Ich will Ihnen sagen, was gegen die Rente mit 67 spricht: Nicht einmal 10 % der 64-Jährigen waren 2008 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Nicht einmal 10 %! Das durchschnittliche Renteneintrittsalter beträgt in Deutschland 63 Jahre. Von denjenigen, die mit 65 Jahren ins Rentenalter eintreten, sind gerade einmal 7,5 % zu diesem Zeitpunkt noch sozialversicherungspflichtig beschäftigt, übrigens einschließlich derjenigen in Altersteilzeit.
In der Begründung des Rentenversicherungsanpassungsgesetzes hieß es, dass eine nachhaltige Verbesserung der Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anstehe. Das ist für uns aber überhaupt nicht erkennbar. Gegenwärtig ist eine Verbesserung der Beschäftigungssituation nicht zu verzeichnen. Gemäß § 154 Abs. 4 SGB VI steht im Jahre 2014 die nächste Überprüfung an, d. h. die Neubewertung der Arbeitsmarktlage. Deshalb sind wir der Meinung, dass wir uns mit diesem Gesetz Zeit lassen sollten, um vor dem Hintergrund der Arbeitsmarktlage in 2014 zu entscheiden, ob diese Regelung notwendig ist oder nicht. Denn in Zeiten von Arbeitslosig
Das gilt sowohl für die Wochenarbeitszeit als auch für die Lebensarbeitszeit. Es muss genau anders herum laufen: Wir brauchen die Entscheidung, die Arbeitszeit zu verkürzen, um dadurch mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Dafür stehen unsere Fraktion und Partei.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte, ehrlich gesagt, auch mit etwas mehr Aufmerksamkeit bei diesem Tagesordnungspunkt gerechnet. Immerhin sind 180 000 Beamtinnen und Beamte davon betroffen, und 45 % des Landeshaushalts sind Personalkosten. Wir führen hier also eine zentral wichtige Debatte. Deswegen ist Aufmerksamkeit schon notwendig. Auch der Finanzminister ist gefordert.
Es war in meinen Augen klar, dass dieses Gesetz irgendwann kommen würde. Der Bund hat damals unter der Großen Koalition die Rente mit 67 beschlossen und die entsprechende Erhöhung des Eintrittsalters meines Wissens für die Bundesbeamten schon eingeführt. Deswegen ist es eine Frage der Gerechtigkeit und der finanziellen Nachhaltigkeit, dass man die Altersgrenze auch für niedersächsische Beamte entsprechend erhöht.
Es ist bekannt - Sie haben es auch angesprochen, Herr Adler -, dass die Rente mit 67 ein sehr umstrittenes Projekt war und noch immer ist. Insbesondere die SPD hat heute einige Probleme mit diesem Beschluss.
Man sollte sich aber schon noch einmal vergegenwärtigen, dass der damalige Arbeits- und Sozialminister in meinen Augen relativ klug und weitsichtig gehandelt hat. Müntefering hat sich schlicht und ergreifend die Wirklichkeit angeschaut und die demografische Entwicklung in der Bundesrepublik betrachtet. Ich glaube, das hat relativ wenig mit neoliberalen Gedanken zu tun oder damit, dass er
ein Spezi von Herrn Maschmeyer gewesen wäre, sondern Müntefering hat einfach gesagt: Ein umlagefinanziertes Rentensystem kommt unter Druck, wenn die Alten immer älter werden, was gut ist, während immer weniger Junge in das System einzahlen, und ich habe verschiedene Stellschrauben, mit denen ich operieren kann. Ich kann natürlich die Rentenversicherungsbeiträge weiter erhöhen, aber diese Maßnahme kostet wahrscheinlich Arbeitsplätze.
Das ist der Pferdefuß an der Sache, wenn man die Sozialversicherungsbeiträge ins Unermessliche oder auch nur um ein oder zwei Prozentpunkte steigen lässt, wie wir ja aus vielen Untersuchungen wissen. Also kann man die Rentenbeiträge nicht weiter anheben. Natürlich könnte man auch eine höhere Produktivität der Arbeitnehmer einfordern, aber das verdichtet Arbeit auch entsprechend.
Eine ganz wichtige Maßnahme, über die wir alle uns sicher einig sind, ist natürlich die Steigerung der Erwerbsquote, der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung insgesamt. Das ist eine ganz entscheidende Maßnahme, um die Renten stabil zu halten. Das muss natürlich unser aller Bestreben sein, und darüber diskutieren wir ja auch.
Herr Kollege Briese, Sie haben von Stellschrauben gesprochen, an denen man drehen könnte, um das Problem zu lösen. Könnte man dann nicht auch auf die Idee kommen, die Beitragsbemessungsgrenze anzuheben, sodass auf diese Weise mehr Geld in die Rentenkasse kommt?
Natürlich, das ist völlig richtig, Herr Adler. Das ist eine weitere Stellschraube, über die man auch nachdenken kann. Ich finde das auch nicht ganz falsch. Aber wenn Sie die Beitragsbemessungs
grenze anheben - das wissen Sie -, erhöhen Sie natürlich auch Rentenanwartschaften. Wenn ich mehr in die Rentenkasse einzahle, helfe ich ihr nicht langfristig, sondern erwerbe dann natürlich auch entsprechend höhere Ansprüche. Besser finde ich das Schweizer Modell mit einer sehr viel stärkeren Umverteilungskomponente im Rentensystem. Es hat aber auch drei Säulen, wie man ehrlicherweise sagen muss, und damit haben Sie ja Ihre Probleme. Insbesondere die kapitalgedeckte Säule bekämpfen Sie ja immer sehr stark. Ich fand es richtig, im Rahmen der Rentenreform auch eine kapitalgedeckte Säule in die Rentenversicherung einzubeziehen.
Um das ganze Thema Rentenversicherung jetzt abzuschließen: Ich fand jedenfalls die Rentenreformen der letzten Jahre - sowohl die von RotGrün als auch die der Großen Koalition - im Saldo nicht ganz falsch. Es war zwar nicht alles richtig - das ist ja keine Frage -, aber insgesamt hat man damit das Rentensystem für 20 Jahre stabil gemacht. Das entkräftet vielleicht auch ein Stück weit dieses immer geäußerte Vorurteil, Politiker würden nur in Legislaturperioden denken. Mit der Rentenreform haben wir tatsächlich ein Versicherungssystem für eine sehr lange Zeit zukunftsfest gemacht. Das hält für mindestens 20 Jahre.
Deswegen ist es eine Frage sowohl der Gerechtigkeit als auch der finanziellen Nachhaltigkeit, wenn man diese Regelungen jetzt auch auf unsere Landesbeamten überträgt. Ich nenne als Beispiel immer gerne meine Frau, die als Krankenschwester im öffentlichen Dienst tätig ist. Sie übt diesen Beruf sehr gerne aus, muss zukünftig aber bis 67 arbeiten. Sie weiß auch, dass das notwendig ist. Aber ihr ist wirklich nicht zu erklären, dass andere nicht so lange arbeiten müssen. Das wäre schlicht und ergreifend nicht richtig.
Sie haben den sehr breiten Korridor angesprochen, Herr Schünemann, der uns zur Verfügung steht. Wir haben sehr viele Möglichkeiten, die Lebensarbeitszeit zu verlängern, und müssen sehen, bei welchen Berufsgruppen das möglich wäre. Ich könnte mir z. B. Professoren vorstellen. Aber es gibt auch die Möglichkeit, mit entsprechenden Abschlägen schon mit 60 in den Ruhestand zu gehen. Das finde ich prinzipiell erst einmal eine sehr gute und richtige Idee. Aber wir müssen vielleicht noch einmal über die Höhe der Abschläge reden. Der zentrale Punkt ist, dass die Abschläge versicherungsmathematisch gerecht sein müssen - das ist gar keine Frage -, aber es darf auch nicht so sein, dass sich zukünftig nur Oberstudienräte
oder A-15-/A-16-Beamte Abschläge bei früherer Pensionierung leisten können. Ich finde es nicht wirklich fair, wenn auch ein Strafvollzugsbediensteter oder ein Polizist das gerne machen würde, er es sich aber schlicht und ergreifend nicht leisten kann. Ich weiß, dass sich das ein bisschen mit einfachen Regelungen beißt. Aber darüber müssen wir auf jeden Fall noch reden. Prinzipiell stimmen wir der weiteren Flexibilisierung der Pensionsgrenzen jedoch zu.
Auch die Altersteilzeit finden wir richtig. Es ist ein richtiger Schritt, Altersteilzeit weiterhin attraktiv zu machen. Ein Stück weit stellt sich noch die Frage, wie das ausgestaltet wird. Aber es geht in die richtige Richtung.
Eines habe ich in diesem Gesetz aber sehr vermisst. Es gibt auch einen Artikel zum Abgeordnetengesetz, und ich finde, liebe Mitglieder des Hohen Hauses, wenn wir von den Arbeitnehmern, also von Angestellten und Arbeitern, verlangen, bis 67 zu arbeiten, weil das Rentensystem sonst unter Druck gerät, wenn wir von den niedersächsischen Landesbeamten fordern, angesichts der Haushaltslage bis 67 zu arbeiten, dann, bitte schön, muss das auch für Politikerinnen und Politiker gelten, und dann gehört auch das Abgeordnetengesetz geändert.
Wenn wir von Akzeptanz, von Fairness und von Gerechtigkeit reden, dann müssen wir dieselbe Messlatte auch bei uns anlegen. Im Abgeordnetengesetz stehen noch sehr viele Privilegien, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich verspreche Ihnen schon hier und heute: Die Landtagsfraktion der Grünen wird einen Gesetzentwurf zur Reform des Abgeordnetengesetzes vorlegen. Ich denke nur an die viel zu hohen Übergangsgelder, die, wie ich finde, nicht mehr angebracht sind. Wir zahlen 100 % Übergangsgeld, während beim Arbeitslosengeld I nur 65 % gezahlt werden. Auch das kann man ein bisschen beschneiden.
Ich glaube, es ist deutlich geworden: In Teilen geht der Gesetzentwurf in die richtige Richtung. Über die konkrete Ausgestaltung in Einzelteilen müssen wir noch reden - das ist keine Frage -, beispielsweise über die Altersteilzeit und auch über die Höhe der Abschläge. Das, was Sie zur Gendiagnostik gesagt haben, fordern wir schon seit Langem.
Abschließend vielleicht noch die Bemerkung: Die Rente oder die Pension mit 67 ist sicher kein Wohlfühlprogramm. Man macht sich damit nicht beliebt. Trotzdem ist sie in meinen Augen notwendig. Aber um die Akzeptanz zu erhöhen, müssen wir entsprechende Regelungen dann auch für die Politik fordern.
Danke schön, Herr Kollege Briese. - Nun hat sich für die FDP-Fraktion Herr Oetjen zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Ganz herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich an der Stelle zunächst einmal ausdrücklich bei den Kollegen Wiese und Briese für die sehr sachlichen und guten Beiträge zu diesem Thema bedanken.
Die Enquetekommission „Demografischer Wandel“ hat schon in der letzten Legislaturperiode aufgezeigt, dass die Menschen auf der einen Seite immer älter werden, auf der anderen Seite mit diesem Älterwerden aber natürlich auch eine gesteigerte Leistungsfähigkeit einhergeht.
Ich finde, der schrittweise Übergang zur Pension mit 67 ist ein sehr kluger Vorschlag. Die Beamten müssen ja nicht von einem Tag auf den anderen zwei Jahre länger arbeiten, sondern die Erhöhung des Pensionseintrittsalters auf 67 erfolgt Schritt für Schritt, eben analog zu der Regelung bei der Rente mit 67. Ich glaube, das ist ein sehr kluger Vorschlag.
Ich stimme dem Kollegen Briese absolut darin zu, dass es auch um die Gerechtigkeit zwischen den einzelnen Berufsgruppen geht. Ich glaube auch, dass die Beamtinnen und Beamten in dem Alter noch leistungsfähig sind. Auch was die Frage der Abschläge angeht, hat der Kollege Briese sicherlich recht. Die Beamtinnen und Beamten müssen das Gefühl haben, dass die Regelungen, die geschaffen werden, für sie im Einzelfall gerecht sind. Ich kann einen Beamten verstehen, wenn er sagt: Ich kann ja gar keine zusätzlichen Anwartschaften mehr erarbeiten, aber ich verliere welche, wenn ich vorzeitig in den Ruhestand gehe. - Ich habe Verständnis dafür, dass sich diese Logik nicht sofort
erschließt. Aber das sind Probleme, über die wir sicherlich im Zusammenhang mit der Anhörung noch diskutieren können.
Als FDP-Fraktion stehen wir der Flexibilisierung des Pensionseintritts und auch der Altersteilzeit sehr positiv gegenüber. Für uns sind es sehr gute Regelungen, die die Landesregierung hier für das Landesrecht vorschlägt. Genauso halten wir es - hier in diesem Hause wohl parteiübergreifend - für politisch sinnvoll, die Regelungen aus dem Gendiagnostikgesetz in das Landesrecht zu übernehmen. Auch für diesen Vorschlag einen sehr herzlichen Dank an das Innenministerium!
Daran schließe ich gleich an: Ich sage ausdrücklich, lieber Kollege Ralf Briese, auch ganz herzlichen Dank an das Innenministerium dafür, dass es keinen Vorschlag zum Abgeordnetengesetz gemacht hat; denn in diesem Hause ist es gute Tradition, dass den Abgeordneten nicht die Landesregierung vorschlägt, wie das Abgeordnetengesetz ausgestaltet werden soll, sondern darüber diskutiert und entscheidet das Hohe Haus selbst. Dabei sollten wir auch bleiben, sehr verehrte Damen und Herren.
Ich sage ferner: Wir können durchaus darüber diskutieren, ob wir das auch für das Abgeordnetengesetz so durchziehen. Das, meine Damen und Herren, sollten wir aber den Beratungen im Ausschuss und den Gesprächen zwischen den Fraktionen überlassen. Ich glaube, dass das Gesetz insgesamt eine gute Grundlage dafür bietet, das Beamtenversorgungsrecht zu modernisieren und zu flexibilisieren. Deshalb können wir als FDP grundsätzlich zustimmen. Ich glaube, dass wir nach einer guten Beratung im Ausschuss schließlich auch irgendwann hier im Plenum ein gutes Gesetz beschließen können.
Danke schön, Herr Kollege Oetjen. - Weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor. Ich schließe die erste Beratung.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Zur federführenden Beratung soll der Gesetzentwurf an den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen werden. Mitberatend sollen die Ausschüsse für Rechts- und Verfassungsfragen sowie für Haushalt
und Finanzen tätig werden. Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Stimmenenthaltungen sehe ich auch nicht. Dann haben Sie so beschlossen.