Protocol of the Session on November 9, 2010

vorhin behauptet, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Gerd Ludwig Will [SPD]: Ach ja!)

Ich habe ein wenig den Eindruck, dass die SPD jetzt sauer ist, weil ihr mit dem Vorschlag zur Einrichtung einer niedersächsischen Oberschule durch den Kultusminister und die Fraktionen von CDU und FDP ein Wahlkampfthema verloren geht. Das ist der eigentliche Grund, warum Sie hier so reden, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Wir wollen die vor uns liegenden Herausforderungen ausdrücklich meistern. Eine wesentliche Herausforderung der nächsten Jahre wird darin bestehen, angemessen auf den demografischen Wandel zu reagieren. Mit dem Konzept des Kultusministers zur zukünftigen Schulstruktur in Niedersachsen stellt diese Landesregierung die Weichen für die Zukunft richtig und reagiert auf die veränderten Rahmenbedingungen. Wir werden es bis zum Jahr 2020 erleben, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler landesweit um rund 25 % sinkt, in einigen Teilen des Landes sogar um bis zu 40 %. Es werden rund 178 000 Schülerinnen und Schüler weniger unterrichtet werden als noch im Jahr 2010.

Bereits heute sind rund 120 Haupt- und Realschulen in Niedersachsen im fünften Jahrgang einzügig, fast 400 Haupt- und Realschulen sind dreizügig oder kleiner. Diese Schulstandorte sollen gesichert, und insbesondere im ländlichen Raum soll eine wohnortnahe Beschulung ermöglicht werden. Sicherlich wäre es falsch, heute zu behaupten, dass jeder dieser Schulstandorte bis 2020 und darüber hinaus erhalten bleiben kann. Aber es wäre genauso falsch, es den Schulträgern nicht zu ermöglichen, den Standort dieser Schulen mit flexiblen Angeboten zu sichern.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Natürlich wäre es auch falsch, das veränderte Anwahlverhalten der Eltern nicht zur Kenntnis zu nehmen. Trotz der guten Arbeit in den Hauptschulen ist es einigen gesellschaftlichen Kräften am Ende leider gelungen, die Hauptschulen kaputt zu reden

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

und damit den jungen Menschen eine Perspektive zu rauben. Deswegen ist es richtig, den Schulträgern die Möglichkeit zu geben, die Hauptschulen fortzuführen oder durch die Oberschule zu ersetzen. Entscheidend ist, dass wir die bewährten Maßnahmen an den Hauptschulen -

(Claus Peter Poppe [SPD]: Bewährt!)

Stichworte „Hauptschulprofilierungsprogramm“, „vertiefte Berufsorientierung“, „Praxistage“ -

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Alles ge- scheitert!)

und die Arbeit mit den Sozialpädagogen in die Oberschule integrieren. Dabei hat der Kultusminister ausdrücklich unsere Unterstützung.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Der Kultusminister hat vorhin deutlich gemacht, dass die Abbrecherquote in den Jahren seit 2003 - seitdem wir regieren - von damals 10,4 % unter der SPD auf heute 6,2 % gesunken ist. Das ist ausdrücklich auch ein Erfolg des Hauptschulprofilierungsprogramms und unserer Schulpolitik, meine Damen und Herren. Das haben wir geschafft, und das hat im Übrigen auch etwas mit sozialer Gerechtigkeit zu tun.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der FDP geht es an dieser Stelle um die Schülerinnen und Schüler und um einen optimalen Lernerfolg. Ich habe manchmal den Eindruck - das ist in Ihren beiden Reden auch deutlich geworden -, dass es Ihnen ausschließlich um das Türschild geht. Sie wollen an jede Schule in Niedersachsen das Schild „Einheitsschule“ hängen. Am Ende sind Sie für den Frieden mit den Funktionären bereit, das Erfolgsmodell Gymnasium zu opfern.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist eine Unterstellung, Herr Dürr!)

Wir haben mit dem Gymnasium in Niedersachsen eine höchst erfolgreiche Schulform. Deswegen will ich deutlich sagen: Wer die eine Schule für alle will, der gibt das Gymnasium für alle auf. Das ist mit CDU und FDP nicht zu machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Denn die Eltern wünschen sich für ihre Kinder eine optimale Lernumgebung und die Chance, durch eine hohe Durchlässigkeit sämtliche Bildungsabschlüsse erreichen zu können. Dieser Wunsch ist mehr als verständlich. Die Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder in der Schule entsprechend ihren Fähigkeiten gefördert, aber auch gefordert werden. Auch diesem Wunsch kommen wir mit dem Konzept der Oberschule entgegen.

Ziele der FDP in der Diskussion der letzten Wochen und Monate sind gewesen: erstens ein wohnortnahes Schulangebot vorzuhalten, zweitens mehr Perspektiven für den Einzelnen zu eröffnen und seine Chancen und Möglichkeiten zur Förderung zu erhöhen und damit drittens die Bildungsqualität in Niedersachsen nachhaltig zu verbessern. Das schafft dieses Schulmodell, aber nicht das Schulmodell der Opposition, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Mit der Möglichkeit der Zweizügigkeit der Oberschule reagieren wir auf den demografischen Wandel und ermöglichen den Schulträgern, auch kleinere Schulstandorte langfristig zu erhalten. Mit der Möglichkeit der Einrichtung eines gymnasialen Leistungsangebots schaffen wir die Chance, auch im ländlichen Raum ein entsprechendes Angebot vorzuhalten, sodass lange Schulwege zu den Gymnasien durch eine Kooperation mit den Gymnasien - der Kultusminister hat das vorhin vorgestellt - verkürzt werden können.

Die Schulen bzw. Schulträger können so mit flexiblen Strukturen individuelle Lösungen, vor allem im ländlichen Raum, ermöglichen. Und, meine Damen und Herren, darum geht es eigentlich: individuelle Lösungen vor Ort. Denn gute Schule - das wissen eigentlich alle Schulpolitiker - wird vor Ort gemacht. Deswegen haben wir in der vergangenen Wahlperiode die Eigenverantwortliche Schule eingeführt. Das ist eine Frage der Ausstattung, aber es ist - das sage ich ganz deutlich - auch eine Frage der politischen Anerkennung von Schulformen. CDU und FDP stehen zu einem differenzierten und pluralen Schulsystem in Niedersachsen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Mit der Einführung der Oberschule wollen wir zugleich die Bildungsqualität weiterhin verbessern. Deshalb wollen wir Bewährtes ausbauen und weiterentwickeln und die Rahmenbedingungen attraktiv gestalten. Die FDP begrüßt es deshalb erstens ausdrücklich, dass der Kultusminister eine Klas

sengröße von 28 Schülerinnen und Schülern in der Oberschule vorsieht. Die FDP-Fraktion wird den Minister dahin gehend unterstützen, nach Möglichkeit sogar eine Klassenobergrenze von 26 Schülern zu erreichen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zweitens begrüßen wir ebenfalls die Ausstattung der Oberschulen mit ausreichend Sozialpädagogen. Damit werden wir zum Teil Leistungen der Kommunen übernehmen. Aber es ist unstrittig, dass in der heutigen Zeit Sozialpädagogen in den Schulen notwendig sind.

Drittens zum Thema Ganztagsschule: Vielerorts wünschen sich Eltern verpflichtende Ganztagsschulen. Wir haben immer deutlich gemacht, dass das ein langfristiges Ziel sein kann. CDU und FDP beweisen mit dem Landeshaushalt 2011, dass sie bereit sind, die Oberschule auch finanziell ordentlich auszustatten. Das ist ein Versprechen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aber den Schülern soll nicht nur nach der Oberschule jeder Weg offenstehen, sondern nach der Grundschule natürlich auch der Weg in die bereits erwähnte Integrierte Gesamtschule. Die IGS als Ergänzung zum Regelschulsystem kann sinnvoll sein. In den Jahren 2009 und 2010 wurden als solche Ergänzung 32 neue Gesamtschulen in Niedersachsen zugelassen. Meine Damen und Herren, ich finde, das ist eine beachtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass man uns eigentlich vorwirft, wie hoch die Hürden zu den Gesamtschulen sind.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)

Wir wollen die Integrierten Gesamtschulen als Ergänzung zum Regelschulsystem. Das Regelschulsystem seinerseits wird zukünftig aus den fortgeführten Haupt- und Realschulen, den Oberschulen und den Gymnasien bestehen. Damit machen wir deutlich, dass wir jedem Schüler in Niedersachsen eine Lernumgebung bieten können, die ihm gerecht wird, die ihn fördert, die ihn fordert und die ihm jede Entwicklungsperspektive gibt. Ihre Angst vor der Oberschule, meine Damen und Herren, war heute erneut mit Händen zu greifen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Mit der zukünftigen Schulstruktur, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir nicht nur das Bildungsangebot im ländlichen Raum sichern und am Ende sogar verbreitern, sondern auch die Bil

dungsqualität in ganz Niedersachsen deutlich verbessern. Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von CDU und FDP haben die Weichen hierfür richtig gestellt, und Sie können jetzt entscheiden, ob Sie auf diesen Zug aufspringen oder - wie so oft - die Schienen blockieren.

Herzlichen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Frau Reichwaldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Und sie bewegt sich nicht! - Herr Minister Althusmann, was Sie hier vorgelegt haben, ist kein annehmbares Angebot für einen Schulkonsens.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie werden die Folgen spüren. Sie wollen die Weichen für Niedersachsens Schulen richtig stellen. Passen Sie auf, dass Sie nicht aufs Abstellgleis geraten!

Sie haben in Ihrer Regierungserklärung gesagt, Sie wollen Chancengerechtigkeit sichern. Das, Herr Minister, halte ich wirklich für eine gewagte Formulierung; denn gerecht ist unser Bildungssystem nicht, schon gar nicht in Niedersachsen. Aber genau darum geht es bei unserem vehementen Eintreten für die Integrierte Gesamtschule als gleichberechtigte Schulform. Uns wird an dieser Stelle in der Regel ideologische Verbohrtheit oder Gleichmacherei vorgeworfen. Nein, das ist es nicht.

Lassen Sie mich auf meine Utopie von Schule eingehen. Das ist eine Schule mit kleinen, heterogenen Lerngruppen mit nicht mehr als 20 Schülerinnen und Schülern, in der jeder individuell gefördert werden kann und die ausschließlich bildungsdifferenziert arbeitet - natürlich mit den entsprechenden Rahmenbedingungen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wie sehen sie denn aus?)

Eine Utopie, natürlich! Welche andere existierende Schulform als die Integrierte Gesamtschule könnte dorthin führen?

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich habe 1974 in Hannover mein Abitur gemacht. 1971 wurden die IGSen in Niedersachsen zugelassen. Ich habe eine solche Schule nicht besucht. Ich war auf einem Gymnasium - meine Familie legte gerade darauf Wert -, und ich hatte dadurch Vorteile. Die letzten Schuljahre habe ich genossen und eine gute Allgemeinbildung erhalten. Aber etwas ist mir in diesen Jahren klar geworden: Auch wenn mir die Schule leichtfiel - ich hatte einfach Glück, aus einem solchen Elternhaus zu kommen. Der Bildungsstand und die soziale Herkunft der Eltern entscheiden über den Schulerfolg der Kinder. Das ist auch heute noch so. Die Zahl, dass nur 4,4 % der Kinder an Gymnasien aus Hartz-IV-Familien stammen, können Sie nicht bestreiten.