Protocol of the Session on January 19, 2011

(Beifall bei der CDU)

Auch das grundsätzliche Ziel, dass wir in Niedersachsen mehr Medizinerausbildung realisieren wollen, haben wir in der sehr sachlichen Debatte

im Wissenschaftsausschuss gemeinsam festgestellt. Wir verfolgen dieses Ziel natürlich auch weiterhin. Wir haben in der letzten Wissenschaftsausschusssitzung, aber auch in der Plenardebatte über die Medizinerausbildung am Standort Oldenburg gesprochen. Ich möchte das an dieser Stelle erwähnen, weil dieses Thema in der mittelfristigen Perspektive bei der Anzahl der Studienplätze, die in Niedersachsen vorgehalten werden kann, eine Rolle spielt. Dazu möchte ich abschließend aus einer Presseerklärung unseres Ministerpräsidenten David McAllister zitieren, der am 12. November 2010 zu diesem Thema festgestellt hat:

„Niedersachsen geht neue Wege in der Medizinerausbildung. Dieser Studiengang ist in Deutschland und Europa einzigartig. Damit hat die Hochschulkooperation mit den Niederlanden eine neue Qualität bekommen. Das ist ein Erfolg für die Universität Oldenburg und die Region. Ziel ist eine zusätzliche hochwertige medizinische Ausbildung. Das ist aktive Vorsorge gegen Ärztemangel und eine vorausschauende Investition in unsere künftige Gesundheitsversorgung."

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

An dieser Pressemitteilung, die der Ministerpräsident persönlich sehr offensiv vertreten hat und die natürlich auch unsere Wissenschaftsministerin, Frau Professor Wanka, vertreten hat, wird deutlich, dass wir in der grundsätzlichen Frage der Medizinerausbildung in Niedersachsen sehr offensiv vorgehen und selbstverständlich auch dafür Sorge tragen werden, dass neben den hoch angesehenen Bereichen in Göttingen und Hannover weitere wichtige Projekte vorangetrieben werden. Das ist ein Projekt, an dem wir gemeinsam arbeiten sollten. Wir sollten aber keine Anträge formulieren, die schlichtweg unrealistisch sind, und auch keine Sonderprogramme fordern, die es gar nicht gibt.

(Patrick-Marc Humke [LINKE]: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!)

Abschließend danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Frau Professor Wanka wird hierzu sicherlich gleich noch etwas ausführen.

Ein letzter Satz noch. Frau Andretta, in der gesamten Ausschusssitzung wurde sehr offensiv dargelegt, warum das in Göttingen nicht realisierbar ist. Ich hätte mir schon gewünscht, dass das in der

heutigen Plenardebatte auch von Ihnen zumindest gewürdigt würde.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Dr. Andretta von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Frau Kollegin Hartmann, Sie wundern sich, dass wir unseren Antrag nicht zurückziehen und nicht den frohlockenden Worten des Staatssekretärs im Ausschuss folgen. Das unterscheidet uns von Ihnen. Wenn uns das MWK im Ausschuss erzählt, dass ihm das nicht passt und dass es das nicht will, so ist das für uns noch lange kein Anlass, unseren Antrag zurückzuziehen. Ganz im Gegenteil.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, Sie beklagen hier, dass es kein Sonderprogramm gibt. Warum gibt es denn kein Sonderprogramm? - Weil diese Landesregierung verhindert hat, dass ein Sonderprogramm aufgelegt wird. Sie beklagen, dass ich nicht auf das höre, was Herr Professor Frömmel sagt. Er sagt in der Tat, das werde in diesem Semester nicht mehr möglich sein. Er hat aber Wege aufgezeigt, wie es klappen kann. Ich hätte von Ihnen erwartet, dass Sie sagen: Ja, wir wollen diesen Weg gehen, weil er eine Chance bedeutet.

Unser Thema ist auch nicht der Ärztemangel, Frau Kollegin Hartmann. Unser Thema sind gleiche Chancen und Verantwortung. Dieser Verantwortung haben Sie sich heute grandios entzogen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Hartmann möchte antworten. Auch Ihnen stehen eineinhalb Minuten zur Verfügung.

Liebe Frau Kollegin Andretta, ich habe im Wissenschaftsausschuss keine frohlockenden Worte von Herrn Staatssekretär Lange gehört, sondern ich habe sehr ernsthafte Beiträge und sehr ausführliche Stellungnahmen gehört.

Ich habe auch noch einmal nachgelesen, warum das am Universitätsstandort Göttingen leider nicht möglich ist. Ich verstehe ja, dass Sie sich dafür

stark machen. Das ist Ihr Wahlkreis. Dass Sie das tun, finde ich respektabel, und ich habe grundsätzlich kein Problem damit. Aber man muss doch zur Kenntnis nehmen, dass das zum nächsten Wintersemester - so lautet Ihr Antrag - nicht verantwortbar zu realisieren ist, weil es in der klinischen Ausbildung einfach keine entsprechenden Kapazitäten gibt.

Wir können natürlich sagen: In der Vorklinik stocken wir jetzt noch einmal auf, und dann sind die Studenten letztendlich sich selbst überlassen, nach dem Motto: Vorklinische Ausbildung und Physikum abgeschlossen; jetzt seht einmal zu, wo ihr eure praktische Ausbildung macht.

(Victor Perli [LINKE]: Sie hatten fast acht Jahre lang Zeit! Acht Jahre Schwarz-Gelb und keine Taten!)

Das ist doch kein verantwortliches Handeln. Deswegen denke ich, dass an dieser Stelle einfach zur Kenntnis genommen werden sollte: Bei allem Verständnis und Respekt für den Einsatz für diesen hervorragenden und anerkannten Wissenschaftsstandort der Universitätsmedizin Göttingen ist das schlichtweg nicht zu realisieren. Das sieht im Übrigen die Universität Göttingen auch so.

(Beifall bei der CDU)

Nun hat Frau Ministerin Professor Dr. Wanka das Wort. Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In diesem Jahr gibt es also den doppelten Abiturjahrgang. Das wussten wir schon sehr lange.

Ich sage es gerne: Die Politik - nicht nur die Niedersächsische Landesregierung, sondern generell die Wissenschaftsminister von Bund und Ländern - hat es geschafft, sich langfristig auf diese Situation der geburtenstarken Jahrgänge und des Ansturms auf die Hochschulen der alten Bundesländer einzurichten. Wir haben uns eingerichtet.

Nun konnte man im Jahr 2007 sagen: Alles Worte. - Jetzt aber kann man jeden einzelnen Studienplatz belegen, der neu aufgebaut worden ist. Jeder ist belegbar, mit Angaben zum Geld und zu der jeweiligen Hochschule. Das ist da. Das kann man nicht wegreden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist für die Opposition natürlich nicht einfach. An der Stelle muss man sich etwas einfallen lassen. Aber man kann nicht einfach sagen, dass wir nicht gerüstet seien.

Wir machen keine hausbackenen Rechnungen für Niedersachsen alleine. Vielmehr ist für die gesamte Bundesrepublik Deutschland berechnet worden, in welchem Bundesland wie viel mehr Studenten zu erwarten sind. Wir haben mit dem Bund verhandelt und haben die Gelder dafür. Eine Hälfte zahlt der Bund, die andere Hälfte das Land Niedersachsen. Da ist kein Stück Polemik, sondern das ist vorhanden. Auch die letzte Marge in diesem Jahr ist wirklich untersetzbar.

Jetzt kommt der neue Sachverhalt, die Aussetzung der Wehrpflicht. Sie wissen, dass ich im letzten Jahr hier gestanden und gesagt habe: Das ist jetzt überraschend; auf alles sind wir eingerichtet; darauf müssen wir uns erst einrichten. - Den Erfolg haben wir erreicht. Der Ministerpräsident hat finanziell verhandelt. Vormittags wurde im Ausschuss in Berlin noch gesagt, der Bund beteilige sich nicht; jetzt ist klar und mit der Bundeskanzlerin und allen Ministerpräsidenten verhandelt: Es geht weiter; auch die zusätzlichen Plätze werden finanziert, hälftig der Bund, hälftig das Land, wie beim Hochschulpakt.

Deswegen haben wir die Plätze noch nicht sofort. Es sind Berechnungen darüber angestellt worden, wie viele junge Menschen durch die Aussetzung der Wehrpflicht in diesem, im nächsten und im übernächsten Herbst mehr an die Hochschulen kommen. Es ist nicht einfach, das zu kalkulieren, und das ist auch nicht für Niedersachsen alleine kalkuliert, sondern innerhalb der KMK für alle Bundesländer.

Wir wissen nun die Zahlen, die zu erwarten sind. Genau über diese Zahlen haben wir in der letzten Woche geredet, alle Präsidenten und Präsidentinnen unserer Hochschulen. Wir schaffen bis zum Herbst nicht 6 000, sondern 8 000 neue Studienplätze. Das schaffen wir, und auch das ist belegbar. Die Bereitschaft hierzu ist bei allen Präsidenten vorhanden. Diese Studienplätze zu schaffen, heißt natürlich, sie in entsprechender Qualität zu schaffen.

Deswegen ist es Böswilligkeit, im Zusammenhang mit dem doppelten Abiturjahrgang zu sagen, die Hochschulen seien überfüllt und es funktioniere nicht. Es ist lange kalkuliert, und selbst die Aussetzung der Wehrpflicht, die mich umgetrieben hat, die nicht einfach zu bewältigen ist, werden wir

bewältigen. Das können Sie Platz für Platz nachlesen.

Jetzt lautet das Thema Medizin. Ich habe hier mehrfach gehört, dass der doppelte Abiturjahrgang in diesem Jahr geringere Chancen hat, einen Medizinstudienplatz zu bekommen. Wieso ist das denn so? Wie werden denn die Medizinstudienplätze vergeben? - Sie werden ja nicht in Niedersachsen, sondern bundesweit vergeben.

Dieses Jahr gibt es den doppelten Abiturjahrgang in Niedersachsen, im nächsten Jahr gibt es den doppelten Abiturjahrgang in Baden-Württemberg. Im Jahr darauf gibt es den doppelten Abiturjahrgang in Nordrhein-Westfalen. Immer wird die Gesamtzahl aller Studienberechtigten genommen, und diese bewerben sich. Wieso sind die Chancen in diesem Jahr niedriger?

(Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE]: Weil es mehr sind!)

Im nächsten Jahr sind es unter Umständen noch mehr, weil Baden-Württemberg noch mehr Studenten hat. Und was ist im Jahr darauf? - Also kann man nicht sagen, unsere jungen Leute hätten in diesem Jahr geringere Chancen.

Was natürlich immer bleibt, ist, dass man Medizin nicht einfach studieren kann, wenn man es will. Vielmehr gibt es Voraussetzungen hierfür. Darüber, ob Medizinertests und anderes die richtigen Kriterien sind, kann man diskutieren. Hier wird aber der Eindruck erweckt, dass wir uns nicht in einem föderalen System befinden, sondern dass wir eine Art autonome Republik Niedersachsen sein wollen, in der wir sozusagen in jedem Studiengang genau die Plätze vorhalten, die im Land für unsere jungen Leute eventuell benötigt werden.

(Zuruf von Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE])

- Nein, davon sind Sie gar nicht abgekommen. Das habe ich vorhin gerade gehört. Dabei wird dann so ein Zeug erzählt wie z. B., dass NordhreinWestfalen 5 % mehr Studienplätze schaffen will. Das können sie dort ja sagen - nach dem gestrigen Urteil besonders gut.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Da sagen die nichts mehr!)

Wissen Sie, wie viele Tierärzte Nordrhein-Westfalen ausbildet? - Null, nicht einen einzigen. Das müssten wir nach diesen kindischen Rechnungen jetzt alles abschaffen und müssten sozusagen in jedem Land genau das vorhalten, was dort benö

tigt wird. Das wäre aber absolut unsinnig. So wird aber gerechnet, wenn gesagt wird, wir bildeten, an Niedersachsen gemessen, zu wenig aus.

Sehen Sie sich einmal die Vergleichszahlen an, auch was den Osten anbetrifft! Frau Andretta, ein bisschen kenne ich mich aus. In den neuen Bundesländern ist die Zahl der Studienbewerber schon rapide in den Keller gegangen. Wir haben im ersten Hochschulpakt erreicht, dass dort keine Kapazitäten abgebaut werden. In der zweiten Phase des Hochschulpaktes war es Niedersachsen, das dafür gesorgt hat, dass die neuen Bundesländer 5 % Geld mehr bekommen, damit dort die Medizinstudienplätze erhalten bleiben. Das heißt aber nicht, dass man sie ohne Leistungsanforderungen besetzen kann. Auch da gelten die Zulassungsbestimmungen. Aber in den neuen Bundesländern sind eben 2 500 Studienplätze mehr vorhanden, als sich nach der Zahl der Studienbewerber aus den neuen Bundesländern errechnen würde.

Meine Damen und Herren, deswegen sind wir gut gerüstet. Deshalb gibt es bei der Medizin kein Sonderprogramm. Das habe ich Ihnen schon erzählt, als Sie das erste Mal mit diesem Antrag kamen. Ich kenne mich auf der Verhandlungsebene etwas aus. Das war einfach eine Illusion, es war ein Wunschdenken. Es gibt kein Sonderprogramm.

Im Moment bauen zwei Bundesländer etwas mehr Medizinstudienplätze auf. In Bayern sind es bei sechs Universitätsklinika, an denen ausgebildet wird, 80 Plätze mehr. Das ist also eine überschaubare Zahl. Das zeigt, wie schwierig es ist; sonst gäbe es da andere Zahlen.

Ich will hier nicht wiederholen, was ich beim letzten Mal zu der Frage gesagt habe: Brauchen wir, volkswirtschaftlich gesehen, mehr Medizinstudenten? Denn an den Fakten hat sich nichts geändert.