Protocol of the Session on January 20, 2011

Ich erteile Frau Ministerin Özkan das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist in der Tat frustrierend, dass wir die Gleichstellung von Frauen trotz guter Bildungsabschlüsse von Frauen in der Praxis immer noch nicht erreicht haben. Das ist unbefriedi

gend. Das ist ein Konsens, den wir hier erzielen können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP und Zustimmung bei der LINKEN)

Reden wir nicht drum herum! Mit einer rückwärtsgewandten Politik ist das aber nicht zu erreichen. Das sage ich auch ganz deutlich.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Son- dern?)

Deshalb sind die in diesem Antrag genannten Ansätze ungeeignet. Ich sehe nicht - das müssen Sie mir dann schon erklären -, wie man mit mehr Bürokratie mehr Gleichberechtigung erreichen will.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir sprechen so oft vom demografischen Wandel. Dieses Stichwort ist auch heute hier genannt worden. Ich sehe den demografischen Wandel allerdings als große Chance auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung und Gleichstellung in der Wirtschaft.

Der Aufschwung einerseits und der drohende Fachkräftemangel andererseits bringen zwangsläufig Bewegung in die betrieblichen Personalentscheidungen. Das höre ich immer wieder in den Gesprächen. Frau Pieper hat es soeben am Beispiel der Banken bzw. der Finanzbranche erwähnt: Immer mehr Unternehmen erkennen den Mehrwert, der darin liegt, gut ausgebildete Frauen im Betrieb zu halten und gut ausgebildete Frauen für den Betrieb zu bekommen. Hier geht es nicht nur um Führungspositionen, sondern es geht grundsätzlich um den Einstieg in bestimmte Positionen, um dann den Weg in die Führungspositionen zurücklegen zu können.

Aber immer noch sind zu wenige Frauen in Führungspositionen tätig. Das sehen wir an den Zahlen, und weder die Wirtschaft noch wir in der Politik brauchen uns die Situation schönzureden. Diese Zahlen sind unbefriedigend.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Flauger?

Ich würde gern erst einmal ausführen. Danach können wir vielleicht noch einmal gucken.

Ich sehe deshalb auch, dass die Chance, die wir in diesem demografischen Wandel haben und die der Aufschwung im Moment der Wirtschaft bietet, zu der unternehmerischen Weitsicht, die auch schon da ist, führen wird, Frauen den Aufstieg in Führungspositionen zu ermöglichen.

Wir, die Politik, müssen die Rahmenbedingungen schaffen, dass Frauen die sich bietenden Chancen nutzen können. Das ist der entscheidende Punkt, über den wir reden müssen: Wie schaffen wir es, dass Frauen diese Chance tatsächlich annehmen können?

Soeben kam ja die Kritik auf, dass die Wirtschaft suche, aber die Frauen nicht kämen. Das greifen wir mit unseren Mentoringprogrammen, das greift die Wirtschaft mit ihren Programmen, mit den Maßnahmen, die sie für die Qualifizierung von Frauen und für Frauen in Führungspositionen tatsächlich bietet, auf. Dies tun nicht nur große Unternehmen - sie werden in der Diskussion oft angeführt; Sie haben eben die Zahlen zitiert; immer nur Vorstände der DAX-Unternehmen -, sondern das tut auch der Mittelstand.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung ist mit der Wirtschaft in einem regelmäßigen Dialog. Das kann Herr Bode bestätigen, das sehe ich in meinen Gesprächen ebenfalls. Die bisherigen Vereinbarungen, vor allem im Rahmen der Qualifizierungsoffensive, geben Anlass zu Optimismus. Die vereinbarten Maßnahmen für eine Förderung der Frauenerwerbsbeteiligung und für eine familienfreundlichere Arbeitswelt versprechen Erfolg und sind ein Zeichen für ein Umdenken in der Wirtschaft. Um mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen - das sage ich auch - sind transparente Selbstverpflichtungen ein geeignetes Mittel.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen darauf setzen, dass sich Unternehmen selbst verpflichten, nicht nur den Mehrwert zu erkennen, sondern auch den nächsten Schritt zu tun. Selbstverpflichtungen sind deshalb geeignet - das sage ich auch, weil die Unternehmen dann aus eigener Ansicht handeln. Das ist zielführender. Erst wenn Selbstverpflichtungen nicht greifen und nicht zum Ziel führen, sollte und wird der Gesetzgeber tätig werden müssen.

(Johanne Modder [SPD]: Dann ma- chen Sie einmal!)

Wir werden unseren Weg des Dialogs mit der Wirtschaft fortsetzen, und wir müssen auch darauf setzen, dass Frauen tatsächlich die Chance nut

zen und sich auf den Weg in die Führungspositionen begeben. Das haben wir mit unserem Mentoringprogramm in der Verwaltung getan, das haben wir mit unserem Mentoringprogramm „Mehr Frauen in die Politik“ getan. Damit erzielen wir erste Erfolge. Das sind die richtigen Werkzeuge, um Frauen zu unterstützen.

Dazu gehört auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, auch wenn das immer in eine Ecke gestellt und gesagt wird, dass Frauen diskreditiert werden. Das stimmt nicht. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf - dazu gehört die KitaBetreuung, dazu gehören auch andere Dinge - wird diesen Schritt ermöglichen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung erteile ich der Fraktion DIE LINKE eine Minute zusätzliche Redezeit. Frau Kollegin Flauger, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Özkan, ich will mich wegen der Kürze der Zeit auf einen Punkt beschränken.

(Jens Nacke [CDU]: Das machen Sie jedes Mal! Die anderen lassen Sie außen vor! Das war vorhin schon so!)

Sie haben u. a. auf den demografischen Wandel Bezug genommen. Das hat auch schon in der letzten Debatte eine Rolle gespielt, als unter Verweis auf den demografischen Wandel und auf den Fachkräftemangel die Hoffnung genährt und betont wurde, dass es jetzt für Frauen besser werde.

Ich möchte gern von Ihnen wissen, ob Sie glauben, dass das zu einer nachhaltigen Veränderung führen kann, oder ob Sie meine Befürchtung teilen, dass wir dann, wenn diese Arbeitskraft der Frauen, wenn sich wieder Verschiebungen und Veränderungen, welcher Art auch immer, ergeben, auf längere Sicht nicht mehr benötigt wird, bei einer gleichbleibenden Rollenzuweisung, bei einem gleichen gesellschaftlichen Bild wieder den Rückfall bekommen und die Frauen aus diesen Positionen wieder als erste herausfallen werden. Das ist in anderen Ländern auch schon geschehen.

Deswegen frage ich Sie, ob wir nicht wirklich alles tun müssen, um eine gesellschaftliche Verände

rung der Sichtweise zu erreichen, die allen Menschen alle Bereiche dieses Lebens eröffnet.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Ministerin Özkan, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Flauger, ich muss tatsächlich feststellen: Sie haben eine sehr eingeengte Sichtweise.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel nennen. Darüber haben wir in den letzten Tagen, aber auch in den Plenarwochen zuvor schon öfter diskutiert. Nehmen Sie den medizinischen Bereich. Das ist - nicht nur weil die Gesundheitswirtschaft wächst, sondern auch weil wir darüber sprechen, wie wir die medizinische Versorgung im ländlichen Raum sicherstellen können - ein Bereich, in dem die Frauen eine große Chance auf Teilhabe im Arbeitsleben nicht nur auf einer bestimmten Ebene, sondern tatsächlich auch in Führungspositionen haben. Wenn Sie sich die Medizinstudenten und -studentinnen anschauen, so werden Sie feststellen, dass über 60 % der Medizinstudierenden Studentinnen sind, die eine Chance haben. Da gibt es einen Wandel in der Denkweise.

Insofern können Sie nicht behaupten, dass Studenten nur in einem bestimmten Bereich studieren und Frauen nur Krankenschwestern werden, so wie Sie das vielleicht vor Jahren immer wieder gedacht haben. Das sind vielmehr Frauen, die auch in die Führungspositionen unserer Krankenhäuser, unserer medizinischen Versorgung, eintreten werden.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Wie vie- le Chefärztinnen gibt es denn?)

Das hat mit dem demografischen Wandel zu tun.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Ministerin, Frau Kollegin Behrens möchte Ihnen noch eine Frage stellen.

Bitte sehr!

Frau Ministerin, habe ich Sie richtig verstanden: Sehen Sie die Chancen von Frauen auf gleichberechtigte Teilhabe in der Zukunft vor allen Dingen in den Bereichen, die Männer ihnen übrig lassen und in denen es ein Defizit gibt?

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Widerspruch bei der CDU - Zu- ruf von der CDU: Eingeschränktes Weltbild!)

Wie schön, dass Sie das „Übriglassen“ immer so betonen. Wie wäre es denn, wenn Sie Frauen stärken, indem Sie ganz anders darüber reden? Zeigen Sie doch einmal Berufsfelder auf!

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Ministerin, es besteht der Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage. Wenn Sie zustimmen, möchte die Kollegin Hartmann eine Zwischenfrage stellen.

Ja, bitte!

Bitte sehr!

Frau Ministerin, wie erklären Sie sich, dass die Christlich Demokratische Union Deutschlands die Partei ist, die nicht nur eine Bundeskanzlerin, sondern auch eine Parteivorsitzende stellt, während andere Parteien mit viel längerer Tradition bisher weder eine Kanzlerkandidatin aufgestellt noch eine Parteivorsitzende gewählt haben?