Protocol of the Session on October 6, 2010

Ihre Regierung präsentiert sich als Ankündigungsregierung. Es mag sein, dass Sie das für ein gutes Konzept halten, weil man wenigstens nicht in die

falsche Richtung laufen kann, wenn man sich nicht bewegt. Aber Niedersachsen hat eine solche Nichtregierungsorganisation wie Ihr Kabinett nicht verdient. Mit Ihnen, Herr McAllister, ist einfach kein Staat zu machen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Wir sind schon weiter als die Linken!)

Ein Ei hat Ihnen Ihr Vorgänger ins Nest gelegt, nämlich eine Landwirtschafts- und Tierschutzministerin, die Lobbyistin für Massentierhalter ist. Bis heute sind die Widersprüche, in die sich Astrid Grotelüschen verwickelt hat, nicht aufgelöst. Wir wissen immerhin, dass die Firma ihres Mannes Putenküken an mecklenburgische Firmen liefert, in denen skandalöse Bedingungen herrschen, und wir wissen, dass es Versuche gegeben hat, diese Bedingungen und die Verflechtungen dieser Firmen mit der Firma Grotelüschen zu vertuschen. Ihr Vorgänger hat mit der Ernennung von Frau Grotelüschen, deren Familie die zweitgrößte Putenbrüterei Deutschlands betreibt, einen Riesenfehler gemacht. Sie hätten diesen Fehler längst korrigieren müssen, indem Sie sie entlassen; denn diese Lobbyistin wird nie glaubhaft für Tierschutz stehen können.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Gestern haben Sie ein Alibigesetz für den Jugendmedienschutz verabschiedet, statt endlich ein Konzept zur Vermittlung von Medienkompetenz in Kindertagestätten und Schulen auf den Tisch zu legen. Aber warum sollte man auch ein Konzept zur Medienkompetenz von einer Regierung erwarten, die über Sendezeiten im Internet Kinder schützen will? Da wären wohl ein paar Bildungsgutscheine für die Landesregierung von McAllister zur Verbesserung der eigenen Medienkompetenz sinnvoll.

(Beifall bei der LINKEN)

Ob Sie als Europaminister engagierter sind als Ihr Vorgänger, der sich im Wesentlichen auf Fördermittelbeschaffung und Plakettenanbringung beschränkt hat, wird sich heute Nachmittag zeigen. Da werden wir sehen, ob Sie zu einer inhaltlichen europapolitischen Debatte bereit sind. Ich erwarte das nicht, fordere Sie aber auf, mich glaubhaft zu enttäuschen.

(Björn Thümler [CDU]: Sie werden ein Feuerwerk erleben!)

Spannend war auch Ihr Verhalten in der Debatte um die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. Wochenlang haben Sie sich um klare Aussagen zur Laufzeitverlängerung gedrückt und lediglich immer vage gesagt, Sie seien für eine möglichst kurze Laufzeitverlängerung. Damit wollten Sie bei den Menschen einen guten Eindruck hinterlassen, ohne Zahlen zu nennen, auf die man Sie hätte festnageln können. Am 25. August haben Sie dann die Atomkatze aus dem Sack gelassen. Angela Merkel soll Niedersachsen aus Ausgleich dafür, dass Niedersachsen große Lasten der deutschen Energieversorgung trägt, ordentlich was von der Brennelementesteuer abgeben. Gegen Geld finden Sie sich mit diesem Zustand auch ab und akzeptieren, dass der ganze Atommüll in unserem Bundesland abgekippt und unsicher gelagert wird.

(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: Wo steht das?)

Obwohl für Sie als Ministerpräsident von Niedersachsen die ungelöste Endlagerfrage direkt vor der Nase liegt, versuchen Sie, den Leuten Sand bzw. Geld in die Augen zu streuen. Sie unterstützen durch die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken um bis zu 14 Jahre, dass noch viel länger Atommüll produziert wird, der irgendwo gelagert werden muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Ministerpräsident, Ihre Aufgabe als Landesvater wäre es, Ihre Landeskinder vor Gefahren zu schützen. Stattdessen verhökern Sie die Sicherheit unserer Kinder und Kindeskinder und vieler nachfolgender Generationen für ein paar Silberlinge aus der Brennelementesteuer.

(Beifall bei der LINKEN)

Wahrscheinlich ist es Ihr Konzept, Ihrer Regierungszeit wenigstens drei dauerhaft strahlende Highlights zu verleihen: Asse, Schacht Konrad und Gorleben.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich erteile dem Kollegen Dürr von der FPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schostok, ich will auch für die FDP-Fraktion noch einmal unterstreichen:

Ich gebe Ihnen vollkommen recht: Dieser Ministerpräsident ist ein echter Brückenbauer, und er ist mehr als ein würdiger Nachfolger von Christian Wulff.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Wenzel und Herr Kollege Schostok, ich habe mich gefragt, wo eigentlich Ihre Politik für das Land Niedersachsen ist.

(Björn Thümler [CDU]: Die haben keine!)

Claudia Roth hat gestern im „heute-journal“ gesagt: Wir sind keine Neinpartei, wir sind für bestimmte Alternativen. - Ich frage mich, meine Damen und Herren: Wo sind diese Alternativen?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn man regiert und Entscheidungen trifft, dann - das ist richtig - hat man auch mit Widerständen zu tun. Natürlich ist es immer viel leichter, ganz allgemein für etwas zu sein. Interessant wird es aber eigentlich erst dann, wenn es um die konkrete Sache geht. Allgemein sind Sie für den öffentlichen Personennahverkehr. Allgemein sind Sie für die Energiewende. Herr Kollege Wenzel, ich frage mich: Wo gibt es in dieser Sache einen Planfeststellungsbeschluss, bei dem die Grünen einmal dafür waren? - Es gibt keinen einzigen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie sind nach wie vor eine Opposition der Neinsager. Die Räder, die Sie drehen, drehen sich in Wahrheit am Ende nur rückwärts. Sie wollen das Abitur nach 13 Jahren wieder einführen. Sie wollen die Studienbeiträge, die unsere Universitäten im Wettbewerb gestärkt haben, wieder abschaffen. Sie würden bei den Landesfinanzen alles das kaputt machen, was diese Landesregierung in den letzten acht Jahren aufgebaut hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dafür braucht man nicht einmal nach NordrheinWestfalen zu gucken.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Da schaf- fen sie die Studiengebühren ab!)

Da reicht schon ein Blick in die benachbarte Hansestadt Bremen. Das Land ist bei PISA und bei der Verschuldung vollkommen abgehängt und befindet sich auf dem 16. Platz.

(Zustimmung bei der FDP)

Sie kritisieren die Reform bei Hartz IV, die Sie am Ende selbst eingeführt haben. Sie sind wieder dabei, den Gorlebenwiderstand vor dem CastorTransport kräftig anzuheizen, nachdem Sie durch Ihr Moratorium jahrelang nichts, aber auch gar nichts getan haben nach dem Motto: Wer nichts macht, der macht auch nichts falsch.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Grünen - das wird uns immer bewusster - sind in Wahrheit eine Art optische Täuschung. Sie sind ein Scheinriese. Sie scheinen fortschrittlich. Dabei sind Sie in Wahrheit die Dagegen-Partei. Sie sagen nicht nur Nein zur Kernenergie. Sie sagen Nein zur Infrastruktur. Am Ende, meine Damen und Herren - das muss man den Menschen sagen -, sagen Sie auch Nein zu Wohlstand in Deutschland, und das wollen wir nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wissen Sie, die Spießbürger sind diejenigen, die in ihrem kleinen Kosmos verhaftet sind. Die Spießbürger sagen immer dann Nein, wenn es unangenehm wird, und Verantwortung ist ihnen völlig fremd. Ich habe spaßeshalber einmal bei Wikipedia nachgeguckt, was das Wort Spießbürger eigentlich bedeutet. Ich finde es ganz treffend, was dort dazu ausgeführt wird:

„Als Spießbürger oder Spießer werden in abwertender Weise engstirnige Personen bezeichnet, die sich durch geistige Unbeweglichkeit, ausgeprägte Konformität mit gesellschaftlichen Normen, Abneigung gegen Veränderungen der gewohnten Lebensumgebung und ein starkes Bedürfnis nach sozialer Sicherheit auszeichnen.“

(Patrick-Marc Humke-Focks [LINKE]: Er spricht von sich selber! - Kurt Her- zog [LINKE]: Er steht vor einem Spie- gel!)

Meine Damen und Herren, Sie werfen uns vor, wir seien Neoliberale. Ich sage, Sie sind die Neospießer des 21. Jahrhunderts, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Detlef Tanke [SPD]: Glauben Sie ein Wort davon?)

Das ist der Unterschied, Herr Wenzel, zwischen Ihnen und uns. Mit einer Politik der Neinsager ist man auf jedem Feld in einer schwierigen Lage. Sie

sind die gesellschaftlichen Biedermeier. Meine Damen und Herren, eine Politik des Status quo ist keine Zukunftspolitik für Niedersachsen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dieser Ministerpräsident kann in seinen ersten 100 Tagen auf eine stolze Bilanz zurückblicken. Er hat die Haushaltskonsolidierung für das Land Niedersachsen trotz Krise fortgesetzt. Er hat keine Lehrerstellen in seinem Haushaltplanentwurf gestrichen, und das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr ist erhalten worden. Trotzdem ist die Nettoneuverschuldung um 350 Millionen Euro gesenkt worden. Er hat sich dem Thema Schulstruktur und Schulfrieden angenommen. Wir haben einen Rückgang von 40 % bei den Schülerzahlen. Er macht seinen Job an dieser Stelle hervorragend.

(Zustimmung bei der FDP)

Gestern haben wir ein neues Landesmediengesetz beschlossen. Den kommerziellen lokalen Rundfunk in Niedersachsen haben wir möglich gemacht. Wir haben ein neues Versammlungsgesetz beschlossen. Wir haben den Zukunftsvertrag unter der Ägide von Ministerpräsident David McAllister unterschrieben und die Hochschulfinanzierung bis zum Jahre 2015 festgemacht.

Wir haben ein Plus bei den Umsätzen, bei den Auftragseingängen, bei den Gewerbeanmeldungen und bei den Bruttoverdiensten in Niedersachsen, meine Damen und Herren. Die Bilanz der ersten 100 Tage dieses Ministerpräsidenten ist hervorragend! Das wollen wir den Menschen in Niedersachsen auch deutlich sagen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.