Protocol of the Session on January 19, 2011

Danke schön. Herr Kollege Götz, möchten Sie antworten? - Das ist offenkundig nicht der Fall. Dann liegen, wie ich gerade festgestellt habe, keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir schließen die Beratung und kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Gesetzentwurf soll federführend an den Ausschuss für Wissenschaft und Kultur überwiesen werden. Mitberatend soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sein. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann haben Sie so beschlossen. Herzlichen Dank.

Ich kann nun Tagesordnungspunkt 8 aufrufen:

Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zum Verbot von Börsenspekulationen durch die Hochschulen - Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/3209

Zur Einbringung hat sich von der Fraktion DIE LINKE Herr Perli zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hochschulen sind für Forschung und Lehre da - nicht für Wertpapiergeschäfte.

(Beifall bei der LINKEN)

So lässt sich die vorliegende Gesetzesinitiative der LINKEN auf den Punkt bringen, die zum Ziel hat, Spekulationsverluste unserer Hochschulen für die Zukunft auszuschließen.

Dafür gibt es einen aktuellen Anlass. „Wie gehen die Hochschulen mit Geld um?“ fragte ich die Landesregierung vor wenigen Monaten per Kleiner Anfrage. Es ging dabei konkret um die Anlagestrategien für Gelder, über die die Hochschulen nach der bisherigen Gesetzeslage verfügen können und die sie nicht sofort ausgeben müssen.

Dazu zählen die Einnahmen aus Drittmitteln und aus Studiengebühren. Die Stiftungshochschulen dürfen zudem ihre Landeszuweisungen anlegen. Das alles sind Gelder, die für Forschung und Lehre bestimmt sind. Auf die Studiengebühren möchte ich an dieser Stelle nur sehr kurz eingehen: Die Anfrage hat nebenbei ans Licht gebracht, dass von jedem Studiengebührenzahler in Niedersachsen noch immer 800 Euro auf der hohen Kante, auf den Konten der Hochschulen liegen, insgesamt etwa 80 Millionen Euro. Das ist ein Unding, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE fordert die Abschaffung der Studiengebühren und Bücherstipendien für Studierende statt Millionen auf den Bankkonten!

Meine Damen und Herren, die Antwort der Landesregierung zu den Anlagestrategien der Hochschulen lässt sich kurz wie folgt auf den Punkt bringen: „Die Hochschulen gehen sehr verantwortungsbewusst mit dem Geld um und verfolgen konservative Anlagestrategien.“ Diese Aussage wird von uns mit Blick auf fast alle Hochschulen geteilt. Doch es gibt eine Ausnahme. Die Universität Göttingen - eine Stiftungshochschule - hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Teil der Gelder in Aktienfonds anzulegen. Das ist ihr Recht, weil das Hochschulgesetz diese Option eröffnet. Doch was war das Ergebnis dieser Anlagen? - Ein millionenschwerer Buchverlust! Die Hochschule hat 4,4 Millionen Euro in drei Aktienfonds angelegt und dabei am Ende des Jahres 2008 1,3 Millionen Euro verloren - knapp 30 % der gesamten Anlage.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Uner- hört!)

Für die Landesregierung war dieser Verlust kein besonderes Vorkommnis. Im November 2008 hatte noch Herr Stratmann auf eine damalige Anfrage von mir geantwortet, dass keine besonderen Erkenntnisse über die Entwicklung der Einlagen vorliegen würden. Da waren die Aktien der Uni Göttingen allerdings bereits millionenschwer im Keller. Die Hochschule wartet seitdem darauf, dass sich die Fonds erholen und wieder in die Gewinnzone rutschen, damit der Verlust nicht realisiert werden muss. Bis dahin sind diese Mittel gebunden und stehen ihrem eigentlichen Zweck, nämlich für Forschung und Lehre, nicht zur Verfügung. Das Minus umfasst noch immer mehrere Hunderttausend Euro.

Meine Damen und Herren, mit unserem Gesetzentwurf sollen solche Missstände für die Zukunft ausgeschlossen werden. Hochschulen sind für Forschung und Lehre da und nicht für Wertpapiergeschäfte.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Anlageformen der anderen Hochschulen sind in der Tat verantwortungsbewusst. Die Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel aus meinem Wahlkreis beispielsweise legt ihr Geld auf einem Termingeldkonto bei der NORD/LB an. Das wird von uns weder kritisiert noch soll es für die Zukunft ausgeschlossen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Börsenspekulationen hingegen bringen den Hochschulen keinen Nutzen. Eine einzige Hochschule hat diese Option ausprobiert und massive Verluste hinnehmen müssen. Das ist eine Misserfolgsquote von 100 % und eine eindringliche Warnung für den Mittelgeber, für den Gesetzgeber, und für die Hochschulen.

Bisher haben wir die Regelung, wonach bei einer Anlage in Wertpapieren die Grundsätze des § 54 des Versicherungsaufsichtsgesetzes in Verbindung mit der Anlagenverordnung zu beachten sind. Frau Wanka, Sie haben dazu in der Antwort auf meine Kleine Anfrage geäußert, dass damit die - ich zitiere - „größtmögliche Anlagensicherheit“ gegeben sei. Dabei hat Ihnen die Realität aber längst gezeigt, dass diese angebliche „größtmögliche Sicherheit“ offenkundig nicht ausreicht! Die Linke legt Ihnen nun einen Vorschlag für ein Gesetz vor, das tatsächlich größtmögliche Sicherheit sowohl für die Hochschulen als auch für den Landeshaushalt schafft.

Nicht erst die Finanzkrise 2008/2009 - aber sie besonders - hat deutlich vor Augen geführt, dass die Börse und damit verbunden die Kursentwicklung börsennotierter Wertpapiere wie Aktien, Anleihen, Fonds eben keine Einbahnstraße ist. Gut ein Jahr vor dem eigentlichen Ausbruch der Krise im Herbst 2008, am 13. Juli 2007, lag der Deutsche Aktienindex mit 8 151 Punkten auf seinem bisherigen Allzeit-Höchststand. Im Zeitraum 2005 bis Mitte 2007 wuchs der DAX binnen Jahresfrist exorbitant um jeweils rund 20 % und mehr. Schnell prophezeiten nicht nur hartgesottene Börsenprofis angesichts global niedriger Geldmarktzinsen, sinkender Reallöhne und sprudelnder Gewinne bei großen Kapitalgesellschaften, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis der DAX die Marke von 10 000 Punkten erstürmen würde. Die Euphorie wuchs und damit auch die Risikobereitschaft. Doch die Blase platzte. Der DAX fiel auf knapp über 3 300 Punkte Anfang März 2009. Binnen 21 Monaten hatte der DAX 60 % seines Wertes verloren. In diesen Zeitraum fielen auch die Verluste der Uni Göttingen.

Auch wenn sich die Situation zwischenzeitlich wieder verbessert hat, bestehen Verlustrisiken börsennotierter Anlagen unentwegt fort. Niemand ist in der Lage, deren künftige Kursentwicklung vorherzusehen. Der Kapitalismus war, ist und bleibt eben ein krisenanfälliges Wirtschaftssystem.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer kann heute schon einschätzen, ob im nächsten Jahr beispielsweise einzelne Euroländer überhaupt noch in der Lage sind, ihre Staatsanleihen zu bedienen und die angelegten Gelder der Anleger an die Gläubiger zurückzuzahlen? - Daher gilt für die Hochschulen ganz besonders: Hände weg von Anlagen, die ein Verlustrisiko des eingesetzten Kapitals tragen! Das ist die tragende Idee des vorliegenden Gesetzentwurfs, in dem es wörtlich heißt: „Anlagen, die ein Verlustrisiko des eingesetzten Kapitals durch Wertminderung beinhalten, sind nicht zulässig.“

(Beifall bei der LINKEN)

Die Hochschulmittel sollten zweckmäßigerweise ohne Verlustrisiko bei Sparkassen bzw. der NORD/LB oder bei genossenschaftlichen Banken angelegt werden, also bei Instituten, die die Finanzkrise 2008/2009 nicht zu verantworten haben. Die meisten Hochschulen machen das schon heute. Deshalb bin ich gespannt, ob die anderen Fraktionen in diesem Hohen Hause auch so vernünftig sind wie diese Hochschulen und wie die Fraktion DIE LINKE.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Für CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Dreyer zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will kurz auf das eingehen, was der Kollege Perli ausgeführt hat, und als Vorbemerkung sagen: Wir leben hier weder im Kapitalismus noch im Kommunismus, sondern in einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung mit dem System einer sozialen Marktwirtschaft.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Perli, da ich beobachten konnte, dass Sie Ihre Rede vorher aufgeschrieben und dann abgelesen haben, bin ich sehr enttäuscht, dass Sie immer noch Studienbeiträge und Studiengebühren verwechseln. Das zeigt, dass Sie gar nicht richtig im Thema stecken.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der LINKEN)

Wenn Sie hier von solchen Dingen reden und davon sprechen, dies seien Buchverluste, haben Sie

uns damit immer noch nicht die Frage beantwortet, worin der eigentliche Schaden besteht.

Vorab ein Weiteres: Norbert Blüm hat einmal ganz unverblümt gesagt, nicht jedes neue Problem müsse mit neuen Paragrafen beantwortet werden, er sei gegen zu viel Staat.

Ich möchte jetzt auf Ihren Gesetzentwurf eingehen und kann die Bewertung schon vorwegnehmen: Das ist kein großer Wurf, sondern dieser Gesetzentwurf ist eigentlich für die Tonne geeignet.

In Ihrem Gesetzentwurf steht der Begriff des Verlustrisikos. Wie definiert sich eigentlich dieser Begriff? - Eine Glaskugel besitzt hier wohl niemand, und was sein wird, wenn man in Staatsanleihen investiert, weiß auch niemand. Niemand weiß, wie sich die Zinssätze entwickeln und ob hierin nicht auch ein Verlustrisiko liegen kann.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Man muss ja nicht gleich Griechenland nehmen!)

Des Weiteren ist zu fragen: Was sind mündelsichere Anlagen?

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Das steht im Gesetz!)

Dem rundblick vom 3. Januar dieses Jahres kann man entnehmen, dass sogar die Rechtsanwaltskammer selbstkritisch eingeräumt hat,

„dass die Kenntnis über die Art der Anlagen nicht ausreichend war und Überwachungsmaßnahmen unterblieben seien. Der Spitze der Rechtsanwaltskammer war offensichtlich der Unterschied zwischen ‚mündelsicher’, ‚teilgesichert’ und ‚kapitalgarantiert’ nicht geläufig.“

Wie, bitte schön, soll das dann eine Universität wissen?

Da Sie gerade eine Frage gestellt habe, möchte ich Ihnen jetzt auch eine Frage stellen, Herr Kollege Dreyer. Herr Dr. Sohn möchte eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie das zu?

Er kann sich nachher noch melden. Damit hat er sicherlich kein Problem.

Ich möchte jetzt auf sein Lieblingsthema, das der Grundsätze des § 54 des Versicherungsaufsichts

gesetzes in Verbindung mit der Anlagenordnung, zu sprechen kommen. Wir Christdemokraten meinen, diese Grundsätze sind völlig ausreichend. Diese Grundsätze gelten auch für Stiftungsuniversitäten. Klar ist auch: Der Grundkapitalstock von Stiftungen darf grundsätzlich nicht angegriffen werden. Daher finanzieren Stiftungen die Erfüllung ihrer Aufgaben aus Kapitalerträgen, aus Zuwendungen, aus Spenden oder aus anderen Finanzhilfen, z. B. des Landes.

Eines muss man auch wissen, wenn man sich hier über wirtschaftliche Zusammenhänge unterhält: Die Konzentration auf wenige Anlageformen erhöht das Verlustrisiko und vermindert den Kapitalertrag.