Protocol of the Session on June 5, 2008

(Beifall bei der FDP)

Die Grünen sind eine Partei, die von den Ängsten der Menschen lebt, die immer zuerst die Risiken und erst danach die Chancen sieht. Ich persönlich halte die Innovationsfähigkeit für den Schlüssel, der es uns ermöglicht, in einem globalen Wettbewerb mit Ländern zu konkurrieren, deren Lohniveau deutlich unter dem unsrigen liegt. Deutschland, meine Damen und Herren, ist ein Hochlohnland. Wenn wir aber unsere Innovationsfähigkeit verlieren, werden wir dies nicht dauerhaft bleiben. Das müssen auch die Kollegen von den Grünen einsehen.

(Beifall bei der FDP)

Bisher wird die grüne Gentechnik in Deutschland nur wenig genutzt. Vor dem Hintergrund der Möglichkeiten, die uns diese Technologie bietet, müssen wir uns die Option des Anbaus solcher Pflanzen allerdings weiter offen halten. Eine politisch begründete Ablehnung entspricht nicht den Erfordernissen eines modernen Verbraucherschutzes. Die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher wird durch die Kennzeichnungsvorschriften der Europäischen Union sichergestellt.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich freue mich auf eine gute Beratung im Ausschuss; bietet sie doch Gelegenheit, die aktuelle Sachlage erneut zu diskutieren, wie wir das schon in der letzten Legislaturperiode sehr regelmäßig - ich betone: sehr regelmä

ßig - getan haben. Sicher ist allerdings eines: Dieser Antrag wird so, wie er von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt worden ist, sicherlich nicht beschlossen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zu einer Kurzintervention auf den Beitrag von Herrn Kollegen Oetjen hat sich Herr Briese von den Grünen gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Diese Pauschalvorwürfe, die Grünen seien eine Angstpartei oder risikoscheu, ärgern mich immer wieder. Darum geht es in dieser Debatte doch auch gar nicht, Herr Oetjen. Hier geht es vielmehr um eine Risiko- bzw. um eine Technikfolgenabschätzung. Ich finde, jeder sachorientierte Politiker sollte sich Gedanken darüber machen, ob Forschung human- und naturverträglich ist oder nicht. Dass sie dies ist, negieren wir in dem vorliegenden Fall. Man sollte darüber nachdenken, was die Menschen und diesen Planeten weiterbringt und was ihnen vielleicht schadet. Ein Pauschalrundumschlag, wir wären risikoscheu und eine Angstpartei, ist jedenfalls völlig undifferenziert und unsachlich. Damit werden Sie der Sache nicht gerecht.

Es gibt nun einmal Techniken, die für die Erde und die für die Menschen nicht gut sind. Diese Techniken lehnen wir auch ab. Andere Techniken hingegen finden wir durchaus vernünftig, und von denen meinen wir auch, dass man viele Forschungsgelder dafür verwenden sollte, das geht von der Solarenergie bis hin zur Brennstoffzelle.

Natürlich hat die Gentechnik im medizinischen Bereich ihre Berechtigung; das stellt doch auch niemand in Frage. Im Bereich der Landwirtschaft aber hat sie einfach nichts zu suchen. Die Leute wollen sie auch nicht. So einfach ist das.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Oetjen bekommt jetzt die Gelegenheit zur Antwort. Bitte schön!

Verehrter Herr Kollege Briese, mir geht es genau um die Abwägung, von der Sie gesprochen haben.

Sie aber negieren von vornherein, dass in der grünen Gentechnik ein Potenzial im Blick auf Ernährung und Arzneimittelproduktion liegt, das wir heute vielleicht noch nicht erkennen, dass wir später einmal aber nutzen können. Deswegen ist es uns wichtig, dass wir nicht einfach sagen, wir wollen die grüne Gentechnik nicht, sondern dass wir weiter forschen - aber auch das wollen Sie ja nicht -, damit wir in Deutschland diese Entwicklung mitgestalten und mit im Griff haben können. Das ist verantwortungsvolle Politik für die Menschen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nächster Redner ist Herr Deppmeyer von der CDU-Fraktion. Herr Deppmeyer, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich bedanke mich für die Solidarität in Sachen Milchstreik. Ich hoffe, dass sich diejenigen, die diese Solidarität heute einfordern, in vier Wochen, wenn es ernst wird, auch noch daran erinnern.

(Beifall bei der CDU)

Ich freue mich, dass sich Frau Stief-Kreihe mit dem Berliner Gesetz beschäftigt hat. Das erspart mir, dies hier ebenfalls zu tun. Dass Sie es hier ein bisschen einseitig ausgelegt haben, damit können wir gut leben. Im Übrigen: Herr Seehofer meint es natürlich ehrlich.

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Niedersachsens Menschen, Natur und Landwirtschaft vor der Agro-Gentechnik schützen!“ ist bisher sehr neutral und objektiv behandelt worden - mit wenigen Ausnahmen -, und das ist auch erfreulich.

Ich hätte mich gefreut, wenn in diesem Antrag auch darauf hingewiesen worden wäre, dass die Gentechnik bei der Herstellung von Arzneimitteln, aber auch bei der Herstellung von Nahrungshilfsmitteln eingesetzt wird. Wieso diese Bereiche in dieser Diskussion ausgenommen werden sollen, ist mir ein Rätsel.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir sollten uns einmal anschauen, wie es in Sachen Agrargentechnik in der Welt aussieht. Was wird in Deutschland, in Europa und in der Welt verwendet? - Hier ist deutlich gemacht worden: In

Deutschland wird so gut wie nichts davon verwendet, weltweit aber eine ganze Menge.

Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen begann vor ungefähr zehn Jahren. Er erfolgt inzwischen nicht mehr nur auf 114 Millionen ha - das war die Zahl vom letzten Jahr -, sondern auf mehr als 120 Millionen ha. Ich nehme an, die meisten von Ihnen können sich unter 120 Millionen ha nichts vorstellen. Deshalb folgender Vergleich: Die Ackerfläche aller 27 Mitgliedsländer der EU macht insgesamt 100 Millionen ha aus. Weltweit wird gentechnikverändertes Saatgut also auf einer Fläche verwendet, die größer ist als Europa.

Jahr für Jahr kommen 10 bis 12 Millionen ha hinzu. 10 Millionen ha entspricht der Ackerfläche von Deutschland; auch dieser Vergleich hilft vielleicht etwas. Dieser Zuwachs läuft seit zehn Jahren sehr gleichmäßig, Jahr für Jahr.

Interessant ist, dass gentechnisch veränderte Pflanzen in den USA auf 60 Millionen ha angebaut werden, in Argentinien auf inzwischen über 20 Millionen ha, in Indien auf über 7 Millionen ha und in China auf über 4 Millionen ha. In Europa wird am meisten in Spanien angebaut, allerdings auf einer Fläche unter 0,1 Millionen ha.

Interessant ist auch, welche Pflanzen hier verwendet werden und zu welchem Anteil sie gentechnisch verändert sind: Gentechnisch veränderter Soja wird auf über 60 Millionen ha angebaut. Das entspricht zwei Dritteln des insgesamt angebauten Sojas. Damit kann sich jeder von Ihnen ausrechnen, wie oft er so etwas schon einmal gegessen hat. Gentechnisch veränderter Mais wird auf über 38 Millionen ha angebaut. Das entspricht 25 % des insgesamt angebauten Mais. Gentechnisch veränderte Baumwolle wird auf 16 Millionen ha angebaut. Das sind über 45 % der insgesamt angebauten Baumwolle. Gentechnisch veränderter Raps wird auf 6 Millionen ha angebaut. Das sind über 20 % des insgesamt angebauten Rapses.

In Niedersachsen bauen wir - außer auf einer Fläche - nur zu Forschungszwecken an. Dies ist auch gut so. Warum sage ich das? - Eine Mehrheit der Bauern ist sicherlich daran interessiert, im größerem Umfang gentechnisch veränderte Pflanzen anzubauen. Dass nur eine Minderheit daran interessiert wäre, ist nicht richtig.

Warum tun sie es nun nicht? - Sie tun es erstens nicht, weil die Rechtslage so kompliziert ist, dass man keinem Landwirt in Niedersachsen raten kann, diesen Anbau zu betreiben. Ich verweise nur

auf die verschuldensunabhängige und gesamtschuldnerische Haftung. Die festgelegten Abstände, die einige als zu groß und andere als zu gering ansehen, schützen die Landwirte hier nicht; denn die Haftungsverpflichtung gilt, wie gesagt, verschuldensunabhängig. Das ist das Problem. Bei der jetzigen Gesetzeslage ist eine Koexistenz also nicht möglich. Darum haben sich die Landwirte entschieden, keine gentechnisch veränderten Pflanzen anzubauen. Diese Entscheidung war richtig.

Die Landwirte tun dies zweitens nicht, weil der mögliche Nutzen für sie zurzeit eher gering ist. Für die Zukunft, wenn nämlich die Züchtung vorankommt, schätze ich die Situation allerdings durchaus anders ein.

Dass die Verbraucher in aller Welt den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen mit großer Mehrheit ablehnen, ist sicherlich richtig. Dies gilt vor allen Dingen für die reichen Länder. In den armen Ländern sieht das etwas anders aus.

Trotz dieser Ablehnung steigt der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen jedoch beständig an. Die Produktion wird als Viehfutter und in menschlicher Nahrung verwendet. Vor allen Dingen arme Länder steigerten den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in den vergangenen Jahren besonders stark.

In diesem Zusammenhang möchte ich einmal darauf hinweisen, was Nahrungsmittel eigentlich kosten. Eine Familie in einem reichen Land wie Deutschland gibt im Durchschnitt 11 % des Haushaltseinkommens für Nahrungsmittel aus. Darin enthalten sind die 3 % des Haushaltseinkommens, die für die Rohstoffe abgehen. Sie können sicher sein, dass die deutschen Landwirte auch in Zukunft das produzieren werden, was der Verbraucher wünscht. Insofern werden wir vorläufig nicht zu gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln kommen.

Die Züchtung genetisch veränderter Organismen ist darauf ausgerichtet, Vorteile für die Verbraucher zu erzielen. Ein Vorteil wäre z. B. ein besserer Nährwert. Beim Reis wird zurzeit geforscht, ob sich der Vitamin-A-Anteil steigern lässt. Das wäre für die Bevölkerung in Asien von großem Vorteil. Weiterhin wird angestrebt, höhere Toleranzen und eine höhere Widerstandskraft gegen Trockenheit, gegen Versalzung, gegen Krankheiten einzuzüchten und somit für Ertragssteigerungen zu sorgen. Hier weist die Hirse für Afrika besondere Chancen auf. Um die Menschheit auch in den nächsten

30 Jahren noch ernähren zu können, muss die pflanzliche Produktion um 50 % gesteigert werden.

Sicherlich gibt es auch Risiken. Ich verstehe aber nicht, wieso bei dem menschlichen Verzehr, der seit nun zehn Jahren stattfindet, und beim Füttern des Viehs, das auch seit zehn Jahren in einem größeren Umfang praktiziert wird, solche Risiken gesehen werden, obwohl man bisher keinen einzigen darauf zurückzuführenden problematischen Fall nachweisen kann.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn Sie das Problem der Auswilderung ansprechen, meine Damen, meine Herren, dann darf ich darauf verweisen, dass die meisten Blumen, die Sie in Ihre Vorgärten pflanzen, gentechnisch gezüchtet sind. Da sind Sie noch nie auf die Idee gekommen, dass das wohl nicht geht.

Die Forschung in Deutschland und in der Europäischen Union muss insbesondere deswegen gestützt und gestärkt werden, weil wir nicht darauf verzichten sollten, diese zukunftsträchtige Forschung anderen zu überlassen.

Herr Deppmeyer, ich darf Sie unterbrechen. Herr Meyer möchte eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie die zu?

Ich lasse sie zu.

Bitte schön, Herr Meyer!

Kollege Deppmeyer, wenn das mit der Gentechnik so schön wäre, dann ist es doch komisch, dass die Bundesregierung, die ja auch von der CDU gestellt wird, einem solchen Gentechnikgesetz zugestimmt hat. Sie führen gerade etwas ganz anderes aus. Jetzt die Frage: Können Sie bestätigen, dass der Export von Schweinen z. B. nach Japan nur deshalb möglich ist, weil garantiert wird, dass diese Tiere nicht mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert werden?

Wenn Sie zugehört hätten, dann hätten Sie festgestellt, dass ich dem Gesetz des Herrn Seehofer in keiner Weise widersprochen habe.

Die Forschung sollte hier in unserem Lande stark betrieben werden. Ich finde, wir sollten es nicht Russland, China oder den Entwicklungsländern mit der dort praktizierten unwesentlichen Kontrolle überlassen, die Züchtung voranzutreiben. Gentechnische Forschung liegt im Interesse unseres Landes, auch unseres Bundeslandes.