Dabei fing eigentlich alles gut an, herrschte bei der Einbringung dieses Antrages doch weitgehender Konsens. Wir alle waren uns einig: Keine Frau sollte und wollte mehr ungewollt schwanger werden. Wir alle waren uns einig, dass Schwangerschaftsabbrüche für die Frauen sehr belastend sind. Wir waren uns auch weitestgehend darüber einig, dass der Betrag von rund 14 Euro, der im Arbeitslosengeld II für die Gesundheitspflege angerechnet wird, zu gering ist, um jeden Monat 10 Euro für eine hormonelle Verhütungsmethode aufzubringen.
Ausschuss gab dem Ministerium einen ganzen Fragenkatalog zur Beantwortung auf und schloss auch eine Anhörung nicht aus.
Ein Ergebnis dieser Fragen an das Ministerium möchte ich hier exemplarisch erwähnen. Die Frage nach den Kommunen in Niedersachsen, die in dieser Hinsicht selbst initiativ geworden sind - Frau Twesten hat schon einige aufgezählt - brachte folgendes Ergebnis: Von den 34 Rückläufern bei den befragten Kommunen übernahmen zum damaligen Zeitpunkt 31 die Kosten für empfängnisverhütende Mittel. Diese Tendenz, meine Damen und Herren, ist steigend.
Doch nun wieder zu den Beratungen im Ausschuss. Diese Beratungen, wenn man sich überhaupt dieser Bezeichnung bedienen möchte, fanden ein jähes Ende. Es fand keine Anhörung statt, weder eine schriftliche noch eine mündliche. Dabei wäre es an dieser Stelle unseres Erachtens sehr sinnvoll gewesen, auch die Erfahrungsberichte der Kommunen zu hören, die diese Kosten übernehmen. Das hätte dann vielleicht auch die vom Ministerium errechneten Zahlen entkräftet. Das Ministerium hatte die Kosten zur Deckung des Bedarfes der als potentiell leistungsberechtigten Personen mit 14 Millionen Euro errechnet. Da wäre es doch mit Sicherheit für alle interessant gewesen zu hören, wie z. B. der Landkreis Soltau-Fallingbostel - er hat einen Fonds eingerichtet - mit 4 000 Euro auskommt und nach welchen Kriterien dort gefördert wird. Aber dem, meine Damen und Herren, hat sich Schwarz-Gelb nicht gestellt.
Mit dem Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und der ausstehenden Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die auch in der Kategorie Gesundheit und Körperpflege die Ausgaben für die hormonelle Verhütung und die mechanische Verhütung vorsieht, haben sich die Regierungsfraktionen aus der Beratung verabschiedet. Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, da sind Sie eindeutig zu kurz gesprungen!
Wenn Sie sich doch wenigstens in der Konsequenz um die Väter und Mütter kümmern würden! Was sollen denn die Frauen und Männer, die Fa
milien, die Arbeitslosengeld II beziehen, machen? Die Streichung - darüber haben wir schon gestern ausführlich gesprochen - des Elterngeldes für SGB-Bezieher ist wahrlich kein Geniestreich.
Was für ein Signal ist das an die Ärmsten? Dein Kind ist weniger wert als das Kind von anderen? Ganz besonders betroffen sind alleinerziehende Mütter. Zur Erinnerung: 43 % der Mütter und Väter, die ihre Kinder alleine erziehen, sind auf Sozialhilfe angewiesen. Wer einen Säugling zu Hause hat, ist nicht arbeitslos, sondern in einem 24-Stunden-Job beschäftigt
und steht dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Auch das honorierte das Elterngeld. Dass die Kanzlerin die Streichung u. a. auch damit begründet, Anreize für die Wiederaufnahme von Arbeit zu erhöhen, ist zynisch, meine Damen und Herren.
Die Journalistin Sylvia Voigt hat das in einem Artikel vom 8. Juni dieses Jahres im Tagesspiegel sehr gut formuliert - ich zitiere -:
„Verhütungsmittel werden nicht vom Hartz-IV-Regelsatz gedeckt. Frauen, die von Arbeitslosengeld II leben, müssen also entweder auf Sex verzichten oder sich die Kosten für Pille oder Kondom anderweitig vom ohnehin knapp bemessenen Regelsatz absparen, wenn sie nicht schwanger werden wollen. Und nach dem jüngsten Coup der Bundesregierung sollten sich die Frauen das mit dem Schwangerwerden wirklich gründlich überlegen. Denn Hartz-IV-Empfänger bekommen künftig kein Elterngeld mehr.“
„So werden nun also noch mehr junge Frauen den Kinderwunsch aufschieben, bis sie vielleicht einmal in einem regulären Arbeitsverhältnis angekommen sind - oder bis es zu spät ist. Und wenn es doch mal passiert? Ein Schwangerschaftsabbruch wird für
Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion hat sich die Kollegin Frau Pieper zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Ja, danke schön, Herr Präsident. - Ich muss ehrlich sagen, wenn ich diese Debatte hier verfolge, dann schwillt mir wirklich der Kamm. Aber dazu komme ich noch.
Ich möchte zunächst etwas Grundsätzliches sagen. Herr Humke-Focks, ich denke, von einer Kehrtwende seit der Sitzung am 17. März kann überhaupt keine Rede sein; denn wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir die Auffassung teilen, dass keine Frau mehr ungewollt schwanger werden muss. Dazu stehen wir auch.
Wir haben uns auch dementsprechend gemäß Ihrem Antrag in der Beratung im Fachausschuss damit befasst. Innerhalb dieser Beratung mit Vergleichen zu anderen Bundesländern und der umfassenden Unterrichtung durch das Sozialministerium, bei dem ich mich an dieser Stelle einmal sehr herzlich bedanken möchte,
Erstens. Im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung hat der Bundesgesetzgeber ab dem 1. Januar 2004 eine vollständige Anbindung der sozialhilferechtliche Gesundheitshilfen an das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehen. Er geht davon aus - das ist bis heute unstreitig -, dass
es Empfängerinnen von Arbeitslosengeld II und von Leistungen der Sozialhilfe zuzumuten ist, die Kosten aus der Regelleistung nach SGB II und SGB XII aufzubringen. Dafür werden monatlich - Herr Humke-Focks, wir haben nun einmal diese Zahl - 13,80 Euro gewährt. Das ist also eine Bundesaufgabe, nicht eine freiwillige Landesaufgabe.
(Zustimmung von Elisabeth Heister- Neumann [CDU] - Patrick-Marc Hum- ke-Focks [LINKE]: Das stimmt nicht!)
Ich denke schon, Kinder werden nicht nur durch Luft und Liebe gemacht. Aber das nur als Nebenbemerkung.
Zweitens. Lediglich in einem Bundesland, nämlich in Berlin, werden die Kosten seitens des Landes übernommen. Alle anderen Länder lehnen dies ab, oder es sind Regelungen auf kommunaler Ebene gefunden worden, wie teilweise auch in Niedersachsen. Von dem Kollegen Riese haben wir auch bereits die beiden Zitate von Frau Ziegler und Frau Orosz gehört, warum es abgelehnt worden ist. Die brauche ich hier nicht zu wiederholen.
Drittens. Für eine landesweite Umsetzung, in die aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit alle Leistungsbezieher einbezogen werden müssten, wurden seitens des Ministeriums Kosten in Höhe von 14 Millionen Euro errechnet. Da wurde alles mit einbezogen. Das können Sie nicht einfach vom Tisch wischen. Dies können wir uns im Landeshaushalt nicht leisten, es sei denn, wir würden ihn genauso aufblähen, wie es jetzt in NordrheinWestfalen passiert.
- Frau Twesten, da können Sie noch so sehr den Kopf schütteln: Neuverschuldung ist für uns keine nachhaltige Generationengerechtigkeit. Wir lehnen das ab.
Viertens. Die Übernahme von Kosten für empfängnisverhütende Mittel ist bereits in § 24 a Abs. 2 SGB V verankert. Dort wird die Versorgung von Versicherten bis zur Vollendung des 20. Lebens
jahres geregelt. Wir haben auch schon gehört, dass es sich darüber hinaus um eine versicherungsfremde Leistung handelt, da es nicht um eine Behandlung oder Verhütung von Krankheit geht, sondern das vielmehr dem persönlichen Bereich zuzuordnen ist. Hinzugefügt werden muss aber noch, dass das - würde es dem § 24 a zugeordnet - entweder aus Steuermitteln oder durch Ausdehnung des Leistungskataloges finanziert werden müsste. Letzteres würde einen Kostendruck auf die Krankenkassen ausüben.
Das heißt, alle anderen müssten mitbezahlen. Mit Blick auf die Berichte ist noch hinzuzufügen, dass bereits 55 % der Steuer- und Ausgabenlast auf die kleine Klientel derer, die noch Steuern zahlen, übertragen wurde. Man muss sich ernsthaft fragen, ob man das noch weiter aufstocken will.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch eine grundsätzliche Anmerkung machen: Schon seit Jahrzehnten sind die Geburtenzahlen in Deutschland rückläufig. Seit 1972 gibt es kontinuierlich mehr Todesfälle als Geburten. Von daher ist es doch unser Interesse, dass es mehr Kinder gibt, um unsere Gesellschaft weiterhin leistungsfähig zu erhalten.