Der renommierte ÖPP-Kritiker Werner Rügemer charakterisiert diese Finanzmodelle wie folgt - ich zitiere -:
„Die ÖPP-Investoren verbergen sich hinter anonymen, verwinkelten Rechtskonstruktionen, ihre Geldflüsse und internen Effizienzgewinne sollen geheim bleiben. Die finanziellen Verpflichtungen des Staates und der Kommunen werden ohne demokratische Kontrolle an unbekannte Finanzakteure weiterverkauft. Der Staat geht langfristige Verpflichtungen ein, die den Bürgern sowieso, aber selbst den Parlamenten verheimlicht werden. Solche Praktiken sind einer Demokratie unwürdig.“
Meine Damen und Herren, wer solche Praktiken vermeiden will, muss Licht ins Dunkel bringen. Um dazu beizutragen, hat meine Partei in Lüneburg und die gesamte Opposition im Wissenschaftsausschuss um Informationen gebeten. Doch die bisherigen Auskünfte und die Vielzahl offener Fragen bestätigen die grundsätzliche ÖPP-Kritik auch in diesem Fall. Und das Verhalten der Mitglieder der Landesregierung spricht für sich. Obwohl es um gewichtige Landesinteressen geht, ist man seit Wochen nicht bereit, sich öffentlich zu diesem Thema zu äußern. Diverse Presseanfragen wurden abgelehnt, man wollte nichts und man konnte wohl auch nichts sagen.
Mit beidem kommen Sie, Frau Wanka, jetzt nicht mehr durch. Sowohl der Landtag als auch die Menschen in diesem Land haben ein Recht darauf, zu erfahren, ob diese Landesregierung die Interessen der Lüneburger Studierenden und Lehrenden sowie der Steuerzahler vertritt oder ob sie sich weiter auf der Nase herumtanzen lässt.
Erstens: die finanziellen Risiken. Wir haben in unserem Entschließungsantrag ausgeführt, dass sämtliche Drittmittel für den Bau unsicher sind. Es liegt nicht eine verbindliche Zusage vor. Die Mittel von Stadt und Landkreis sind vertragsgemäß an eine deutliche Steigerung der Studierendenzahlen gebunden. Der Präsident der Hochschule lehnt dies aber ab. Zudem wird in einem weiteren zentralen Punkt die Rahmenvereinbarung gebrochen, wenn die Leuphana nicht Betreiberin des Zentralgebäudes sein wird. Auf die Fördermittel des Bundes wird allseits gehofft, verbindliche Entscheidungen liegen nicht vor. Die EU-Mittel sind zeitlich eng gebunden. Schon kleinere Verzögerungen beim Bau oder beim Mittelabruf werden den Zeitplan ins Rutschen bringen.
Dass hier Gefahren drohen, davon zeugen auch die aktuellen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Wirtschafts- und dem Wissenschaftsministerium. Wenn es auch nur bei einem dieser Zuschüsse zu Problemen kommt und nach Baubeginn eine Bauruine droht, ist es das Land, das ohne jede Vorplanung einspringen muss. Ein solches Szenario, meine Damen und Herren, müssen wir verhindern.
Zweitens: Das Projekt ist überdimensioniert. Die Studierendenvertretung der Leuphana hat sehr anschaulich vorgerechnet, dass das Audimax, das das Herzstück des neuen Gebäudes sein wird, am Bedarf vorbei konzipiert wurde. Der AStA spricht von einer Auslastung an - ich zitiere - „einem Tag pro Woche in der Vorlesungszeit des Wintersemesters plus an drei zusätzlichen Tagen.“
Meine Damen und Herren, das sind keine 20 Tage im Jahr. Hinzu kommt, dass zur Finanzierung am Standort Volgershall ein Unigebäude zu einem Spottpreis verkauft werden soll, für das das Land vor gut zehn Jahren noch rund 22 Millionen Euro ausgegeben hat. So geht man nicht mit den Investitionen des Landes um.
Drittens: das Betreiberdesaster. Eine Frage drängt sich geradezu auf: Warum braucht das Projekt einen privaten Partner, warum ÖPP? Die Spitze der Uni sucht nur noch einen privaten Betreiber, aber keinen Investor mehr für die Errichtung des
Gebäudes. Ein privater Betreiber hat zur Folge, dass die Hochschule einen Mietvertrag mit ihm schließen muss und außerhalb der im Vertrag vereinbarten Zeiten keinen Anspruch auf Nutzung der Räumlichkeiten hat. Die Uni ist also nicht mehr Herr im eigenen Hause. Dann hat man zwar nichts mehr zu sagen, muss aber dem privaten Betreiber, der keinen Cent in die Errichtung investiert hat, fortan hohe Mietsummen zahlen. Meine Damen und Herren, solche Konstruktionen sind mit der Linken nie und nimmer zu machen.
Das Projekt Zentralgebäude für die Leuphana Universität hakt hinten und vorne. Es ist intransparent und setzt eindeutig Landesinteressen aufs Spiel. Der Landtag muss in die Verträge und Absprachen eingeweiht werden. Wir fordern die Landesregierung auf, das Projekt zu überarbeiten. Es kann nicht sein, dass in Lüneburg Landesvermögen verschleudert wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer Vorbemerkung beginnen: Als der Landtag 2004 mit Zustimmung aller Fraktionen beschloss, die Universität Lüneburg und die Fachhochschule Nordostniedersachsen zu vereinen, war damit die Hoffnung verbunden, den Hochschulstandort Lüneburg auf Dauer zu festigen. Mit breit aufgestellten Fakultäten und einer Größe von über 10 000 Studierenden sollte die Grundlage dafür geschaffen werden, dass sich die Universität Lüneburg im Wettbewerb der Hochschulen auch bei demografisch bedingt zurückgehenden Studierendenzahlen wird behaupten können.
Die dann 2006 eingeleitete Neuausrichtung Lüneburgs zu einer Modelluniversität für den BolognaProzess und die Einführung eines neuen Studien- und Universitätsmodells fand zu Recht über die Grenzen Niedersachsens hinaus viel Aufmerksamkeit. Der Blick zurück zeigt: Lüneburg hat die Chance eines Neubeginns genutzt. 2007 eröffnete das College mit einem attraktiven Studienangebot, 2008 nahm die Graduate School die Arbeit auf, und 2009 eröffnete die Professional School für weiterbildende Studiengänge ihre Tore.
Meine Damen und Herren, gerade weil wir diese Leistung anerkennen, sehen wir mit großer Sorge, dass die Landesregierung auf bestem Wege ist, die Zukunft der Universität aufs Spiel zu setzen. Mit einer gezielten Desinformationspolitik werden Ungereimtheiten beim Bau des Audimax zugedeckt,
und es wird versucht, Schwierigkeiten, die bei der Suche nach einem privaten Investor aufgetreten sind, zu vertuschen.
Bei von uns beantragten Unterrichtungen im Ausschuss wird von der Landesregierung nur das zugegeben, was vorher von Redakteuren recherchiert wurde und bereits von allen in der Zeitung zu lesen war.
Ansonsten hüllt man sich in Schweigen, gibt sich ahnungslos oder verweist auf geheime Stiftungsratssitzungen. Ein solches Vorgehen, meine Damen und Herren, ist nicht geeignet, das Vertrauen des Parlaments zu gewinnen.
Ein solches Vorgehen nimmt ebenso billigend in Kauf, dass das Land ein enormes Haushaltsrisiko eingeht und beim Scheitern des PPP-Verfahrens und des Innovations-Inkubators in Regress genommen wird.
Meine Damen und Herren, Herr Perli hat bereits einige Ungereimtheiten aufgezählt. Ich möchte nur auf zwei hinweisen, die aus unserer Sicht der Klärung bedürfen: Erstens ist die Planung des Raumprogramms des Zentralgebäudes zu nennen. Bei der Genehmigung des Raumbedarfs ist die Universität von 11 000 Studierenden ausgegangen. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als die Zahl der Studierenden schon weit unter 8 000 Studierende gefallen war.
Mittlerweile liegt die Zahl der Studierenden bei 6 800, und mittelfristige Planungen der Hochschule gehen von maximal 7 000 Studierenden aus. Dennoch passt das Land das Raumprogramm nicht an. Kritische Nachfragen des Landesrechnungshofs werden beiseitegewischt.
Nicht beantwortet ist bis heute die Frage, wo eigentlich die Automatisierungstechnik untergebracht werden soll, wenn Volgershall verkauft wird. Im Zentralgebäude ist trotz des großzügigen Raumplans kein Platz vorgesehen. Bedeutet das das Ende des Studiengangs?
Unklar ist auch das Raumprogramm für die vorgesehenen Forschungsflächen. Innerhalb eines Jahres wurde das Raumprogramm zweimal aufgestockt, zuletzt im Juli dieses Jahres. Das MWK hat der Erweiterung zugestimmt, finanziert werden soll diese aus den Inkubatormitteln. Der Verdacht, dass hier EU-Fördergelder kreativ verplant werden sollen, um Finanzierungslücken beim Bau zu schließen, ist bis heute nicht ausgeräumt.
Zweitens. Völlige Unklarheit herrscht über die Konditionen des durchgeführten PPP-Verfahrens. Die Universität und das Land haben zu einem sehr späten Zeitpunkt, als es das Libeskind-Modell schon gab und die Planungen weit fortgeschritten waren, beschlossen, das Bauvorhaben als PPPProjekt zu realisieren. Während am Anfang nur daran gedacht war, die Multifunktionsflächen des Gebäudes, die nicht für Universitätszwecke, sondern für den Stadthallenbetrieb genutzt werden sollten, durch einen privaten Betreiber vermarkten zu lassen, sollen jetzt Finanzierung, Bau und Betrieb des Zentralgebäudes insgesamt als PPPProjekt laufen.
Der Landesrechnungshof forderte eine Eignungsprüfung und eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung an, die bis heute nicht vorliegen, auch nicht vorliegen können, meine Damen und Herren, weil die ursprüngliche Finanzplanung schon nach kurzer Zeit Schall und Rauch war. War am Anfang noch die Rede davon, dass der PPP-Nehmer mit 16,7 Millionen Euro zur Finanzierung des Libeskind-Baus beitragen soll, so schrumpft dieser Anteil im Laufe eines Jahres auf unter 10 Millionen Euro. Im Gegenzug soll der Finanzierungsanteil aus EU-Mitteln steigen.
Groß war dann die Überraschung, als der Vizepräsident vor Kurzem in den Medien erklärte, man erwarte vom Investor überhaupt keinen Finanzierungsanteil mehr, finanziert werde der Bau zu 100 % aus öffentlichen Mitteln.
Spätestens an dieser Stelle, meine Damen und Herren, hätten bei der Landesregierung alle Lampen angehen und hätte die Frage geprüft werden müssen, ob sich das Bauvorhaben überhaupt noch als ÖPP realisieren lässt.
Was bedeutet der Ausstieg eines privaten Investors für das weitere Verfahren? Wie verändern sich die Bedingungen für den Betreiber? Lässt sich der Libeskind-Bau überhaupt noch wirtschaftlich betreiben? - Viele Fragen, aber keine Antworten. Das Wissenschaftsministerium spielte im Ausschuss die übliche Nummer: Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts.
Entschuldigung, Herr Kollege Haase, Sie waren nicht persönlich gemeint. - Der Staatssekretär teilte uns lediglich mit, dass er die neue Finanzplanung auch nur aus der Zeitung kenne und die Äußerungen des Vizepräsidenten so verstehe, dass es doch im Interesse des Landes sein müsse, dass ein möglichst hoher Anteil nicht vom ÖPP-Nehmer finanziert werde; denn dieser würde sich seine Finanzierungskosten letztlich vom Land wiederholen. Richtig! Nur, warum hat man dann überhaupt ein PPP-Verfahren mit einem privaten Investor beschlossen?