Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe den Eindruck, dass die Wärme des Tages schon ihre Wirkung entfaltet. Ich darf Sie bitten, Ihre Zwischenrufe wieder so zu tätigen, dass der Redner ungestört reden kann und alle ungestört zuhören können. Alles andere lässt sich entsprechend austauschen.
In diesem Sinne erteile ich nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herrn Helge Limburg das Wort. Bitte sehr!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Grascha, Ihre FDP-Mitgliederkampagne im Plenum in allen Ehren. Aber zum einen kann ich Ihnen versichern, dass Ihr Herumbaggern an Mitgliedern der rot-grünen Landesregierung erfolglos bleiben wird. Und zum anderen nehme ich das als Ausweis der Personalarmut bei Schwarz-Gelb. Sie haben am 20. Januar nicht nur die Regierungsmehrheit, sondern - das gilt insbesondere für die CDU - einen Großteil der Mitglieder des Landeskabinetts komplett aus der Politik verloren. Das ist doch ein ganz eindeutiges Votum, was die Menschen in diesem Lande von der schwarzgelben Landesregierung gehalten haben, meine Damen und Herren.
Aber ich erkenne ja an, dass Sie Ihre Kabinettsmitglieder zumindest in die Fraktion retten konnten, Herr Kollege Grascha.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Ausscheiden der schwarz-gelben Regierung sind natürlich nicht alle Arbeitsergebnisse dieser glorreichen zehn Jahre verschwunden. Sie, Herr Na
cke, Herr Thümler, haben Rot-Grün eine ganze Menge Baustellen hinterlassen. Und ich rede hier nicht von kleineren Baustellen, sondern es geht wohl leider eher um Großbaustellen in der Dimension der Elbphilharmonie in Hamburg oder des Berliner Großflughafens.
Beispiel Bildungspolitik - Frau Modder hat es schon angesprochen -: Herr Nacke ist auf das Problem mit den Honorarverträgen an Ganztagsschulen überhaupt nicht eingegangen. Herr Nacke, Sie haben diese Honorarverträge in rechtswidriger Weise bis zum Exzess ausgeweitet. Unter Schwarz-Gelb musste die Staatsanwaltschaft ins Kultusministerium einrücken - ein einmaliger Vorgang in einem Rechtsstaat, meine Damen und Herren.
Wir werden das stemmen - keine Sorge. Aber wir werden in den Haushaltsberatungen auch sehr genau beobachten, welche Vorschläge Sie eigentlich unterbreiten, um mit den Folgen Ihrer Rechtsbrüche umzugehen, meine Damen und Herren.
Sie haben uns - das ist im letzten Plenum angesprochen worden - den Libeskind-Bau an der Leuphana Universität inklusive OLAF-Ermittlungen hinterlassen. Im Kultusministerium ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover; im Hochschulbereich sogar die Antibetrugsbehörde der EU. So hoch hinaus haben Sie Ihre Projekte getrieben. Es soll keiner sagen, Schwarz-Gelb wäre provinziell gewesen, meine Damen und Herren.
Gegenwärtig läuft ein weiteres Verfahren der EU, und zwar wegen der Arbeitsbedingungen in der Fleischbranche. Sie haben dieses Problem im Landtag jahrelang nach Kräften ignoriert. Ich bin froh und dankbar, dass Olaf Lies diese Thematik endlich entschieden angeht.
Sie haben in zehn Jahren nichts gegen den exzessiven Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft unternommen. Sie haben das Entstehen von multiresistenten Keimen in Kauf genommen und das Problem verniedlicht.
Sie haben mit Ihrem Raumordnungsprogramm weite Teile unserer Moore der Abtorfung preisgegeben. Mit den Folgen müssen wir uns herumschlagen.
Viel schlimmer aber: Sie haben nichts dagegen unternommen, dass im ganzen Land Großställe aus dem Boden geschossen sind; Sie haben das Problem von Gülle und Mist vollkommen ignoriert. Sie haben die Belastung des Trinkwassers einfach so in Kauf genommen.
Apropos Trinkwasser, Herr Kollege Thümler: Sie haben Fracking subventioniert und damit auch das Trinkwasser gefährdet. Sie haben insgesamt Umwelt und Natur in unserem schönen Land Niedersachsen gnadenlos den wirtschaftlichen Interessen Einzelner untergeordnet, meine Damen und Herren.
(Zuruf von der FDP: Das ist gelogen! - Björn Thümler [CDU]: Herr Limburg, das gehört zu Ihrem Lügengebäude! - Weitere Zurufe von der FDP)
Der Bereich der Ausländer- und Flüchtlingspolitik ist bereits von Frau Modder angesprochen worden. Hier gibt es so viele Baustellen, dass man sie gar nicht alle aufzählen kann. Wir sind froh, dass Boris Pistorius endlich den überfälligen Paradigmenwechsel eingeleitet hat.
Die Innenpolitik hat uns in den letzten zehn Jahren ja häufiger beschäftigt. Sie haben die Landeszentrale für politische Bildung zerschlagen. Sie haben den Verfassungsschutz aufgebläht und diese wichtigste Landesbehörde zum Zentrum Ihrer Parteipolitik gemacht. Unter Schwarz-Gelb in Niedersachsen wurden Mitglieder von zwei der drei Oppositionsparteien vom Innlandsnachrichtendienst beobachtet. Finden Sie das in einer Demokratie eigentlich normal, meine Damen und Herren?
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Die sind ja Gott sei Dank wieder weg! Das waren Verfassungsfeinde!)
Beispiel Haushaltspolitik - auch das ist angesprochen worden und wird morgen im Rahmen der Dringlichen Anfrage noch einmal Thema sein -: Sie haben hochprofitables Eigentum der Landesforsten zu einem Spottpreis verscherbelt - darüber wird zu reden sein. Sie haben das nur getan, um kurzfristig Ihre Bilanzen aufzubessern. Viel schlimmer aber ist: Sie haben auf Bundesebene, im Bundesrat, allen schwarz-gelben Steuersenkungsgesetzen zugestimmt. Sie haben damit dem Landeshaushalt in den letzten Jahren massiv geschadet. Auch damit muss sich Rot-Grün jetzt herumschlagen.
Warum, Herr Nacke, Herr Grascha, erzählen wir Ihnen das eigentlich alles? - Weil wir Ihnen die Freude an der neuen Oppositionsrolle vermiesen wollen? - Nein, ganz sicher nicht. Ich gönne Ihnen die Freude in den kommenden 10, 15 oder 20 Jahren, hier die Opposition zu sein.
Aber ich rufe Ihnen das in Erinnerung, weil Sie hier seit Monaten so laut krakeelen, dass Rot-Grün es nicht schafft, innerhalb von vier Monaten sämtliche schwarz-gelben Hinterlassenschaften abzuräumen. Ich glaube, dass ein bisschen mehr Demut von Ihnen beiden angebracht wäre. Meine Damen und Herren, wir haben noch genug Energie für die nächsten viereinhalb Jahre. Wir werden damit fertig werden. Aber Sie sollten sich mit Ihrer lautstarken Kritik zurückhalten.
Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Für die Landesregierung hat nun Herr Ministerpräsident Weil das Wort. Bitte schön!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe den Eindruck, dass wir am Anfang unseres zweiten Sitzungstages schon wieder auf dem Weg in eine Diskussionsatmosphäre sind, die uns allen miteinander hinterher wieder leidtut. Und so wie Frau Ross-Luttmann richtigerweise ihren Anteil dazu beigetragen hat, dass etwas nicht in die falsche Richtung läuft, indem sie rechtzeitig darauf hingewiesen hat, möchte ich jetzt meinen Anteil dazu beitragen.
Lieber Herr Kollege Nacke, Sie haben in Ihrem Wortbeitrag Frau Staatssekretärin Honé in einer Art und Weise attackiert, die ich nur als unflätig bezeichnen kann.
Ich empfinde es zunächst einmal als unangemessen, dass Sie eine Kollegin in dieser Art und Weise ansprechen, die sich hier mangels Rederecht nicht persönlich wehren kann. Ich empfinde das als unfair, Herr Kollege.
Zweitens. Sie haben sich in einer bestimmten Art und Weise mit einem Bericht des Landesrechnungshofs auseinandergesetzt. Sie mögen selbst beurteilen, wie Sie mit dieser Institution umgehen. Aber lassen Sie mich eines sagen: Der Bericht, den Sie kritisieren, war ein Senatsbeschluss. Der gesamte Landesrechnungshof hat also zu der Art und Weise der Privatisierung von Landeskrankenhäusern Stellung genommen. Das, meine Damen und Herren, darf man nicht in dieser Art und Weise personifizieren, wie Sie es getan haben.
Drittens und letztens haben Sie dann auch noch gemeint, das sei eine wahlkampforientierte Handlung des Landesrechnungshofs gewesen, und Frau Kollegin Honé sei anschließend mit dem Amt der Staatssekretärin betraut worden, weil sie sich so verhalten habe. Auch das halte ich gegenüber einer Kollegin, die als Abteilungsleiterin in der Staatskanzlei, als Regierungspräsidentin, als Mit
glied des Landesrechnungshofs verdienstvolle Arbeit geleistet hat, für eine völlig unvertretbare Darstellung. Ich stelle Ihnen anheim, aus Gründen des Stils gegenüber Frau Honé noch persönlich Ihr Bedauern über diesen Ausfall zum Ausdruck zu bringen.