Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der Überzeugung: Dieser Landesregierung ist das Thema scheinbar völlig egal. - Das ist die Wahrnehmung aus den vielen Entschließungen, Anträgen und Beratungen der letzten Jahre. Das ist die Erkenntnis, die ich aus den Worten von Herrn Oetjen heute wahrgenommen habe. Ich will das mit den Worten von Herrn Dürr beschreiben: Arbeitsmarktpolitisch leben Sie in einer Parallelgesellschaft, weil Sie die Realitäten vor Ort überhaupt nicht mehr wahrnehmen und überhaupt nicht mehr kennen.
Die Probleme in der Branche sind seit Jahren bekannt. Ein Skandal nach dem anderen, alles auf dem Rücken von Beschäftigten.
Sie reden davon, dass das eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sein könnte. Haben Sie einmal die Tausende von Bulgaren gefragt, ob sie wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden? - Herr Oetjen, hier findet Arbeitsplatzvernichtung in Deutschland statt, nichts anderes. Und dafür stehen Sie! Das lässt sich gar nicht anders erklären.
(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Jan- Christoph Oetjen [FDP]: Haben Sie mir zugehört?)
Man muss sich nur das ansehen, was wir alle gemeinsam diskutiert haben: Rockerbanden übernehmen in der Fleischbranche die Leiharbeit. Die Anfrage an das Wirtschaftsministerium, was da los sei, wird mit der Antwort abgetan: Wir haben keine Erkenntnisse.
Das ist es, was diese Landesregierung dazu sagt. Aber das ist auch kein Wunder. Wir haben ja gestern erfahren, dass diese Landesregierung, dieses Kabinett die Wirkung einer Energiesparlampe hat.
Diese Landesregierung, dieses Kabinett hat in der Frage der Arbeitsmarktpolitik die Wirkung eines Gruselkabinetts! Schauen Sie sich die Minister doch einmal an! Herr Busemann, der Justizminister, kommt doch aus der Region.
Und was macht er? - Gar nichts! Frau Özkan ist Sozialministerin. Sie ist durch ihre TNT-Geschichte doch belastet. Deswegen macht sie nichts. Dieser Finanzminister, der dort sitzt, macht es doch gerade vor, wie man dem Gemeinwesen Steuern entzieht. Das ist es doch, was passiert!
(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Björn Thümler [CDU]: Unerhört, beschä- mend, unglaublich! Jetzt ist aber Schluss!)
Und dieser Minister nennt sich Arbeitsminister. Herr Bode als Wirtschaftsminister kennt doch nur einen Spruch: Sozial ist, was Arbeit schafft. - Herr Bode, das, was dort in der Fleischbranche passiert, ist unsozial. Sie hätten schon längst handeln müssen. Das muss Ihre Aufgabe sein!
Kommen wir zur Landwirtschaftsministerin. Ich finde, Frau Grotelüschen, Sie machen sich zur Marionette der Industrielandwirtschaft. Sie sind Platzhalterin in einem Ministerium. Das ist Lobbyismus pur! Das ist nicht niedersächsische verantwortliche Politik für die Landwirtschaft, wie wir sie brauchen, meine Damen und Herren!
Dabei darf man nicht vergessen: Frau Grotelüschen ist ja Teil der Kette. - Dieses ständige Herausziehen: Na ja, ich bin ja nur für die Putenbrüterei - - - Brüterei, Aufzucht, Schlachtung, Vermarktung - überall sind Sie mit drin, überall tragen Sie mit Verantwortung. Weil Sie das Gesamtsystem
(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Björn Thümler [CDU]: Sie ist überhaupt nir- gendwo drin! Haben Sie schon mal das Ministergesetz gelesen? - Jens Nacke [CDU]: Das ist nicht in Ord- nung, Herr Lies! Sie wissen, dass das nicht stimmt!)
Das wird inzwischen zu einer finsteren Branche in unserer Gesellschaft. Das schadet inzwischen allen, weil es ein schlechtes Licht auf über 220 000 Menschen und auf ein Land wie Niedersachsen wirft, das Agrarland Nummer eins ist. Das verkennen Sie dabei.
„Ein akzeptabler Lohn ist es, wenn sonst derjenige keine Arbeitsstelle vielleicht finden könnte und die Möglichkeit hat, sich in einen Arbeitsprozess … einbinden zu lassen.“
Frau Grotelüschen, sagen Sie es doch, wenn Sie etwas wissen! Aber versuchen Sie doch nicht, sich mit merkwürdigen Erklärungen und Ausreden aus der Affäre zu ziehen! Genau das versuchen Sie doch mit Ihren Aussagen!
(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Ingrid Klopp [CDU]: Schreien Sie nicht so! Warum bleiben Sie nicht sachlich? - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
Ich finde, man darf einen hier nicht aus der Verantwortung lassen, und das ist der Ministerpräsident. Der Ministerpräsident fährt mit seinem Audi A8 und getönten Scheiben durch Niedersachsen.
Die einzige Erkenntnis, die er wahrnimmt, ist, dass er mit seinem Audi nicht einmal mehr an den McDrive-Schalter kann. Wenn das alles ist, was er aus Niedersachsen wahrnimmt, dann ist das ein bisschen wenig!
(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Holt diesen Pri- mitivling da weg! - Björn Thümler [CDU]: Du kannst schreien, wie du willst!)
Herr McAllister spricht von „Mut zur Verantwortung“. Auch Herr Thümler hat das gestern getan. Herr McAllister, „Mut zur Verantwortung“ heißt, sich zu dem zu bekennen, was dort los ist und Tatsachen hier auf den Tisch zu legen und ehrlich zu bekennen, welche Haltung Sie haben. Ich frage Sie, Herr McAllister:
Halten Sie eine Bezahlung von 5 Euro für angemessen? - Darauf erwarte ich heute von Ihnen eine Antwort!
Meine Damen und Herren, es wird Zeit zu handeln. Wir fordern die Umsetzung von vier wesentlichen Kernpunkten.
Sie sind in den letzten Jahren Ihrer Regierungsverantwortung überhaupt nicht umgesetzt worden, Herr Hoppenbrock.
(Jens Nacke [CDU]: Schauen Sie Herrn Schostok an! Denn an ihn rich- tet sich doch Ihre Rede! Dem wollen Sie es doch zeigen! - Björn Thümler [CDU]: Hier ist keine Gewerkschafts- veranstaltung, sondern das Parla- ment!)
Es geht um die intensive Aufklärung der Beschäftigungssituation in der Fleischbranche. Es geht um die Stärkung von Hauptzollamt und Staatsanwaltschaft. Es geht darum, Grenzen einzuziehen. Es geht darum, einen Mindestlohn festzulegen. Genau diesen Mindestlohn verweigern Sie sogar noch im Ausschuss, wenn Sie sich nicht dazu bekennen, dass das notwendig wäre.
Es geht darum, dieses unsägliche Bild, das die Ministerin auf das Land Niedersachsen wirft, endlich zu verändern.
Herr Ministerpräsident, „Mut zur Verantwortung“ heißt „Mut zum Handeln“. Ich fordere Sie auf, hier klare Worte zu finden und sich nicht zu verstecken, wie Sie es in den letzten Wochen getan haben.
Herr Kollege Lies, bei aller Schärfe in der Sache und bei aller Kontroverse will ich Ihnen eines deutlich sagen: Ich halte die Verwendung des Begriffes „Gruselkabinett“ für parlamentarisch nicht in Ordnung.