Protocol of the Session on September 8, 2010

Ich möchte gerne noch eine Anmerkung zum fünften Spiegelstrich machen. Wir sollten die Sorgen der Landwirtschaft, dass durch diese radikalen Anschläge die Hemmschwelle für Nachahmungstäter sinken wird, sehr ernst nehmen.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Wenn Sie bei Rechts auch so reagieren würden, wäre das angemessen!)

Ich verweise auf eine Pressemitteilung aus Schleswig-Holstein. Dort sind Tausende von Nerzen aus einer Pelztierfarm entwichen, weil vermutlich Tierschützer auf das Gelände gedrungen sind und die Türen der Käfige geöffnet haben. Die Kriminalpolizei ermittelt. Konkrete Täterhinweise - es handelt sich hier keineswegs um eine Vorverurteilung - liegen derzeit nicht vor. Militante Pelztierschützer haben aber in ihren Foren Entsprechendes angekündigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich meine, dieses Beispiel eignet sich auch, darauf hinzuweisen, dass wir uns gleichwohl gegen jede Form von Vorverurteilung wenden.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Echt?)

Ich bin gespannt, ob wir in den nächsten Wochen die Kraft haben werden, die Diskussion um Landwirtschaft zu versachlichen.

(Zuruf von Detlef Tanke [SPD])

- Genau das ist es, lieber Kollege Tanke! Das war ein schönes Beispiel für Sachlichkeit innerhalb von Teilen der Opposition.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Ge- nau so ist es!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin gespannt, ob sich die Fraktion der Grünen und die Fraktion der Linken endlich festlegen und mitteilen, ab wann und warum es sich ihrer Meinung nach bei unterschiedlichen Tierarten und Tierhaltungsformen um Massentierhaltung handelt. Diese Angaben, oft genug erfragt, sind Sie bislang schuldig geblieben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Liefern Sie Ihren Beitrag, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition! Denn eines sollte unter uns unstrittig sein: Es darf keine Gewalt unter dem Deckmantel des Tierschutzes geben!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile der Kollegin König, Fraktion DIE LINKE, das Wort.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag stellt eine unlautere Vermischung dar - eine Vermischung der Einbringung der verunglückten Resolution der CDU einerseits und des wichtigen Themas Tierhaltung und Tierschutz andererseits.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Schlimm genug, dass Sie die Resolu- tion nicht mitgetragen haben!)

Um es am Anfang noch einmal ganz klar zu sagen: DIE LINKE lehnt Gewalt ab! DIE LINKE setzt sich für eine artgerechte Tierhaltung ein.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt zu diesem Antrag. Schauen wir uns doch einmal den Text des Entschließungsantrages und die Erklärungen 1 bis 6 an! Schon in der Überschrift und in den Bemerkungen wird deutlich, dass eine Vorverurteilung stattfindet und dass Ermittlungen gar nicht abgewartet werden. Es werden die verschiedensten inhaltlich unterschiedlichen Seiten vorgetragen, Vorwürfe in einen Topf geworfen, es wird einmal kräftig umgerührt und dann festgestellt, dass das alles unreflektiert in die Öffentlichkeit weitergegeben würde. Das gilt insbesondere für die Vorwürfe gegen Ministerin Grotelüschen. Wir, die Linken, haben die Verflechtungen und Verfehlungen der Ministerin immer klar benannt, und wir werden das auch weiterhin tun.

(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: Welche Verfehlungen? - Wilhelm Hogrefe [CDU]: Unterstellun- gen!)

Zu verlangen, dass aufgrund mutmaßlicher Brandstiftungen die Arbeit der Ministerin nicht mehr kritisiert werden dürfe, ist ein unlauterer Ruf nach Zensur und Selbstzensur.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Christian Meyer [GRÜNE])

Das kann so nicht stehen bleiben. So werden wir das auch auf gar keinen Fall mittragen. Im letzten Absatz des Eingangstextes wird die brennende Mülltonne auf dem Firmengelände des Familiengroßbetriebes des Ehemannes der Ministerin angesprochen. Hier heißt es:

„Aufgrund des zeitweiligen Zusammenhangs mit der oben genannten Diskussion ermitteln Polizei … auch gegen die radikale Tierschutzszene.“

Ja, wer hat denn sofort die brennende Mülltonne mit Tierschützern in Verbindung gebracht? - Erinnern Sie sich doch, meine Damen und Herren von der CDU, erst einmal daran, wer das in diesem Zusammenhang als Erstes und fast als Einziger dargestellt hat.

Es ist doch selbstverständlich - das haben wir von Anfang an verlangt -, dass die Ermittlungen in alle Richtungen geführt werden müssen, dass wir Gewalt ablehnen und dass keine Richtung ausgespart sein darf.

(Beifall bei der LINKEN - Clemens Große Macke [CDU]: Dann ist ja gut!)

Es aber auch grundlegend falsch und skandalös, die Richtungen der Ermittlungen von vorne herein bestimmen zu wollen und daraus politisches Kapital schlagen zu wollen, so wie Sie es machen.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU)

In den einzelnen Erklärungen unter 1 und 2 kommen Sie dann endlich auf die Sachthemenebene. Das hatte ich schon die ganze Zeit gefordert. Unter Punkt 3 verbirgt sich wieder eine Meinungsmache von Ihnen. Es wird kein Berufsstand global kritisiert, sondern die spezifische Form der industriellen Massentierhaltung.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Was ist das?)

Weil Sie als Vertreter einer ganz bestimmten Lobby ebenso wenig mit Kritik umgehen können wie diese, sprechen Sie sofort wieder von Verunglimpfung.

(Jens Nacke [CDU]: Das ist es ja auch!)

Zu Punkt 4. Ein Brandanschlag setzt eine politische Motivation voraus. Was Brandstiftung ist, ist im Strafgesetzbuch klar definiert. Das Anzünden einer Papiertonne fällt nicht darunter. Deshalb ermittelt die Staatsanwaltschaft auch nur wegen versuchter Brandstiftung, was voraussetzt, dass die Papiertonne angesteckt wurde, um anschließend ein Gebäude in Brand zu setzen.

(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Selbstentzündung kann es ja wohl nicht gewesen sein! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Dazu liegen aber gegenwärtig überhaupt keine Kenntnisse vor. Alles in allem ein schlechter An

trag und ein Ablenkungsmanöver. Die Aspekte werden unlauter miteinander verknüpft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: Unerhört, so was!)

Ich erteile dem Kollegen Schostok für die SPDFraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktionen von CDU und FDP haben einen Entschließungsantrag auf die Tagesordnung der Plenarsitzung setzen lassen, der für uns eigentlich Selbstverständliches beinhaltet - vor allem für alle Demokratinnen und Demokraten in diesem Hause. Ein Gewaltverzicht in der politischen Auseinandersetzung ist hier im Hause wirklich selbstverständlich.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Ich möchte mich für die SPD-Fraktion hier deutlich erklären: Gewalt ist für die SPD mit dem Grundgesetz, mit der Demokratie und mit unserer Rechtstaatlichkeit unvereinbar. Das steht fest.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Das, was die Fraktionen der CDU und der FDP hier beschließen möchten, ist generell die Grundlage unseres Politikverständnisses. Dies gilt auch für den konkreten Anlass, den Sie hier gewählt haben. Das gilt auch für den Fall Grotelüschen und für die brennende Papiertonne. Auch hier haben wir uns schon mehrfach in der Vergangenheit öffentlich und ausdrücklich von Gewalt jedweder Art distanziert.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe aber den Eindruck, meine Damen und Herren, dass es Ihnen bei diesem Antrag gar nicht darum geht. Es geht Ihnen um etwas ganz anderes, nämlich um ein gezieltes Ablenkungsmanöver.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Johanne Modder [SPD]: Jawohl!)

Sie wollen schlichtweg von den Vorwürfen gegen Ihre unter Druck geratene Ministerin ablenken.

(Johanne Modder [SPD]: Ja!)