Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin mir sicher, dass nicht die Aktualität der Anlass war, warum die CDU-Fraktion dieses Thema für die Aktuelle Stunde benannt hat, sondern der Wunsch, über etwas zu diskutieren, das möglichst weit weg ist vom Dioxin-Skandal, vom offenen Streit mit der Bundesregierung, von den
Die Strukturen, die wir in unserem Land in der Luft- und Raumfahrt haben, sind seit mehr als 30 Jahren gewachsen, und das unter verschiedenen politischen Akteuren. Deswegen, Herr Miesner, sind die Stärken dieser Branche sicherlich kein besonderes Verdienst von CDU und FDP.
Airbus und Co. haben sich in Niedersachsen vor allem wegen gegenseitiger Synergieeffekte und aufgrund betriebswirtschaftlicher Überlegungen, gerade auch in Kooperation mit den weiteren Branchenstandorten Hamburg und Bremen, ein wichtiges Standbein geschaffen.
Derzeit sonnen sie sich in einer günstigen weltwirtschaftlichen Situation. Der Euro steht gegenüber dem Dollar wieder niedrig genug, sodass Airbus gegenüber dem großen Rivalen Boeing und den aufkommenden neuen Konkurrenten wettbewerbsfähig ist. Die Branche boomt ähnlich wie die Automobilbranche bei uns. Das erfreut, aber zukunftssicher ist es mit Sicherheit nicht.
Unsere Luft- und Raumfahrtindustrie muss wie die Autobranche unter dem gleichen Damoklesschwert leben, das über dem aktuellen Boom insgesamt schwebt. Wenn Deutschland aufgrund der extremen Schulden einiger EU-Länder keine so günstige Währung mehr hat oder wenn die Entwicklung der Energiepreise das Mobilitätswachstum weltweit ins Stocken bringt, dann versiegt die Exportnachfrage genauso schnell, wie sie sich jetzt gerade aufgebaut hat.
Die Sorgen, die Airbus in den vergangenen Jahren aufgrund drohender Betriebsverlagerungen und aufgrund von Absatzproblemen hatte, sind uns noch allzu gut in Erinnerung, Herr Miesner. Da stand der Euro bei 1,60 US-Dollar. Ich weiß nicht, wie sich das Währungsverhältnis in ein oder zwei Jahren darstellt, ob wir dann noch so konkurrenzfähig sind wie heute.
Aus meiner Sicht wäre es effektiver, in der Wirtschaftsförderung stärker auf regenerative Energien und andere Branchen in der Umwelttechnik sowie auf gesunde Ernährung zu setzen; denn das sind die verlässlichen Boommärkte der kommenden Jahrzehnte. Dort könnte Niedersachsen Innovationskraft an den Tag legen und sichere Arbeitsplät
ze schaffen und erhalten. Laut einer Studie wird sich in den Öko-Branchen sowohl der Absatz als auch die Zahl der Arbeitsplätze in den kommenden zehn Jahren mehr als verdoppeln.
Es ist fraglich, ob in der Luft- und Raumfahrt auf Dauer ähnliche Erfolge erzielt werden können. Das Prestigeprojekt Galileo z. B. hat stark an Glanz verloren. Es soll jetzt um 2 Milliarden Euro teurer werden, als einst angenommen wurde. Branchenexperten sprechen davon, dass das System „dumm“ sei und eine Verschwendung von Steuergeldern darstelle. Niedersachsen allerdings setzt sehr stark auf dieses Projekt. Der hochrangige ExManager der EADS, Tom Walati, geht davon aus, dass Galileo so gut wie verloren sei. Was einst noch hoch gelobt und gefeiert wurde, ist über Nacht zum Problemfall geworden.
So schnell geht das in einer Branche, die die Bodenhaftung verloren hat. Künftig soll Galileo laut Diplomatenberichten nur noch das einstige Konkurrenzsystem GPS der US-Amerikaner ergänzen. Die Fusion stünde danach unter der Hoheit der NATO. Es gibt keine Chance mehr, unabhängig von den Amerikanern zu werden bzw. ihnen erfolgreich Konkurrenz zu machen, wie uns Minister Bode hier noch vor Jahresfrist in leuchtenden Farben ausgemalt hat.
Die Branche ist offenbar derart angespannt, dass dort Köpfe rollen müssen, wie vorgestern bei der OHB: Vorstand Berry Smutny musste seinen Hut nehmen. - Ein Projekt mit sicherer Perspektive für Arbeitsplätze sieht wahrlich anders aus!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da reden wir über das Zukunftsthema Luft- und Raumfahrtstandort Niedersachsen, und der Wirtschaftsminister ist nicht einmal da.
- Na gut, aber das ist ein Kernthema. Wir hätten uns in dieser Frage gern auch mit ihm direkt auseinandergesetzt.
(Beifall bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Dann reden Sie mal mit Ihren Leuten im Ältestenrat! - Weitere Zuru- fe von der CDU)
Herr Miesner, es war ja auch nicht anders zu erwarten. Kaum hat Airbus den größten Einzelauftrag zum Bau des A 320 aus China an Land gezogen,
schon feiert sich die Landesregierung mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Zuweilen hat man den Eindruck, dass David McAllister persönlich in der Staatskanzlei die letzten Schrauben am A 320 festdreht, bevor das Flugzeug ausgeliefert wird. - Aber bei so vielen schlimmen Baustellen in Niedersachsen verstehe ich seine Haltung auch.
Sinnvoll ist es allemal, die Luft- und Raumfahrt als eine innovative Spitzentechnologie in Niedersachsen zu halten und weiterzuentwickeln. Schließlich stellt diese Branche in rund 260 Unternehmen für über 30 000 Beschäftigte qualifizierte Arbeitsplätze zur Verfügung. Hauptregionen sind dabei Braunschweig, Hannover und Nordniedersachsen mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen.
Herr Miesner, Sie haben sich nur mit einem Teil beschäftigt. Sie hätten auch etwas zum Forschungsflughafen Braunschweig oder zum Flughafen Hannover sagen können. Dort ist das Land schließlich direkt beteiligt.
Viele mittelständische Zulieferer sind z. B. um das Airbus-Werk in Stade und um die Werke von Premium Aerotec in Nordenham und Varel gut aufgestellt. Sie profitieren von den Innovationen und dem Technologietransfer in Nordniedersachsen. Das CFK-Valley in Stade ist folgerichtig eine sinnvolle Schwerpunktsetzung zur Weiterentwicklung neuer Werkstoffe.
Gerade die Zulieferer und das Umfeld mit den kleinen und mittelständischen Unternehmen mit in der Summe vielen qualifizierten Arbeitsplätzen bedürfen aber der Unterstützung durch eine abgestimmte Förderpolitik des Landes. Von dieser Landesregierung muss endlich eine systematische Industriepolitik für die Kernbranchen Niedersachsens betrieben werden. Diese heißen Automobil, Chemie oder maritime Verbundwirtschaft, um nur einige weitere Branchen zu nennen.
Erinnern wir uns: Im Jahr 2007 war die Ausgangslage sehr schwierig. Damals lag bereits eine kritische Bestandsaufnahme zur Situation und Entwicklung der Luft- und Raumfahrtindustrie vor. Deshalb haben wir auch die Gründung der Landesinitiative Aviation begrüßt; denn es war höchste Zeit.
Wie sieht die Zwischenbilanz heute für Niedersachsen im Vergleich zu Hamburg und Bremen oder dem Süden der Republik aus? Haben wir wirklich aufgeholt? Wir brauchen für Niedersachsen ein eigenständiges Profil für alle drei herausragenden Luft- und Raumfahrtregionen.
Noch einmal zurück zum Jahr 2007. Ich darf daran erinnern: Im Zuge von Power8 war der Konzern EADS/Airbus dabei, die Produktion zu verlagern, die Wertschöpfungstiefe zu verringern und damit strategisches Know-how preiszugeben. Die verlängerte Werkbank sollte es damals weltweit regeln. Damals waren Werksschließungen und Standortschließungen auch in Niedersachsen angesagt. Boeing ist diesen Weg bereits damals gegangen. Die heutige Strategie hat EADS anscheinend nicht geschadet. Sonst würde man sich am Markt nicht auf Augenhöhe begegnen.
Erinnern wir uns an die gemeinsame Arbeit aller Fraktionen und des Ministeriums im Wirtschaftsausschuss. Es ist in erster Linie den Arbeitnehmern, den Betriebsräten und den Gewerkschaften zu verdanken, die für ihre Standorte und die sogenannten Arbeitspakete gekämpft haben.
Wo würden sonst die Teile für den A 320, den A 380 oder den A 400 M und weitere Linien wohl gefertigt?
Außerdem zeigt der Erfolg von EADS und Airbus weltweit, dass Spitzentechnologie und Innovation mit staatlicher Hilfe, ja mit staatlichen Gesellschaftern wie Frankreich, Spanien und Deutschland durchaus möglich ist. Ich kann mich noch an die Krisenzeiten erinnern, in denen auch hier von den Marktradikalen flott nach Entstaatlichung gerufen wurde.
Meine Damen und Herren, strukturpolitisch geht es in Niedersachsen um die Automobilindustrie, um die Logistikindustrie, um die maritime Verbundwirtschaft und um die Chemieindustrie, die von einer gezielten Weiterentwicklung der Luft- und Raumfahrtindustrie als eigenständige Branchen erheblich profitieren können. Die Vernetzung mit anderen wichtigen Branchen ist eine Chance für unser
Meine Damen und Herren, nächste Rednerin ist für die Fraktion DIE LINKE die Kollegin WeisserRoelle. Bitte schön!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich ist es üblich, Aktuelle Stunden zu beantragen, wenn dafür ein besonderes aktuelles öffentliches Interesse vorliegt. Dieses - ich betone es - aktuelle Interesse vermag ich nicht zu erkennen. Auch nach der Rede von Herrn Miesner hat es sich mir nicht erschlossen, tut mir leid.
Der Erfolg bei Airbus ist gut, ist gut für die Menschen, die dort arbeiten, ist aber beileibe nicht das Verdienst der Landesregierung und auch nicht das Verdienst der CDU.
Offensichtlich wollen die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion mit dieser Aktuellen Stunde eher von den vielen Baustellen der Regierung McAllister und Bode ablenken. Sie wollen mit dem Thema Luft- und Raumfahrtstandort von ihrer dioxinbelasteten verfehlten Agrarpolitik ablenken. Davon war schon eben in der Debatte über die Regierungserklärung die Rede. Und Sie wollen z. B. vom verheerenden Zustand der Kommunalfinanzen ablenken.
Für all das bieten Sie keine Lösungen an. Darum haben Sie dieses Thema für die Aktuelle Stunde gewählt, obwohl es gar nicht aktuell ist.