Protocol of the Session on June 5, 2008

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zeitungsverlage, Tageszeitungen haben sehr viel Geld für ihr Internetangebot in die Hand genommen. Damit haben sie eigenes Geld in die Hand genommen. Niemand hat etwas dagegen, wenn andere eigenes Geld in die Hand nehmen. Hierbei geht es aber darum, dass es Zwangsgebühren sind, also Gebühren, die den Bürgern zwangsweise abgenommen werden. Im Hinblick darauf, was damit gemacht wird, haben wir eine Art Gralshüterfunktion. Offenkundig müssen wir einigen aus den Gremien der öffentlich-rechtlichen Anstalten sagen, dass hier transparenter diskutiert wird als dort. Das, was dort in den letzten Tagen abgelaufen ist, hat mich nicht gerade mit Vertrauen darin ausgestattet, dass die Gremien wirklich wissen, worum es gegenüber Europa geht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung, zur Einzelberatung.

Ich rufe auf:

Artikel 1 einschließlich der Anlagen. - Unverändert.

Artikel 2. - Unverändert.

Gesetzesüberschrift. - Unverändert.

Wir kommen zur Schlussabstimmung.

Diejenigen, die den Entwurf eines Gesetzes zum Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag so beschließen möchten, bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Die Fraktion DIE LINKE sowie Frau Wegner. Gibt es Stimmenthaltungen? - Damit ist das Gesetz so beschlossen.

Die beiden folgenden Tagesordnungspunkte, nämlich die Tagesordnungspunkte 14 und 15, rufe ich vereinbarungsgemäß zusammen auf:

Zweite Beratung: Schule darf nicht krank machen - Druck aus dem Turbo-Gymnasium nehmen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/51 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses - Drs. 16/163

Erste Beratung: Flexible Wege zum Abitur - Lernbedingungen verbessern! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/185

Die Beschlussempfehlung des Kultusausschusses - es geht um Tagesordnungspunkt 14 - lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung zu diesem Tagesordnungspunkt ist nicht vorgesehen.

Zur Einbringung des Antrags unter Tagesordnungspunkt 15 erteile ich Herrn Kollegen Poppe für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Haltung, die CDU und FDP in der Frage des Abiturs nach zwölf Jahren seit Wochen einnehmen, trägt schon Züge von Schizophrenie.

(Beifall bei der SPD)

Auf der einen Seite haben Sie in der ersten Beratung alle Probleme geleugnet, auf der anderen Seite hat nun zum zweiten Mal ein runder Tisch der Kultusministerin mit den Verbänden sowie mit Schüler- und Elternvertretern getagt, um Lösungsvorschläge zu entwickeln. Wozu denn ein Zehnpunkteprogramm gegen nicht vorhandene Probleme?

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Es hätten fünf Punkte reichen können!)

Geben Sie doch einfach zu: Sie haben mit Ihrem Schulbus einen schweren Unfall gebaut, und jetzt werden nur Schäden am Lack beseitigt.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Dabei ist es doch ganz offensichtlich, dass die Probleme da sind und dass sie größer sind, als Sie

eingestehen wollen. Selbst bei der Anhörung im Kultusausschuss in der letzten Woche zu einem nur entfernt verwandten Thema haben gerade die Vertreter der Gymnasien deutliche Worte dazu gefunden, wie stark sie durch die Umstellung belastet sind, durch eine Umstellung - ich muss dazu nicht alles aus der Debatte des letzten Monats wiederholen -, die darunter leidet, dass sie dilettantisch vorbereitet worden ist. Die Curricula werden erst jetzt überarbeitet. Die auf das Abitur nach 12 Jahren abgestimmten Bücher waren sämtlich nicht vorhanden. Die Schülerinnen und Schüler werden wegen unangepasster Tagesabläufe, wegen fehlender echter Ganztagsangebote über Gebühr belastet.

(Beifall bei der SPD)

So, wie die Umstellung auf ein Abitur nach 12 Schuljahren jetzt verwirklicht worden ist, sehen viele Familien diese Neuerungen mit Grausen. Mit dem alleinigen Ziel, Lebenszeit besser auf die wirtschaftliche Verwertbarkeit hin durchzuplanen, ist kurzerhand die Zeit zum Abitur gekürzt und die Zahl der Stunden pro Schuljahr erhöht worden. Verdichtung wurde produziert, wo eine methodisch-didaktische Neuorientierung nötig wäre. Lernen aber funktioniert nicht so einfach nach der Formel: Leistung ist Arbeit durch Zeit.

Viele Eltern, Schülerinnen und Schüler, ja, auch Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich eher an Momo erinnert, das Mädchen aus dem Roman von Michael Ende, dem die grauen Herren die Zeit seiner Kindheit stehlen wollten. Die grauen Herren sammeln die Stundenblumen ein und bringen sie auf die Zeitsparkasse. Momos Freunde verlernen, sich selbst etwas einfallen zu lassen. Wie heißt es in dem Buch?

„Die Spiele wurden ihnen von Aufsichtspersonen vorgeschrieben, und es waren nur solche, bei denen sie irgendetwas Nützliches lernten. Etwas anders verlernten sie freilich dabei, und das war: sich zu freuen, sich zu begeistern und zu träumen.“

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Meine Damen und Herren, das hat wenig mit Kuschelpädagogik zu tun, aber viel mit Menschlichkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Es ist übrigens eine eigenartige Ironie, dass Sie in diesen Debatten über genau das reden müssen, was Sie für beendet erklärt haben, nämlich über Strukturveränderungen. Was ist denn die Verkürzung der Gymnasialzeit, wenn nicht eine Strukturveränderung? Was sind denn die Änderungen daran, wenn nicht Strukturveränderungen? - Ich stelle das nur fest. Sie sollten sich dies ruhig eingestehen.

In der deutschen Bildungsdebatte gibt es zwei verfehlte Grundannahmen: Die eine Grundannahme ist falsch, dass sich die Qualität unserer Schulen allein durch Strukturmaßnahmen verbessern lasse. Die andere falsche Annahme ist, die Qualität unserer Schulen lasse sich verbessern, ohne auf Strukturen Rücksicht zu nehmen. Schauen Sie ruhig auf beides: auf Qualität und auf Strukturen. Aber schließen Sie nicht die Augen, wenn Sie sich selbst in gravierende Strukturprobleme manövriert haben; denn es sind Ihre Strukturveränderungen, die jetzt dafür sorgen, dass die Hauptschulen ausbluten, dass Lehrer- und Schülerschaft der Gymnasien unzumutbar belastbar werden, dass Eltern verunsichert sind und in Massen auf Gesamtschulen ausweichen und dass die Schülerströme unkalkulierbar werden.

(Beifall bei der SPD - Norbert Böhlke [CDU]: Wo das denn?)

Ich möchte Ihnen dazu etwas sagen: Herr Staatssekretär Uhlig sagt laut Braunschweiger Zeitung:

„In Hannover wird es relativ schnell keine Hauptschulen mehr geben.“

Er sagt an anderer Stelle:

„Wir müssen noch vier, fünf Jahre Geduld haben, es ist zu früh, die Hauptschule abzuschreiben.“

Man kann daraus nur schließen - es ist ganz einfach -: Sie wissen nicht mehr, wohin. Sie haben keinen Plan und die Schulen nicht mehr im Griff.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Was ist konkret gegen die Probleme der Umstellung zu tun? - Sie, meine Damen und Herren von den Mehrheitsfraktionen, sind alle Antworten schuldig geblieben. Die Grünen sind mit Schnellschüssen vorgeprescht. Die Ministerin hinkt, wie gesagt, mit dem Ausbessern von Lackschäden hinterher.

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion versucht, Ihnen nach gründlicher Abwägung aller Möglichkeiten und nach vielen Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern der Schulpraxis mit dem vorgelegten Antrag einen gangbaren Weg aufzuzeigen, der einerseits den aktuell betroffenen Jahrgängen Verbesserungen bringt und andererseits eine Perspektive für die Zukunft aufzeigt.

Wir fordern erstens die Reduzierung der Klassenstärke in der Jahrgangsstufe 10. Sie haben dem nichts entgegenzusetzen außer dem Hinweis, dass dann Klassen neu gebildet werden müssten.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist ja ein tolles Ding!)

Meine Damen und Herren, dies gehört und gehörte beim Übergang in die Sekundarstufe II zu den Normalitäten des Schullebens.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Wolfgang Jüttner [SPD]: So ist es!)

Jede Schule wird eine solche Teilung vermeiden, wo es möglich ist. Aber jede Schule wird auch die pädagogischen Möglichkeiten der kleineren Klassen höher einschätzen als ein zwanghaftes Verweilen in viel zu großen Klassen.

(Beifall bei der SPD)

Damit es sich einprägt: Die Klassenstufe 10 gehört zur Oberstufe und muss entsprechend behandelt werden, auf Dauer und nicht per Gnadenakt der Gutsherrin.