Protocol of the Session on December 8, 2010

Ganz herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: 5 Euro!)

Ich erteile dem Kollegen Lies von der SPDFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der Überzeugung: Dieser Landesregierung ist das Thema scheinbar völlig egal. - Das ist die Wahrnehmung aus den vielen Entschließungen, Anträgen und Beratungen der letzten Jahre. Das ist die Erkenntnis, die ich aus den Worten von Herrn Oetjen heute wahrgenommen habe. Ich will das mit den Worten von Herrn Dürr beschreiben: Arbeitsmarktpolitisch leben Sie in einer Parallelgesellschaft, weil Sie die Realitäten vor Ort überhaupt nicht mehr wahrnehmen und überhaupt nicht mehr kennen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Probleme in der Branche sind seit Jahren bekannt. Ein Skandal nach dem anderen, alles auf dem Rücken von Beschäftigten.

Sie reden davon, dass das eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sein könnte. Haben Sie einmal die Tausende von Bulgaren gefragt, ob sie wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden? - Herr Oetjen, hier findet Arbeitsplatzvernichtung in Deutschland statt, nichts anderes. Und dafür stehen Sie! Das lässt sich gar nicht anders erklären.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Jan- Christoph Oetjen [FDP]: Haben Sie mir zugehört?)

Man muss sich nur das ansehen, was wir alle gemeinsam diskutiert haben: Rockerbanden übernehmen in der Fleischbranche die Leiharbeit. Die Anfrage an das Wirtschaftsministerium, was da los sei, wird mit der Antwort abgetan: Wir haben keine Erkenntnisse.

(Christian Dürr [FDP]: Herr Lies, hat- ten Sie gerade Kopfhörer auf?)

Das ist es, was diese Landesregierung dazu sagt. Aber das ist auch kein Wunder. Wir haben ja gestern erfahren, dass diese Landesregierung, dieses Kabinett die Wirkung einer Energiesparlampe hat.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist die Spit- ze der SPD Niedersachsen! Um Got- tes willen!)

Diese Landesregierung, dieses Kabinett hat in der Frage der Arbeitsmarktpolitik die Wirkung eines Gruselkabinetts! Schauen Sie sich die Minister doch einmal an! Herr Busemann, der Justizminister, kommt doch aus der Region.

(Heinz Rolfes [CDU]: Was soll das denn!)

Und was macht er? - Gar nichts! Frau Özkan ist Sozialministerin. Sie ist durch ihre TNT-Geschichte doch belastet. Deswegen macht sie nichts. Dieser Finanzminister, der dort sitzt, macht es doch gerade vor, wie man dem Gemeinwesen Steuern entzieht. Das ist es doch, was passiert!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Björn Thümler [CDU]: Unerhört, beschä- mend, unglaublich! Jetzt ist aber Schluss!)

Und dieser Minister nennt sich Arbeitsminister. Herr Bode als Wirtschaftsminister kennt doch nur einen Spruch: Sozial ist, was Arbeit schafft. - Herr Bode, das, was dort in der Fleischbranche passiert, ist unsozial. Sie hätten schon längst handeln müssen. Das muss Ihre Aufgabe sein!

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Kommen wir zur Landwirtschaftsministerin. Ich finde, Frau Grotelüschen, Sie machen sich zur Marionette der Industrielandwirtschaft. Sie sind Platzhalterin in einem Ministerium. Das ist Lobbyismus pur! Das ist nicht niedersächsische verantwortliche Politik für die Landwirtschaft, wie wir sie brauchen, meine Damen und Herren!

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Dabei darf man nicht vergessen: Frau Grotelüschen ist ja Teil der Kette. - Dieses ständige Herausziehen: Na ja, ich bin ja nur für die Putenbrüterei - - - Brüterei, Aufzucht, Schlachtung, Vermarktung - überall sind Sie mit drin, überall tragen Sie mit Verantwortung. Weil Sie das Gesamtsystem

kennen, tragen Sie auch Verantwortung dafür, welche Löhne in dieser Branche gezahlt werden.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Björn Thümler [CDU]: Sie ist überhaupt nir- gendwo drin! Haben Sie schon mal das Ministergesetz gelesen? - Jens Nacke [CDU]: Das ist nicht in Ord- nung, Herr Lies! Sie wissen, dass das nicht stimmt!)

Das wird inzwischen zu einer finsteren Branche in unserer Gesellschaft. Das schadet inzwischen allen, weil es ein schlechtes Licht auf über 220 000 Menschen und auf ein Land wie Niedersachsen wirft, das Agrarland Nummer eins ist. Das verkennen Sie dabei.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist die Unwahrheit! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Hören wir uns noch einmal an, was Frau Grotelüschen gesagt hat:

(Jens Nacke [CDU]: Es gibt schon Gründe dafür, warum Sie sonst nur nach 17 Uhr sprechen!)

„Ein akzeptabler Lohn ist es, wenn sonst derjenige keine Arbeitsstelle vielleicht finden könnte und die Möglichkeit hat, sich in einen Arbeitsprozess … einbinden zu lassen.“

Frau Grotelüschen, sagen Sie es doch, wenn Sie etwas wissen! Aber versuchen Sie doch nicht, sich mit merkwürdigen Erklärungen und Ausreden aus der Affäre zu ziehen! Genau das versuchen Sie doch mit Ihren Aussagen!

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Ingrid Klopp [CDU]: Schreien Sie nicht so! Warum bleiben Sie nicht sachlich? - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich finde, man darf einen hier nicht aus der Verantwortung lassen, und das ist der Ministerpräsident. Der Ministerpräsident fährt mit seinem Audi A8 und getönten Scheiben durch Niedersachsen.

(Oh! bei der CDU und bei der FDP)

Die einzige Erkenntnis, die er wahrnimmt, ist, dass er mit seinem Audi nicht einmal mehr an den McDrive-Schalter kann. Wenn das alles ist, was er aus Niedersachsen wahrnimmt, dann ist das ein bisschen wenig!

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Holt diesen Pri- mitivling da weg! - Björn Thümler [CDU]: Du kannst schreien, wie du willst!)

Herr McAllister spricht von „Mut zur Verantwortung“. Auch Herr Thümler hat das gestern getan. Herr McAllister, „Mut zur Verantwortung“ heißt, sich zu dem zu bekennen, was dort los ist und Tatsachen hier auf den Tisch zu legen und ehrlich zu bekennen, welche Haltung Sie haben. Ich frage Sie, Herr McAllister:

(Heinz Rolfes [CDU]: Du hast über- haupt nichts zu fragen!)

Halten Sie eine Bezahlung von 5 Euro für angemessen? - Darauf erwarte ich heute von Ihnen eine Antwort!

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, es wird Zeit zu handeln. Wir fordern die Umsetzung von vier wesentlichen Kernpunkten.

(Zuruf von Ernst-August Hoppenbrock [CDU])

Sie sind in den letzten Jahren Ihrer Regierungsverantwortung überhaupt nicht umgesetzt worden, Herr Hoppenbrock.

(Jens Nacke [CDU]: Schauen Sie Herrn Schostok an! Denn an ihn rich- tet sich doch Ihre Rede! Dem wollen Sie es doch zeigen! - Björn Thümler [CDU]: Hier ist keine Gewerkschafts- veranstaltung, sondern das Parla- ment!)

Es geht um die intensive Aufklärung der Beschäftigungssituation in der Fleischbranche. Es geht um die Stärkung von Hauptzollamt und Staatsanwaltschaft. Es geht darum, Grenzen einzuziehen. Es geht darum, einen Mindestlohn festzulegen. Genau diesen Mindestlohn verweigern Sie sogar noch im Ausschuss, wenn Sie sich nicht dazu bekennen, dass das notwendig wäre.

Ich komme zum letzten Satz.

(Ulf Thiele [CDU]: Gott sei Dank!)

Es geht darum, dieses unsägliche Bild, das die Ministerin auf das Land Niedersachsen wirft, endlich zu verändern.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Un- erträglich!)

Herr Ministerpräsident, „Mut zur Verantwortung“ heißt „Mut zum Handeln“. Ich fordere Sie auf, hier klare Worte zu finden und sich nicht zu verstecken, wie Sie es in den letzten Wochen getan haben.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Kollege Lies, bei aller Schärfe in der Sache und bei aller Kontroverse will ich Ihnen eines deutlich sagen: Ich halte die Verwendung des Begriffes „Gruselkabinett“ für parlamentarisch nicht in Ordnung.

(Oh! bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)