Protocol of the Session on February 16, 2011

(Beifall bei der SPD)

Davon haben wir alle profitiert. Das war gut. Wir wollen auch zukünftig geordnete Verhältnisse in unseren Betrieben und Unternehmen. Das ist uns besonders wichtig. Aber genau deshalb brauchen wir klare Rechtsnormen, die sich mit diesen Konflikten und konkurrierenden Tarifverträgen verschiedener Gewerkschaften innerhalb eines Unternehmens beschäftigen und die das verhindern. Solche Zustände wollen wir nicht.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen keine englischen Verhältnisse, wo Streiks ständig an der Tagesordnung sind und letztlich ein enormer wirtschaftlicher Schaden entsteht und wo sich niemand dauerhaft auf kalkulierbare Arbeitsbedingungen einrichten kann. Ähnlich ist es in Frankreich. Die Statistiken sprechen eine eindeutige Sprache.

Nun liegt im Bundesrat ein Entschließungsantrag des Landes Rheinland-Pfalz vor, der exakt das Ziel verfolgt, auch zukünftig den Tarifvertrag anzuwenden, der auf die Mehrzahl der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer im Betrieb anzuwenden ist. Das finden wir richtig. Das ist zielführend, konsequent und eigentlich auch logisch.

(Beifall bei der SPD)

Ferner wäre mit dieser Regelung - so wie bisher auch - eine Friedenspflicht verbunden. Es macht absolut keinen Sinn, einer völlig unbedeutenden Möchtegerngewerkschaft den Status zu verleihen, einen Streik durchzuführen. Mit einem guten Tarifvertrag ausgestattet geht so etwas viel besser.

95 % der Arbeitnehmer würden weiter arbeiten, deshalb würde das gar keinen Sinn machen. Das widerspricht auch völlig der Lebenswirklichkeit; denn gerade die christlichen Gewerkschaften haben gar nicht die Kraft, die Logistik und die Manpower, um einen Streik überhaupt durchführen zu können. Sie schreiben Tarifverträge ab, verschlechtern die Konditionen, machen dicke Backen, und sonst kommt nur heiße Luft. Genau so etwas wollen wir nicht.

(Beifall bei der SPD)

Bei allem Wohlwollen für die Linken und die Grünen, die sich offensichtlich so vehement für diese Minigewerkschaften einsetzen wollen:

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Das stimmt ja gar nicht!)

Überdenken Sie das bitte noch einmal! Denn es geht nicht um die Spartengewerkschaften wie etwa die Gewerkschaft Deutscher Lokführer, GDL, die Vereinigung Cockpit oder den Marburger Bund der Ärzte. Die haben ihren Status als repräsentative Gewerkschaft durch die klare Mehrzahl der Mitglieder, die sie vertreten. Sie erfüllen auch die klassischen Voraussetzungen für eine Gewerkschaft, weil sie mächtig, durchsetzungsfähig und in der Lage sind, erfolgreich einen Arbeitskampf zu führen.

(Zuruf von Helge Limburg [GRÜNE])

Sie würden also keinen Schaden nehmen. Der Tarifvertrag würde weiter angewendet werden.

Nun noch eine klare Ansage für die CDU und insbesondere für die FDP: Ihnen geht es heute um etwas ganz anderes. Sie haben keine eigene Meinung. Sie schielen auf Berlin, weil dort eine Anhörung läuft. Toll, wirklich prima! Aber einmal ganz ehrlich: Sind Sie gemeinsam mit dieser Landesregierung schon so abgewirtschaftet, dass Sie keine eigenen Positionen mehr finden können? Wissen Sie nicht mehr darauf zu reagieren? Oder zwingen Sie wieder einmal die FDP und insbesondere Frau König dazu, dass sie hier so feige reagieren und keine klare Meinung haben?

(Professor Dr. Dr. Roland Zielke [FDP]: Das ist eben eine starke Frau!)

Frau König, was sagen Sie eigentlich den Unternehmern, die keine chaotischen Zustände in ihren Unternehmen wollen? Die sind auf unserer Seite!

(Zuruf von Gabriela König [FDP])

- Die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften, ganz genau!

Was ist bei Ihnen eigentlich los? Sie kriegen ja gar nichts mehr auf die Reihe. Meine Damen und Herren, kommen Sie wieder zur Vernunft! Hier geht es um mehr als Ruhe und Ordnung in Unternehmen. Es geht auch und insbesondere um die verfassungsrechtliche Stellung der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften insgesamt.

Darum bitten wir Sie: Stimmen Sie dem Antrag zu! Wir fordern gemeinsam unsere Landesregierung dazu auf, wenigstens den Entschließungsantrag von Rheinland-Pfalz im Bundesrat zu unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Rickert das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesarbeitsgericht hat in der ersten Jahreshälfte 2010 den Grundsatz „Ein Betrieb - ein Tarifvertrag“ aufgegeben. Begründet wurde dies damit, dass der Grundsatz der Tarifeinheit einen ungerechtfertigten Eingriff in die Koalitionsfreiheit darstellt, ein wichtiges, durch das Grundgesetz geschütztes Grundrecht.

Das Bundesarbeitsgericht hatte jahrelang den sogenannten Grundsatz der Tarifeinheit vertreten, der besagt, dass in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag anzuwenden ist. Ein anderer Tarifvertrag bleibt zwar formal rechtsgültig, kommt aber nicht zur praktischen Anwendung. Welcher von zwei gültigen Verträgen einheitlich im ganzen Betrieb und für sämtliche Arbeitnehmer anzuwenden ist, entscheidet sich danach, welcher Vertrag spezieller auf den Betrieb passt oder hinter welchem Vertrag die größere Anzahl von Arbeitnehmern steht.

Als ehemaliges Vorstandsmitglied eines Arbeitgeberverbandes habe ich große Sympathie für diese Interpretation. Das hat in den Betrieben Klarheit und auch Verhandlungssicherheit gebracht.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat gravierende Folgen für die Tariflandschaft. Kleine Spartengewerkschaften wie die Lokführergewerkschaft GDL oder die Ärztevertretung Marburger Bund werden gestärkt. Die großen Gewerkschaf

ten wie z. B. die IG Metall und ver.di befürchten eine Zersplitterung der Tariflandschaft und den Verlust einer einheitlichen Streikmacht.

Auch die Arbeitgeberverbände befürchten eine zersplitterte Gewerkschaftsorganisation, die mehr Streiks in den Betrieben zur Folge haben kann - mit Auswirkungen auf den Betriebsfrieden und unkalkulierbaren Störungen des Betriebsablaufs.

Das BAG hat allerdings anders entschieden. In einem Betrieb können mehrere Verträge jetzt nebeneinander gelten und auch angewendet werden - je nachdem, bei welcher Gewerkschaft der Arbeitnehmer Mitglied ist.

DGB und Arbeitgeberverbände fordern den Gesetzgeber auf, die bisher praktizierte Tarifautonomie gesetzlich besser abzusichern, so wie ich das eben geschildert habe. Kleinere Gewerkschaften oder beispielsweise auch der Verband der Familienunternehmer lehnen das ab und mahnen das Brechen der Tarifmonopole an.

Gleichzeitig wünscht der Verband der Familienunternehmer aber auch, dass der Gesetzgeber z. B. regelt, dass die verschiedenen Gewerkschaften in den Unternehmen nicht permanent streiken dürfen.

Meine Damen und Herren, so viel zur Sachlage. Sie ist zugegebenermaßen ausgesprochen unübersichtlich. Nicht nur die FDP-Fraktion im Land wartet jetzt auf eine entsprechende verfassungsrechtliche Diskussion und Prüfung des Bundesgesetzgebers.

Es ist nicht so, dass wir die alte Tarifautonomie nicht wiederhergestellt wissen wollen. Auf der anderen Seite haben wir aber selbstverständlich auch das in der Verfassung garantierte hohe Gut der Koalitionsfreiheit zu berücksichtigen. An dieser Stelle steht also Koalitionsfreiheit gegen Tarifautonomie. Hier wird es eine Lösung geben müssen. Ich bin gespannt darauf.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE hat nun Frau Weisser-Roelle das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Die Bösen kommen; egoistisch und skrupellos

machen sie sich daran, das System zu zersetzen - Ärzte und Piloten, Lokführer, IT-Experten und wer sonst noch alles den Willen und die Macht hat, seinen Arbeitgeber zu erpressen -, ohne Rücksicht auf Verluste, allein den eigenen Vorteil im Sinn. Und die Guten wehren sich. Arbeitgeberpräsident Hundt und DGB-Chef Sommer stehen Seit an Seit und rufen nach der Bundeskanzlerin: Bitte noch ein Gesetz; denn wir sind schwach und können auf Dauer nicht widerstehen! Deutschland verkommt zur Streikrepublik, und wir kriegen englische Zustände. Armes Deutschland!

Meine Damen und Herren, so sieht das Szenario der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und des Deutschen Gewerkschaftsbundes aus. Deshalb kämpfen sie gemeinsam für die Tarifeinheit. So viel Einigkeit kommt selten vor.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Noch nie!)

Kaum hatte das Bundesarbeitsgericht entschieden, nicht länger am Grundsatz der Tarifeinheit festhalten zu wollen, erscholl von BDA und DGB der Ruf nach dem Gesetzgeber. In Fortsetzung der bisherigen Rechtsprechung soll durch das Gesetz die Anwendbarkeit nur eines Tarifvertrages angeordnet werden, wenn für die gleiche Beschäftigungsgruppe mehrere Tarifverträge konkurrierender Gewerkschaften gelten.

Darüber hinaus - und das ist neu und von der Rechtsprechung nicht gedeckt - soll die mit dem dominierenden Tarifvertrag verbundene Friedenspflicht auch auf die anderen Gewerkschaften und ihre Mitglieder ausgedehnt werden. Dieser Vorschlag findet breite Unterstützung im Regierungslager und bei der SPD. Um Argumente sind die Gesetzesbefürworter nicht verlegen. Arbeitgeberpräsident Hundt sieht die Betriebe ohne Tarifeinheit im Chaos permanenter Streiks versinken. DGB-Vorsitzender Sommer spricht von einer Krise des Tarifsystems. Und die SPD befürchtet die Spaltung der Belegschaften.

Meine Damen und Herren, die Linke ist für starke Gewerkschaften.

(Beifall bei der LINKEN)

Nur mit einer hohen Durchsetzungskraft können die Interessen der Beschäftigten durchgesetzt werden. Zur Durchsetzungsmacht gehört ein geschlossenes und solidarisches Handeln der Beschäftigten, und die Stärkeren müssen sich auch für die Schwächeren einsetzen. Deshalb ist es wichtig, dass das Prinzip „Ein Betrieb - eine Gewerkschaft“ verwirklicht wird.

Die Linke wird alles unterstützen, was die gewerkschaftlichen Handlungsmöglichkeiten verbessert. Hierzu gehören vor allem die Rückabwicklung der Agenda 2010,

(Beifall bei der LINKEN)

insbesondere die Überwindung von Hartz IV, sowie die strikte Regulierung der Leiharbeit und die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.

(Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])