Protocol of the Session on October 6, 2010

Es bleibt dabei: Endlager ungelöst, Herr Dürr, Herr Hocker, und klar ist, warum Sie keinen weiteren Standort beäugen wollen. Der läge dann nämlich womöglich dort, wo Ihnen gerade Stuttgart 21 um die schwarz-gelben Ohrli fliegt. Wackersdorf lebt!

(Beifall bei der LINKEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich erteile der Kollegin Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! „Endlagerfrage lösen“ - das klingt nach Tatkraft, Herr Hocker. „Rückholbarkeit ist ein wichtiges Kriterium“ - das klingt, als wollten Sie doch noch Lehren aus der Asse ziehen. Beides suggeriert, dass diese Landesregierung daran mitwirken will, die Endlagerproblematik tatsächlich anzugehen.

Aber Sie haben gerade offenbart, was Ihre wirkliche Triebfeder ist: Sie wollen die Wiederaufarbeitung wieder salonfähig machen. - Ich muss sagen: Ich bin entsetzt. Sie wissen anscheinend nicht,

dass man mit der sogenannten Wiederaufarbeitung waffenfähiges Plutonium produziert.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Dieses Umweltministerium hat vor zwei Wochen für weitere Arbeiten im Salzstock Gorleben einen Rahmenbetriebsplan von 1983 genehmigt, an dem nichts, aber auch gar nichts mehr aktuell ist.

(Zuruf von den GRÜNEN: Unglaub- lich!)

Es geht Ihnen nicht um die Lösung der Endlagerproblematik, und es geht Ihnen auch nicht darum, die bestmögliche Lagerstätte oder die bestmögliche Lagerform für hoch radioaktiven Atommüll zu finden. Es geht Ihnen um Anscheinserweckung. Es geht um ein Vortäuschen von Fortschritten in Gorleben, damit Sie eine gesellschaftliche Legitimation dafür haben, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern und 25 % mehr hoch radioaktiven Atommüll zu produzieren.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von den GRÜNEN: Unglaublich!)

Herr Sander hat diese Weitererkundung nach altem Bergrecht ohne Öffentlichkeitsbeteiligung genehmigt und fordert gleichzeitig ein gläsernes Bergwerk. Ich muss sagen, es gibt wirklich nur eine Redewendung, die diesen Widerspruch treffend benennt: Dieser Minister hat Kreide gefressen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Oder dachte er - das kann natürlich auch sein - bei der behälterlosen Endlagerung in Glaskokillen an ein gläsernes Bergwerk? - Das müssten Sie dann aber schon dazusagen, Herr Sander. Sonst wäre es irreführend.

Herr Dürr, es passt nicht zusammen, sich für dauerhafte Rückholbarkeit einzusetzen, wie wir in der NP lesen konnten, und gleichzeitig Salz als das einzig wahre Endlagermedium darzustellen. Rückholbarkeit zu fordern und die Suche in Granit oder Ton abzulehnen, ist unglaubwürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Im Landtag ein bisschen über Rückholbarkeit zu diskutieren und in Gorleben einfach so weiterzumachen wie bisher, ist auch nicht glaubwürdig.

Thema „Sicherheitsanforderungen“: Letzte Woche traf sich in Berlin der sogenannte Bund/LänderAusschuss für Atomkernenergie, um über den schätzungsweise fünften Entwurf der Sicherheitsanforderungen für die Endlagerung hoch radioaktiver Abfälle zu beraten. Dort saßen nicht etwa Politikerinnen und Politiker - dort saß eine Handvoll Ministerialbeamter aus den Ländern. Die haben über Fragen beraten, die noch 35 000 Generationen betreffen werden.

Der Plan war und ist, diese Sicherheitskriterien noch weiter aufzuweichen. Die ursprüngliche Formulierung im Hennenhöfer-Entwurf wurde zwar gestrichen. Sie lautete: „Eine Rückholung der radioaktiven Abfälle ist im Endlagerkonzept nicht vorzusehen.“ Dieser Satz musste Gott sei Dank nach massiven öffentlichen Protesten zurückgezogen werden. Rückholung ist aber auch weiterhin nur in der Betriebsphase, also vielleicht für 50 bis 80 Jahre, vorgesehen. Die Rückholbarkeit für 500 Jahre, wie sie im Gabriel-Entwurf gestanden hat, entfällt. Es ist lediglich noch von einer Bergung, also von einer Notfallmaßnahme, die Rede. Rückholung wurde also zu Bergung degradiert. Und dafür will sich die Landesregierung noch feiern lassen?

Aber die wirklich entscheidende Frage ist eigentlich: Was hat diese Landesregierung dafür getan, die Erstellung der Sicherheitsanforderungen den vom Volk legitimierten Parlamenten zu übertragen? - Wir haben allen Grund, zu glauben, dass diese Anforderungen hinter verschlossenen Türen sukzessive auf Gorleben zugeschnitten werden. Ein Beispiel dafür: Der Hinweis auf die Möglichkeit eines vorgeschalteten Standortvergleichs wurde eliminiert. - Die Begründung muss man Ihnen wirklich vorlesen. Herr Hennenhöfer - hier ganz Agent der Atomindustrie, die bekanntlich nicht noch an einem anderen Standort Milliarden vergraben will - schreibt in seiner Funktion als Atomaufsicht in einer Synopse:

„Es soll der Eindruck vermieden werden, dass ein Auswahlverfahren notwendige Voraussetzung für die Anwendung der Sicherheitsanforderungen ist.“

(Zuruf von den GRÜNEN: Das ist un- glaublich! - Christian Meyer [GRÜNE]: Da kommt der wahre Geist zum Vor- schein!)

Warum? - Damit es keine Rolle mehr spielt, dass Gorleben nicht geologisch begründet, sondern politisch motiviert benannt wurde.

(Christian Meyer [GRÜNE]: So ist es!)

Herr Sander, da können Sie noch hundert Tiggemann’sche Gutachten kaufen - das ist eine bewiesene historische Tatsache!

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wenn Sie als Landesregierung Tatkraft beweisen wollen, dann setzen Sie sich dafür ein, dass diese Sicherheitsanforderungen von Parlamenten verfasst und beschlossen werden! Das wollen wir, Herr McAllister, öffentlich hören. Sonst können wir nämlich nicht überprüfen, ob Sie sich wirklich für die Interessen Niedersachsens gerade machen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich erteile dem Kollegen Langspecht von der CDUFraktion das Wort.

(Zurufe von den GRÜNEN: Wir wollen Stratmann hören! Wo ist Stratmann?)

Sie müssen schon mit mir vorlieb nehmen.

(Zurufe von den GRÜNEN: Schade!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zehn Jahre Moratorium, zehn Jahre Stillstand, zehn Jahre Nichtstun -

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

wir haben entscheidende Jahre verloren. Die Erkundung des Salzstockes in Gorleben hätte längst abgeschlossen sein können, wenn nicht die rotgrüne Bundesregierung 2000 die Arbeiten angehalten hätte. Das war eine elementare Fehlentscheidung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Was ist das denn für ein Märchen, Herr Lang- specht? Sie wollten doch schon 1992 fertig sein und haben dann gemerkt, dass der Salzstock nicht geeignet ist!)

- Lieber Herr Wenzel, der frühere Bundesumweltminister Trittin hat keinen einzigen Beitrag für die sichere Entsorgung der atomaren Abfälle geleistet

(Widerspruch bei den GRÜNEN)

- hören Sie mal zu! -,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

genauso wie er sich um die Asse nicht gekümmert hat. Das haben wir im Ausschuss nun oft genug gehört.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Selbst Rebecca Harms kritisierte 2005, also nach sieben Jahren rot-grüner Regierungszeit, in ihrem Papier über den Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte, dass „keine konkreten Fortschritte in Richtung auf die Umsetzung des Auswahlverfahrens zu erkennen“ seien. Sie führte die Gründe dafür auch gleich selbst an, nämlich den „fehlenden Willen innerhalb der Bundesregierung“, hier vor allem des Bundesministers Trittin. Das ist die Wahrheit!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die eigenen Leute haben Minister Trittin Untätigkeit vorgeworfen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Nein, nein, nein!)

Das sollten auch Sie einmal zur Kenntnis nehmen.

Jetzt betreiben Sie schon wieder das politische Geschäft mit der Angst der Menschen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Mei- ne Güte, Herr Langspecht!)

Es geht Ihnen schlicht um Populismus. Sie wollen Gorleben skandalisieren, um die Kernkraft zu torpedieren. Das ist der Grund.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei den GRÜNEN)