Protocol of the Session on January 19, 2011

(Lachen bei der CDU und bei der FDP - Glocke des Präsidenten)

Sie sollten auch darüber nachdenken, wie viele Tote, wie viele Verletzte, wie viele Hungernde es im Namen des Kapitalismus schon gegeben hat.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU)

Ihre Redezeit ist abgelaufen, Frau Flauger.

Ihr Problem ist, dass Sie Angst haben, wenn Gesellschaftsentwürfe links des Kapitalismus diskutiert werden.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist doch furchtbar! Hören Sie bloß auf!)

Das ist das Motiv Ihrer ganzen Aufregung. Das ist auch das Ziel Ihrer Debatte an dieser Stelle.

(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: Sie können doch gar nicht anders! Das ist doch grausam!)

Herr Kollege Nacke hat auch um zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3 gebeten. Bitte schön! Sie haben zwei Minuten, Herr Kollege Nacke.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Flauger, das war ein interessanter Versuch, sich innerhalb eines Redebeitrages einerseits von der eigenen Parteivorsitzenden zu distanzieren

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ha- be ich nicht versucht!)

und mit Berufung auf die eigene Programmatik - ein Parteiprogramm gibt es ja nach meinem Dafürhalten noch gar nicht -

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das se- he ich überhaupt nicht!)

gleichzeitig den Kommunismus und die Gräueltaten des Kommunismus zu relativieren. Ich finde, davon sollten Sie Abstand nehmen.

(Beifall bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Ich habe nichts rela- tiviert!)

Sie sagen, Sie haben eine klare Position. Dann frage ich mich: Warum hat Ihre Parteivorsitzende nicht nur in ihrem hier vorhin zitierten Beitrag dazu kein Wort gesagt,

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Das hat doch Herr Sohn zitiert! Haben Sie nicht aufgepasst?)

sondern aus ihrem Manuskript sogar die entsprechenden Passagen, die darin waren, wieder herausgestrichen?

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Sie müssen mal lernen, zuzuhören!)

- Ich weiß, dass Sie das aufregen muss, Herr Kollege Adler. Das kann ich ja verstehen. Aber letzten Endes müssen Sie sich dann auch die Positionen zurechnen lassen, die dort geäußert werden.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie müssen sie lesen!)

Ich habe vorhin den Chefredakteur des Focus, Wolfram Weimer, zitiert und möchte das Zitat und auch den anschließenden Satz wiederholen, weil ich glaube, das es sehr wichtig ist.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Sie können auch die Bild-Zeitung zitieren; das ist das gleiche Niveau!)

Dort heißt es:

„Die Linkspartei ist nun einmal die direkte Nachfolgepartei der SED-Mauerbauertruppe. Sie will eine andere Republik, und sie legt über die Folterkeller der kommunistischen Gulaggesellschaften einen blutroten Mantel des Schweigens.“

Das ist die Wahrnehmung Ihrer Partei in der Öffentlichkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Ihr An- spruch ist absolute Wahrheit! Sagt ir- gendein Journalist die absolute Wahrheit?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen zu Punkt c der Aktuellen Stunde vor. Damit ist dieser Punkt erledigt.

Ich eröffne die Besprechung zu Tagesordnungspunkt 3 d:

Wird das Agrarland Nummer eins zum Skandalland Nummer eins? - Wer trägt die Verantwortung für die Versäumnisse im niedersächsischen Agrarministerium? - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/3248

Ich rufe Herrn Meyer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf und erteile ihm das Wort.

(Unruhe)

- Einen kleinen Moment, Herr Meyer! Es gibt noch ein bisschen zu viel Bewegung im Parlament. Es ist zu unruhig. Ich bitte dringend darum, entweder Platz zu nehmen oder nach draußen zu gehen, wenn Sie Gespräche führen wollen. - Vielen Dank.

Herr Meyer, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war schon erstaunlich, wie die Schlampereien, Versäumnisse und Mogeleien im nieder

sächsischen Agrarministerium heute Morgen in der Regierungserklärung komplett ausgespart wurden!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da fordert erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine Bundesministerin ultimativ personelle Konsequenzen, und Herr McAllister taucht ab und sagt im Parlament kein Wort.

(Björn Thümler [CDU]: Wozu auch?)

Ministerin Aigner nannte die ständigen Pannen gegen den Verbraucherschutz in Niedersachsen zu Recht einen „Skandal im Skandal“.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da erzählte der Pressesprecher des Ministeriums, der jetzt Büroleiter von Herrn Lindemann werden soll, tagelang Märchen zur Beruhigung der Öffentlichkeit und spielte das Problem herunter: In Eiern könne kein Dioxin sein, und wenn, dann sei es unschädlich.

Dann verlässt man sich auf die Behauptungen des beschuldigten Unternehmens und geht von nur einem einmaligen Versehen aus. Erst als NRW vor einer Unterschätzung und Verharmlosung des Problems warnt, wird ermittelt, dass die Futterpanscherei monate-, wenn nicht gar jahrelang stattgefunden hat und ein krimineller Akt, nicht aber nur ein einmaliges Versehen war.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Erst nach Wochen werden in Niedersachsen die anderen 20 Futtermittelwerke und über 5 000 Betriebe gesperrt. Noch am 23. Dezember schrieb das niedersächsische Ministerium an die Landkreise wortwörtlich: Die Notwendigkeit einer amtlichen Sperrung wird aufgrund der Risikobewertung von hier nicht gesehen.

Erst eine Woche später, am 30. Dezember, kommt ein neuer Erlass, der dann eine amtliche Sperrung vorsieht. Eine Woche nach Nordrhein-Westfalen haben Sie erst gehandelt. Das besagen Ihre eigenen Erlasse an die Landkreise.

Als Nächstes wird offiziell ausgeschlossen, dass giftbelastete Lebensmittel in den Handel gelangt sein könnten - bis in Hannover Tausende Dioxineier in den Läden auftauchen.

Dann sagte Staatssekretär Ripke im NDR-Fernsehen - Orginalzitat -: Ich kann sicher sagen, dass belastetes Schweinefleisch nicht in den Handel gelangen wird, und wir können ausschließen, dass

dioxinbelastetes Schweinefleisch bereits in den Handel gelangt ist.

Diese Unwahrheit hielt gerade mal einen Tag. Am nächsten Tag musste ihn das Ministerium korrigieren.

Wie soll man ein solches Verhalten eigentlich nennen? Offensichtliche Falschinformation? Der Staatssekretär als Baron Münchhausen? Oder: Im Zweifel für die Agrarindustrie und gegen den Verbraucherschutz?