Protocol of the Session on January 20, 2011

Noch immer gibt es eine strukturelle Lücke beim betrieblichen Ausbildungsangebot. Diese Feststellung gehört zur ganzen Wahrheit dazu. Die offizielle Ausbildungsstatistik, bei der am Ende des Jahres mehr freie Plätze als unversorgte Bewerberinnen und Bewerber übrig bleiben, ist unehrlich.

(Zustimmung von Ronald Schminke [SPD])

Die Statistik muss transparenter werden.

Allen muss klar sein, dass wir nicht nur mehr Engagement brauchen, um alle Jugendlichen frühzeitig fit für die Ausbildung zu machen, sondern dass auch alles getan werden muss, um mehr betriebliche Ausbildungsplätze zu schaffen.

1,5 Millionen Menschen zwischen 25 und 29 Jahren haben keine Ausbildung. Im Boomjahr 2008 konnten deutschlandweit 400 000 Schulabgänger keine berufsqualifizierende Ausbildung beginnen. Allein in Niedersachsen haben wir mindestens 12 000 sogenannte Altfälle. Andere geben sogar Zahlen von fast 17 000 Betroffenen an, die keinen Weg in die Ausbildung finden. Deshalb ist diese Anfrage sehr zu begrüßen, zeigt sie doch wieder

einmal mehr, dass uns in vielen Bereichen des Ausbildungsmarktes die notwendigen Daten fehlen.

In den Warteschleifen des Übergangssystems gehen heute viele Ausbildungsuchende gar nicht erst in die BA-Statistik ein, weil die Bundesagentur ihnen sogar den Bewerberstatus verweigert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Allein in 2009 verzeichnete die Bundesagentur rund 122 000 Neuzugänge in Warteschleifen, vor allem in berufsvorbereitenden Maßnahmen. Diese Situation wird in diesem Jahr noch problematischer werden, wenn durch den doppelten Abiturjahrgang und den Wegfall von Wehr- und Zivildienst zusätzlich noch mehr Jugendliche auf den Ausbildungsmarkt drängen. Dies bedeutet für viele Hauptschüler und diejenigen ohne Abschluss, dass es für sie noch schwerer werden wird.

Obwohl wir schon jetzt eine Bugwelle von Altbewerbern vor uns hertragen und sie mit Warteschleifen abspeisen, ist keine Reaktion in Ihrer Politik in Sicht. Wir haben das gerade wieder live bei Ihnen erleben können, Herr Bode. Insbesondere Altbewerberinnen und Altbewerber, die es aufgrund persönlicher Umstände schwer haben, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu finden, brauchen gezielte Unterstützung durch chancenorientierte Arbeitsmarktpolitik. Dafür sind Sie zuständig, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir brauchen dringend mehr gute Ausbildungsplätze - nicht nur, um allen jungen Menschen eine Chance auf einen gelungenen Berufseinstieg zu ermöglichen, sondern auch, um die nötigen Fachkräfte für unsere Wirtschaft und den zukünftigen Wirtschaftserfolg zu bekommen.

(Zustimmung von Ronald Schminke [SPD])

Die Unternehmen stehen in der Verantwortung, jungen Menschen eine Perspektive zu geben und eine Personalpolitik zu betreiben, die in die Zukunft gerichtet ist. Niemand, der nicht selbst ausgebildet hat, darf sich heute über fehlende Fachkräfte beklagen. Die Politik kann dabei unterstützen. Für die SPD gilt nach wie vor: Jeder junge Mensch muss ein Angebot auf eine Ausbildung erhalten, sehr verehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Aber immer wenn man versucht, das dieser Landesregierung zu erklären, ziehen Sie sich darauf zurück, dass die unversorgten Jugendlichen nicht ausbildungsfähig seien. Ob Sie daran festhalten, sollten Sie sich gut überlegen; denn das ist die Folge Ihrer Schulpolitik.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie haben aus ideologischen Gründen viel zu lange an der Dreigliedrigkeit festgehalten und sich einem integrierten Schulsystem verweigert, um mehr Jugendlichen eine bessere Qualifizierung zu bieten.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Abitur für alle!)

Ich möchte Sie noch darauf aufmerksam machen, dass wir auch bei den Berufsschulen in den kommenden Jahren Probleme bekommen werden. Denn viele der Lehrerinnen und Lehrer werden aus Altersgründen aus ihrem Beruf ausscheiden müssen. Das Problem haben Sie mit der Eigenverantwortlichen Schule an die Schulleiterinnen und Schulleiter weitergereicht. Wenn ich in meinem Wahlkreis mit ihnen spreche, dann sagen sie, dass das ihr größtes Problem ist. Dabei gibt es immer wieder qualifizierte Bewerber, die als Berufseinsteiger anfangen wollen. Sie dürfen aber von den Schulleiterinnen und Schulleitern nicht eingestellt werden, weil ihre pädagogische Ausbildung aus einem anderen Bundesland in Niedersachsen nicht anerkannt wird. Was ist das eigentlich für eine Logik?

(Zustimmung bei der SPD)

Wie ernst es CDU und FDP mit ihrer Politik für mehr Ausbildung ist, haben sie im letzten Jahr bei den Verhandlungen über den Ausbildungspakt der Bundesregierung wieder deutlich gezeigt. Die Gewerkschaften kritisieren diesen Ausbildungspakt aus gutem Grund. Nicht nur, dass Sie diesen Ausbildungspakt nur auf Freiwilligkeit basieren lassen wollen, Sie wollen auch noch Verschlechterungen beim Jugendarbeitsschutz und die Anerkennung eines zweijährigen Schmalspurausbildungsgangs fördern.

(Gabriela König [FDP]: Schmalspur- ausbildungsgang? Was ist das denn?)

Für uns ist die Frage von ausreichenden Ausbildungsplätzen nicht nur eine Frage der Anzahl, sondern auch eine Frage der Qualität. Nur so können sich die jungen Leute später auf dem Arbeits

markt zurechtfinden. Denn der Druck steigt nicht nur bei der Ausbildung, sondern auch beim Übergang in den Beruf. Praktika, Leiharbeit und befristete Jobs sind für junge Menschen der frustrierende Einstieg ins Berufsleben.

Der jetzige Aufschwung geht an der jungen Generation vorbei. Es ist sehr erfreulich, wie sich die Zahlen am Arbeitsmarkt trotz der Krise im vergangenen Jahr entwickelt haben. Umso erschreckender ist es, dass die jungen Berufsanfänger immer mehr abgehängt und im Berufsleben an den Rand gedrängt werden.

(Zustimmung bei der SPD - Ernst- August Hoppenbrock [CDU]: Aber doch nicht in Niedersachsen! - Glocke des Präsidenten)

Wir als Sozialdemokraten fordern für jeden jungen Menschen ein Recht auf Ausbildung, sehr verehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich will alle Abgeordneten noch einmal darauf hinweisen: Es gibt am Redepult eine rote Lampe. Wenn sie leuchtet, dann ist die Redezeit abgelaufen - nach sechs Minuten.

(Ronald Schminke [SPD]: Er hatte acht Minuten!)

- Herr Schminke, wollen Sie sich davon überzeugen, was auf der Uhr hier vorne steht? - Da steht, dass Herr Schneck die Redezeit um 30 Sekunden überzogen hat.

Als Nächstes hat sich Herr Hagenah zu einer Kurzintervention zu Wort gemeldet. Ich bin gespannt, worauf sich die Kurzintervention bezieht.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Auf die Rede von Herrn Schneck!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn ich den Aussagen von Herrn Schneck insgesamt außerordentlich zustimmen kann, weil er die Zustände in Niedersachsen sehr gut beschrieben hat,

(Zustimmung von Ronald Schminke [SPD])

bedaure ich doch sehr, dass er die eklatanten Fehler, zu denen der Minister in der Rede zuvor nicht

Stellung genommen hat, nicht in seine Rede aufgenommen hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Ich wollte ihn bitten, das mit zu bedenken.

Der Minister hat uns hier gesagt, die Zahl der Ausbildungsplätze hätte von 2009 auf 2010 um 0,8 % zugenommen, also von 57 000 auf über 58 000.

(Minister Jörg Bode: Das ist falsch! Das habe ich nicht gesagt!)

- Sie haben gesagt, es sind 0,8 % mehr Ausbildungsverträge.

(Minister Jörg Bode: Das war im Bund, und zwar minus! Wir haben 1,6 %!)

- Es gab jedenfalls eine Steigerung. Darauf können wir uns verständigen.

Diese Steigerung hat der Kollege Schneck leider nicht ins Verhältnis zu den 20 000 Auszubildenden gesetzt, die im Jahr 2009 erstmalig das erste Ausbildungsjahr verbindlich an den Berufsschulen absolviert haben. Wir fragen uns natürlich, warum vor diesem Hintergrund die Ausbildungsplatzzahl in Niedersachsen im Jahr 2010 nicht um 20 000, sondern nur um 1 000 gestiegen ist. Das heißt doch, dass von den 20 000, die ihr erstes Ausbildungsjahr in der Berufsschule absolviert haben, 19 000 dieses erste Jahr leider umsonst absolviert haben und im Übergangssystem gelandet sind.

Wenn Sie das noch aufgegriffen hätten, dann wäre Ihre Rede richtig gut gewesen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, jetzt sind wir alle gespannt, ob der Kollege Schneck das so einräumen kann.

(Heiterkeit)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hagenah, herzlichen Dank für diese Richtigstellung. Ich kann das nur unterstützen. Leider ist Herr Minister Bode in seinen Ausführungen sehr undifferenziert vorgegangen. Hinter mir hörte ich dabei jemanden raunen: Es hörte sich an wie eine