Rinderrisse durch den Wolf nachgewiesen. Von Januar bis jetzt sind 15 Rinderrisse in der Bearbeitung. Ich frage mich ernsthaft: Will man die Rinderhalter im Regen stehenlassen,

(Beifall bei der CDU)

und das bei einer wachsenden Wolfspopulation? Die Probleme werden auch in diesem Bereich erheblich mehr werden.

Hinzu kommt die mögliche Gefahr des Ausbruchs von Rindern bei Wolfsübergriffen mit anschließender Gefährdung des Straßenverkehrs. Auch da ist ein großes Problemfeld, für das es noch keine Antworten gibt.

(Jörg Hillmer [CDU]: Aber einer ist verantwortlich!)

Zurzeit bedienen sich die Wölfe an einem reichhaltigen Wildangebot. Sollten die Bestände aber einmal reduziert sein, werden sie verstärkt auf Weidetiere übergreifen. Spätestens dann wird es wirklich notwendig sein, dass alle Zäune und Weiden wolfssicher sind, auf denen Weidetiere gehalten werden. Wenn man das konkret betrachtet, bedeutet dies, dass die Weiden so eingezäunt sind, dass kein Rotwild, kein Schwarzwild und auch kein Rehwild mehr diese Weiden betreten kann. - Das zum Thema Ökosysteme! Das ist mit Sicherheit nicht das, was wir wollen. Das kann auch nicht das sein, was Sie von der Grünen-Partei wollen.

Ein weiteres Feld betrifft die möglichst schnelle Auszahlung von Entschädigungsleistungen für betroffene Nutztierhalter. Es ist gut, dass daran gearbeitet wird, und es mag sein, dass es zukünftig mit zwei Veterinären schneller geht. Allein mir fehlt der Glaube. Schon bisher war das nicht so.

In Sachsen haben die Weidetierhalter, die einen Verlust erlitten haben, nach sechs bis acht Wochen ihr Geld. Das muss auch hier das Ziel sein. Das heißt, wenn die Veterinäre herausfahren, müssen sie vor Ort die Anträge mit ausfüllen - diese Anträge sind recht umfangreich; die Nutztierhalter sind damit oftmals überfordert -, sie mitnehmen und einreichen, sodass auf diesem Weg dann möglicherweise schnell Geld fließen kann.

Nun ein Wort zu den Wolfsberatern, die bisher eine großartige Arbeit geleistet

(Beifall bei der CDU)

und erst dafür gesorgt haben, dass die Herausforderungen, die durch den Wolf entstanden sind, angegangen werden konnten. Oft genug haben sich Wolfsberater in Gegenwart unmittelbar betroffener, auf Entschädigung wartender Nutztierhalter mit dem Hinweis auf monatelange DNAUntersuchungen quasi schützend in vorderster Front vor das Ministerium gestellt. Ihnen jetzt einen Verhaltenskodex, einen Maulkorb auferlegen zu wollen, ist völlig unverständlich und abzulehnen.

(Beifall bei der CDU - Helmut Dam- mann-Tamke [CDU]: Die neue Dia- logkultur der Landesregierung!)

Mit der weiteren Ausdehnung der Wolfspopulation werden wir weitere Wolfsberater benötigen. Das wird nur gelingen, wenn wir vertrauensvoll mit ihnen zusammenarbeiten und die zustande kom

mende Thematik mit ihnen angehen. Dazu gehört auch, dass man ihre Kompetenzen annimmt und sie in die Diskussion einbindet, ihnen aber nicht das Wort nach außen verbietet.

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Richtig!)

Meine Damen und Herren, wir haben zurzeit 80 Wölfe im Land. In diesem Frühjahr werden weitere 25 geboren. Es werden zukünftig also 100 und mehr sein. Die Jungwölfe des letzten Jahres werden im Sommer die Rudel verlassen. Die Herausforderungen werden zunehmen. Ein Managementplan, der nachhaltig ist und Antworten liefert, wird dringend benötigt, ein Plan, der keine offenen Fragen lässt,

(Glocke der Präsidentin)

der in sich schlüssig ist und wissenschaftlich ohne ideologische Denke mehr Basis hat als die bestehenden Managementpläne.

Ebenso brauchen wir - das wiederhole ich gerne - eine Gruppe, die gut ausgebildet ist und bei Nahbegegnungen sofort eine Vergrämung durchführen kann. Die Wölfe müssen endlich lernen, Abstand zu den Menschen zu halten.

(Zustimmung von der CDU)

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ein letzter Satz. - Auf Höfen und in den Einfriedungen eines Dorfes haben Wölfe nichts zu suchen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Angermann. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Janßen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Wolf ist zurück in Niedersachsen, und ich hoffe, er bleibt auch. Etwa 50 bis 70 Wölfe leben derzeit in Niedersachsen - ein wichtiger Erfolg für den Artenschutz.

(Zuruf von der FDP: Eben haben wir etwas von 80 gehört!)

Wie auch die Antwort der Landesregierung bestätigt, ist davon auszugehen, dass sich Wölfe auch in weiteren Regionen unseres Flächenlandes ansiedeln. Selbstverständlich ist das jedoch nicht; denn Neuzuwanderer haben es nicht unbedingt leicht bei uns.