Intensivtierhaltung: Fluch oder Segen, Tierschutz oder Kommerz? - Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 16/3013
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Intensivtierhaltung: Fluch oder Segen, Tierschutz oder Kommerz?
Die vielschichtigen Probleme mit der Intensivtierhaltung in Niedersachsen lassen einen großen Handlungsbedarf erkennen. Begonnen hat die öffentliche Diskussion mit dem „Fall Grotelüschen“, bei dem die neue Agrarministerin aufgrund ihrer beruflichen Vergangenheit in der Putenzuchtbran
(Zuruf von der CDU: Das ist kein „Fall“! Was soll denn das? - Gegenruf von den GRÜNEN: Schön ruhig! - Un- ruhe - Glocke des Präsidenten)
Parallel dazu entwickelt sich in Niedersachsen ein regelrechter „Bauboom“ von Massentierhaltungsanlagen. Hiergegen formiert sich in der Bevölkerung vielerorts breiter Widerstand, wie auch bei dem geplanten Schlachthof in Wietze im Landkreis Celle.
Frau Kollegin, einen Moment, bitte! - Wir haben jetzt alle Möglichkeiten, auch diese schwierige Diskussion diszipliniert durchzuführen. Aber wenn es andauernd zu laut ist, werde ich konsequent die Sitzung unterbrechen - damit das von vornherein klar ist.
Parallel dazu entwickelt sich in Niedersachsen ein regelrechter „Bauboom“ von Massentierhaltungsanlagen. Hiergegen formiert sich in der Bevölkerung vielerorts breiter Widerstand, wie auch bei dem geplanten Schlachthof in Wietze im Landkreis Celle.
Die Medien greifen das komplexe Themenfeld mit großer Resonanz auf. Schlagworte wie „Qualzucht“, „Ethik“, „Moral“, „Tiergesundheit“, „Einsatz von Medikamenten“, „Agrarindustrie“ bestimmen die Debatte in zahlreichen Berichten. Staatssekretär Ripke bestätigte erhebliche Handlungsdefizite bei Zucht und Mast von Geflügel. Aktuell wurden die erhöhte Keimbelastung und fehlende Brandschutzauflagen in großen Geflügelställen im Landkreis Emsland als Themen zur Verhinderung von Massentierhaltungsanlagen aufgeworfen. Auch die grundsätzliche Frage nach der Art und Weise von landwirtschaftlichen Betrieben sowie der Bau- und Genehmigungspraxis steht im Fokus der kritischen Diskussion. Im Fachmagazin TopAgrar online wurde am 5. Oktober 2010 ein Artikel des Marktexperten Professor Windhorst veröffentlicht, der zudem vor Überkapazitäten am Geflügelmarkt warnt. Diese Position hat Professor Windhorst auch bei einer Unterrichtung im Ausschuss am 22. Oktober 2010 bestätigt.
1. Wie schätzt die Landesregierung die Situation der Intensivtierhaltung in Niedersachsen vor dem Hintergrund der Aussagen von Professor Windhorst ein?
2. Wie beurteilt die Landesregierung die Auswirkungen der Planungs- und Genehmigungspraxis von Intensivtierhaltungsanlagen im Außenbereich in Verbindung mit den massiven Bürgerprotesten in ganz Niedersachsen, und wie wird sie in Zukunft damit umgehen?
3. Wie beurteilt die Landesregierung die Entwicklung der Tierhaltung unter Aspekten der Tiergesundheit/des Tierschutzes, und wie schätzt sie die Auswirkungen des zunehmenden Medikamenteneinsatzes in der folgenden Nahrungskette ein?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte vorwegschicken, liebe SPD-Fraktion, dass der von Ihnen gewählte Titel „Intensivtierhaltung: Fluch oder Segen, Tierschutz oder Kommerz?“ natürlich Schwarz-WeißMalerei, unsachlich und damit nicht zielführend ist.
Die Landesregierung ist sich durchaus des spezifischen Spannungsfeldes, in dem sich die Nutztierhaltung befindet, und der dabei relevanten Anforderungen bewusst. Tierschutz einschließlich Tiergesundheit, Umweltschutz, Klimaschutz, Verbraucherschutz sowie auch die Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe müssen miteinander in Einklang gebracht werden. Der zunehmende Wettbewerb und natürlich auch das preisbewusste Einkaufsverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher bedingen, dass nutztierhaltende Landwirte ihre Betriebskosten optimieren, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Daraus resultieren moderne Tierhaltungsformen. Ich möchte betonen, dass hierbei die Haltung einer großen Anzahl von Tieren in einem landwirtschaftlichen Betrieb jedoch
Die Landesregierung sieht angesichts der Bedeutung der Tierhaltung im Land Niedersachsen eine besondere Verantwortung für die weitere Entwicklung einer tiergerechten Haltung von Nutztieren.
Zu Frage 1: Professor Windhorst hat im einem Fachartikel - den haben Sie eben zitiert - im September dieses Jahres darauf hingewiesen, dass sowohl die aktuell im Bau befindlichen Schlachtkapazitäten als auch die geplanten Neu- und Erweiterungsbauten von Schlachtbetrieben für Hähnchen zu Überkapazitäten führen könnten. Er hat im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung - den hat er am 22. Oktober dieses Jahres besucht - erläutert, dass er seine Äußerungen als Hinweis an die Landwirte verstanden wissen will, dass eine sorgfältige einzelbetriebliche Planung in diesem Sektor unerlässlich ist, weil sich die Landwirte bei Teilnahme am internationalen Markt des Risikos der schwankenden Preise natürlich bewusst sein müssen.
Die Landesregierung geht davon aus, dass die landwirtschaftlichen Unternehmer alle zur Verfügung stehenden Informationen für ihre Entscheidungen über die erforderlichen hohen Investitionssummen nutzen werden und im eigenen Interesse entsprechend Kalkulationen vornehmen.
Zu Frage 2: Die Landesregierung hat wiederholt darauf hingewiesen - meine Kollegin Frau Özkan hat es gerade sehr ausführlich getan -, dass die Planungs- und Steuerungsinstrumente für den Bau von Tierhaltungen im Außenbereich auf der kommunalen Ebene vorhanden sind und ausreichen.
Dabei sollte für alle Beteiligten die frühzeitige Information der Bevölkerung in einem transparenten Stallbaugenehmigungsverfahren genauso selbstverständlich sein wie ein gewisses Verständnis und auch Entgegenkommen für notwendige betriebliche Entwicklungen.
Zu Frage 3: Ein zwingender Zusammenhang - ich habe es eben schon erwähnt - zwischen der Haltung großer Anzahlen von Nutztieren und nicht hinreichenden Haltungsbedingungen besteht nicht. Das hat sich bei Überwachungsmaßnahmen, insbesondere auch bei Cross-Compliance-Kontrollen, deutlich herausgestellt. Wenn durch geeignete bauliche Voraussetzungen und ein adäquates Bestandsmanagement inklusive einer guten tierärztlichen Betreuung entsprechende Bedingungen geschaffen sind, können gesundheitliche Probleme in den Beständen auf einem niedrigen Niveau gehalten werden.
Unter den Gesichtspunkten Tierschutz und Tiergesundheit ist zudem generell - auch das haben wir schon angesprochen - und damit unabhängig von der Größenordnung der Bestände die Gesamtvitalität der Tiere bei der Zuchtauswahl natürlich stärker zu berücksichtigen. Um hier eine EU-weite Kooperation zu erreichen - ich denke, das ist aus Wettbewerbsgründen auch notwendig -, habe ich mich zum Beispiel am 1. Oktober dieses Jahres mit einem entsprechenden Schreiben an den für Tierschutz zuständigen EU-Kommissar Dalli gewandt.
Hinsichtlich des Medikamenteneinsatzes in der Tierhaltung ist eine Arzneimittelanwendung - das möchte ich ganz klar sagen -, die nicht der medizinisch erforderlichen Behandlung erkrankter Tiere dient, unzulässig und auch nicht zu tolerieren.
Ist ein Bestand erkrankt, ergibt sich aus Tierschutzgründen eine Behandlungspflicht, die von den Veterinären entsprechend begleitet und auch in Unterlagen dokumentiert werden muss. Soweit die Behandlungen sachgerecht durchgeführt und die Wartezeiten bis zur Gewinnung von Lebensmitteln eingehalten werden, sind Rückstandsprobleme - das möchte ich deutlich hervorheben - nicht zu erwarten. Auch das Risiko der Begünstigung von Resistenzentstehungen ist minimiert.
Ob Arzneimittel rechtskonform verwendet und insbesondere die Wartezeiten eingehalten werden, wird laufend durch Untersuchungen nach dem nationalen Rückstandskontrollbericht durchgeführt.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel oder eine Zahl nennen: Von 3 749 Proben, die allein im Geflügelbereich im Jahr 2009 auf Erzeuger- und Schlachtebene untersucht wurden, konnte lediglich bei einer Probe eine Antibiotikahöchstmengenüberschreitung festgestellt werden. Die Entwicklung der Antibiotikaresistenzen wird seit dem letzten Jahr - das noch ergänzend - im Rahmen des bundesweiten Zoonose-Monitorings mit erfasst. Schlüssige Trendanalysen werden erst zum Ende des auf drei Jahre angelegten Probeentnahmezyklus, nämlich im Jahr 2012, erfolgen können.
(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Was? - Jens Nacke [CDU]: Wieso denn nicht? - Weitere Zurufe von der CDU - Gegenruf von Wiard Siebels [SPD]: Schön ruhig!)
- Wenn die Antwort, Herr Kollege, so gut gewesen wäre, wie diese Bewertung schlecht war, dann hätten wir vielleicht etwas davon lernen können. Aber das war wohl nichts.
Staatssekretär Ripke hat im Ausschuss in nicht öffentlicher Sitzung einen massiven Handlungsbedarf in eigentlich allen Bereichen der Geflügelmast dargestellt. Ich frage die Landesregierung: Kann die Landesregierung hier in öffentlicher Sitzung diese konkreten Problembereiche benennen und ihre Lösungsansätze gerade für die Hähnchen- und die Putenmast darlegen?