Protocol of the Session on October 7, 2010

Weitere Wortmeldungen für Zusatzfragen zu diesem Punkt liegen mir nicht vor.

(Johanne Modder [SPD]: Nicht ge- schafft! - Hans-Christian Biallas [CDU]: Wir hätten noch 30 Fragen gehabt!)

Ich rufe die Frage 2 auf:

Welche Vorstellungen hat die Landesregierung zur zukünftigen Schulstruktur?

(Minister Hartmut Möllring begibt sich zum Redepult - Ulf Thiele [CDU]: Ich möchte die Antwort gerne noch ha- ben! - Weitere Zurufe)

- Es ist wunderschön, wenn Sie die Antworten haben wollen und die anderen Nein sagen. Ich habe trotzdem schon die Frage Nr. 2 aufgerufen. Sie wird von der SPD-Fraktion eingebracht. Frau Kollegin Seeler hat sich zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den Medien war zu lesen, dass Kultusminister Dr. Althusmann zu einem großen Bildungsgipfel einladen wolle. Zugleich führt der Minister Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden und den bildungspolitischen Verbänden über die zukünftige Schulstruktur in Niedersachsen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Mit welchen eigenen Vorstellungen über die zukünftige Struktur der niedersächsischen Schullandschaft wird die Landesregierung in die weiteren Gespräche der Arbeitgruppe mit den kommunalen Spitzenverbänden und den bildungspolitischen Verbänden während des angekündigten Bildungsgipfels gehen?

2. Mit welchem Ziel wird Kultusminister Dr. Althusmann wann und wen zum Bildungsgipfel einladen?

3. Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag der FDP-Landtagsfraktion Niedersachsen zur Abschaffung der Hauptschulen, der Realschulen sowie der Kooperativen und Integrierten Gesamtschulen zugunsten einer sogenannten Niedersachsenschule?

(Zustimmung bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Seeler. - Für die Landesregierung hat Herr Minister Dr. Althusmann das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Für Niedersachsen wird ein Rückgang der Schülerzahlen bis 2020 um rund 25 %, zum Teil regional sehr unterschiedlich, prognostiziert. Entsprechend der schulgesetzlichen Aufgabenverteilung haben die Schulträger das notwendige Schulangebot und die erforderlichen Schulanlagen vorzuhalten. Die veränderten demografischen Rahmenbedingungen stellen daher nicht nur das Land, sondern natürlicherweise auch die Kommunen vor besondere und zentrale Herausforderungen.

Die Anpassung der Bildungsinfrastruktur ist stetige und ständige Aufgabe, da die Schullandschaft durch den demografischen Wandel einem sehr hohen Veränderungsdruck unterliegt. Die kommunalen Schulträger stellen zum Teil schon ihre örtliche Schullandschaft auf den Prüfstand, um auch in Zukunft ein sachgerechtes Bildungsangebot machen zu können. Darum steht die Landesregierung in einem ständigen Dialog mit den Kommunen und hat unter Federführung des Kultusministeriums eine vom Ministerpräsidenten David McAllister eingesetzte Arbeitsgemeinschaft Schulstruktur konstituiert. In der AG Schulstruktur erörtern Landesregierung und kommunale Spitzenverbände gemeinsam die zukünftige Ausgestaltung der Schullandschaft in Niedersachsen. Die AG hat auf meine Einladung bislang bereits zweimal getagt und darüber beraten, wie die Schulstrukturen in Niedersachsen unter Berücksichtigung des regional unterschiedlichen Schülerrückgangs behutsam zukunftsfest fortentwickelt werden können. Das MK wird im Herbst einen Vorschlag vorstellen und diesen gemeinsam mit allen an Bildung Beteiligten in Niedersachsen beraten.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich im Namen der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1: Die Landesregierung wird gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden und den bildungspolitischen Verbänden alle möglichen Optionen beraten, die zu einer zukunftsfesten Weiterentwicklung demografiefester Schulstrukturen beitragen. Eine Konzeption für Niedersachsen wird meines Erachtens folgende Eckpunkte beachten müssen:

Erstens. Der Rückgang der Schülerzahlen wird die jeweiligen Regionen Niedersachsens sehr unterschiedlich betreffen. Besonders im Primarbereich werden die verantwortlichen kommunalen Schulträger vor große Herausforderungen im Rahmen ihrer Schulentwicklungsplanung gestellt. Dabei wird die Landesregierung die Kommunen im Besonderen mit Blick auf den Primarbereich beraten und unterstützen müssen.

Zweitens. Der demografische Wandel wird in den nächsten Jahren unstrittig auch den weiterführenden Schulbereich und dabei alle Schulformen betreffen. Bekanntlich standen und stehen zum Teil alle Bundesländer vor der Frage, wie die Fortentwicklung von Hauptschulen und Realschulen angesichts des Schülerrückgangs und des Anwahlverhaltens der Eltern der Schüler gestaltet werden kann.

Die bildungspolitischen Antworten in den Ländern fallen insbesondere mit Blick auf den Bildungsgang Hauptschule sehr unterschiedlich aus. Erste Weichenstellungen wurden durch schulgesetzliche Änderungen bereits in 2009 vorgenommen. Die Gymnasien sind mit einem durchschnittlichen Anwahlverhalten von über 40 % stark und in der Regel gut für die Zukunft aufgestellt. Die seit 2008 neu errichteten Gesamtschulen gefährden diese im Bestand nicht. Die Neugründung von Gesamtschulen erfolgt in erster Linie zulasten bestehender Haupt- und Realschulen.

Dritter Eckpunkt. Derzeit tragfähige Schulstrukturen sollten in ihrem Bestand nicht gefährdet werden. Niedersachsens regionale Unterschiedlichkeit zwischen Harz und Heide, ländlichem Raum und städtischen Ballungszentren, differenzierten Schulträgermodellen sollte in einem tragfähigen Konzept für die nächsten Jahre Berücksichtigung finden.

Vierter Eckpunkt. Neben kommunalen Standorten steht für die Landesregierung die Sicherung der

Schulqualität in einem differenzierten Schulwesen im Vordergrund.

Zu Frage 2: Der Bildungsgipfel soll dazu dienen, mit allen an schulischer Bildung in Niedersachsen Beteiligten im Herbst die jeweiligen Erwartungen und Vorstellungen an die zukünftige Schulstruktur in Niedersachsen auszutauschen, um unter Fortentwicklung der Schulstruktur den Schülerinnen und Schülern in Niedersachsen bestmögliche Bildungschancen zu bieten. Dabei gilt es, neben den Standortfragen auch die qualitativ-inhaltliche Ausgestaltung des schulischen Bildungswesens in den Blick zu nehmen.

Voraussichtlich Ende Oktober werden eingeladen: die Fraktionen von CDU, FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, die Kommunalen Spitzenverbände - NLT, Städtetag und Städte- und Gemeindebund -, der Schulleitungsverband Niedersachsen, der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte - VLR/VDR -, der Philologenverband, die Direktorenvereinigung, der Grundschullehrerverband, der Berufsschullehrerverband Niedersachsen, die Arbeitsgemeinschaft freier Schulen in Niedersachsen, der Verband deutscher Privatschulen Niedersachsen/Bremen, VdP, der Verband Sonderpädagogik Niedersachsen, der Verband Bildung und Erziehung Niedersachsen, die GEW, der Landeselternrat, der Landesschülerrat, die Landesvertretung der Handwerkskammern, die Niedersächsischen Unternehmerverbände, die Niedersächsische Industrie- und Handelskammer sowie die IHK Braunschweig und Hannover, die Vertreter der Kirchen, evangelische und katholische Kirche.

Zu 3: Der Vorschlag der FDP-Fraktion ist ein interessanter Diskussionsbeitrag. Der Vorschlag ist hilfreich für die weitere Debatte und wird in die Diskussion einfließen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Diese Wort- wahl würde normalerweise auf die Beerdigung des Vorschlags Erster Klasse hindeuten!)

In der AG Schulstruktur werden viele Optionen abgewogen, Herr Jüttner, unter anderem auch Zweisäulenmodelle, wie das von der FDP-Fraktion vorgeschlagene. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass es bei der Vielzahl unterschiedlichster Modelle, wie es sie auch in anderen Bundesländern gibt, sehr auf die Details der inhaltlichen Ausgestaltung ankommt.

Nach Kenntnis der Landesregierung sieht das FDP-Modell im Gegensatz zur Behauptung in der Fragestellung offenbar einen Bestandsschutz für bestehende Schulformen vor. Da die Landesregierung derzeit noch an einer tragfähigen Konzeption arbeitet, ist sichergestellt, dass einige der bereits vorliegenden Vorschläge - gegebenenfalls auch der Opposition - Eingang in unsere Überlegungen finden können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Die erste Zusatzfrage kommt von der SPD-Fraktion. Frau Kollegin Weddige-Degenhard, bitte!

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Es ist doch alles beantwortet! - Kreszentia Flau- ger [LINKE]: Das hat Sie eben auch nicht von 60 weiteren Fragen ab- gehalten!)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, da Sie eben gesagt haben, dass der Vorschlag der FDP-Fraktion, die Niedersachsenschule, eine mögliche Option ist, frage ich Sie, ob die Landesregierung angesichts der zurückgehenden Schülerzahlen, insbesondere in den Hauptschulen, die Einführung einer neuen Schulform beabsichtigt.

Die Frage ist angekommen. - Herr Minister Althusmann, Sie haben das Wort.

Frau Abgeordnete Weddige-Degenhard, selbstverständlich ist auch das eine Option, die die Landesregierung in Erwägung zieht und auch mit der Arbeitsgruppe der kommunalen Spitzenverbände in Betracht gezogen hat. Das ist ein völlig normaler Vorgang, weil - wie ich erwähnt habe - alle Bundesländer darüber nachdenken, wie sie neben dem Gymnasium im Kern den Sekundarbereich I organisieren können. Das FDP-Modell wird von uns mit in die Beratung einbezogen, wobei ich darauf aufmerksam machen muss, dass es in einigen Punkten, so etwa in der Frage der inhaltlichen Ausdifferenzierung, Profilierungsmöglichkeiten bzw. Wertungsmöglichkeiten gibt, und natürlich auch die Frage gestellt werden kann, ob die Problematik, was den Erwerb des Abiturs nach 13

Schuljahren in Konkurrenz zum Erwerb des Abiturs nach 12 Schuljahren angeht, inhaltlich von uns geteilt wird. Die FDP-Fraktion hat meines Wissens angekündigt, dass ihr Vorschlag nicht in Stein gemeißelt ist, sondern ein Beitrag war, der uns bei der Vielzahl der in allen Ländern - auch bei uns in Niedersachsen - entstehenden Vorstellungen über die richtige Organisation, z. B. der Zusammenfassung von Haupt- und Realschule, Orientierung geben kann.

Wir haben dazu im Jahre 2009 schon eine Weichenstellung vorgenommen. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, dass Haupt- und Realschulen - ich erwähnte es heute Morgen bereits - zusammenarbeiten können, dass Hauptschulen und berufsbildende Schulen zusammenarbeiten können und dass die Frage der Berufsorientierung eine besondere Rolle bekommt. Ich meine schon, dass es in einer vernünftigen Fortentwicklung der Schulstrukturen in Niedersachsen von Vorteil wäre, wenn wir den beruflichen Bildungsbereich stärker in den Fokus nehmen würden. Immerhin kommen 42 % der Hochschulzugangsberechtigten aus dem Bereich der beruflichen Bildung. Insofern sollte es nicht nur eine Debatte über die gymnasiale Bildung geben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion stellt Frau Kollegin Heiligenstadt eine weitere Zusatzfrage. Bitte schön!

(Zuruf von Ministerpräsident David McAllister)

- Herr McAllister, aber nicht von der Regierungsbank!

(Johanne Modder [SPD]: Also doch Fraktionsvorsitzender!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da in der letzten Woche auf Einladung des Landeselternrates ein Treffen von fast allen bildungspolitischen Verbänden und den hier im Landtag vertretenen Fraktionen beim Landeselternrat stattgefunden hat, bei dem sich nahezu alle - nicht alle, aber nahezu alle - auf ganz konkrete Formulierungen und Forderungen haben einigen können, wie z. B. die Herabsetzung der Fünfzügigkeit für die Errichtung von neuen Gesamtschulen und die Streichung des 14-jährigen Prognosezeitraums bei der Errichtung von neuen Gesamtschu

len, frage ich die Landesregierung, wie sie die Vorschläge nahezu aller Verbände bewertet.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Heiligenstadt. - Herr Minister Althusmann, Sie haben das Wort.

Ich persönlich bin der Meinung, Frau Kollegin Heiligenstadt, es kommt ein ausgesprochen großes Vertrauen des Landeselternrates gegenüber dieser Landesregierung darin zum Ausdruck, dass im Vorfeld des ohnehin von uns geplanten Gesprächs - runder Tisch, Gipfel oder wie man es auch immer nennen will - ein Gipfel stattgefunden hat, auf dem die Landesregierung, also ich in Person, darüber unterrichtet wurde, dass das überhaupt so geplant ist.

Man hat mir das völlig offen und transparent dargelegt. Ich finde, das ist ein gutes Zeichen, ein Zeichen für eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Eltern in Niedersachsen und dieser Landesregierung. Man hat mir im Vorfeld gesagt, man wolle sich über ein paar Eckpunkte verständigen. Es wurde dort über die Frage der Zügigkeiten genauso intensiv diskutiert wie über die Frage der Zukunft der Hauptschule und der Realschule oder über die Frage des Rückkehrrechts zum Abitur nach 13 Jahren. Ich kann Ihnen lediglich sagen, dass wir diese Vorschläge des Landeselternrates aus meiner Sicht am Ende zu einem großen Teil mit in unser Konzept werden einfließen lassen können.

Die hauptsächliche politische Frage, die tatsächliche Kernfrage, die in allen Fraktionen immer wieder zu Recht gestellt wird, ist die Frage nach der Zügigkeit, insbesondere der der Gesamtschulen. Für die Frage der Zügigkeit hatte es im Jahre 2008 nach Aufhebung des Neugründungsverbots eine ausdrücklich auch pädagogisch begründete Formulierung gegeben.

(Zuruf von Wolfgang Jüttner [SPD])