Protocol of the Session on June 4, 2008

(Beifall bei den GRÜNEN)

Können sie überhaupt wählen? - Der renommierte Jugendforscher Professor Dr. Klaus Hurrelmann, der die letzte Shell-Studie zur Situation der Jugend in Deutschland geleitet hat - er ist der renommierteste Jugendforscher in Deutschland überhaupt -, hat bestätigt, dass schon ab zwölf Jahren eine grundsätzliche soziale und moralische Urteilsfähigkeit gegeben ist, sodass von diesem Alter an das Treffen politischer Urteile, also auch die Teilnahme an Wahlen, möglich ist.

(David McAllister [CDU]: Warum for- dern Sie es dann nicht?)

Er sagte heute in der Süddeutschen Zeitung zu unserem Gesetzentwurf: Endlich traut sich mal einer.

(David McAllister [CDU]: Dann fordern Sie doch das Wahlrecht mit zwölf Jah- ren! - Gegenruf von Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das können Sie doch for- dern!)

- Fordern Sie das doch!

Beurteilen Sie dieses Thema nicht aus dem Bauch heraus. Setzen Sie sich ernsthaft mit unserer Forderung auseinander, die auch von vielen Jugendverbänden, z. B. dem Landesjugendring, geteilt wird! Das Wahlalter mit 18 ist eine überkommene Tradition. Diese muss über kurz oder lang vom Tisch!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Für die CDU-Fraktion rufe ich Herrn Kollegen Adasch auf. Sie haben das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen greift in ihrem Antrag das Wahlrecht auf und will das Wahlalter in der Niedersächsischen Verfassung, in der Niedersächsischen Landkreisordnung, im Gesetz über die Region Hannover und in der Niedersächsischen Gemeindeordnung auf das 14. Lebensjahr herabsetzen. Um es gleich vorwegzunehmen: Wir machen da nicht mit!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Schade eigentlich!)

Der Vorschlag einer Herabsetzung des Wahlalters ist nicht neu. Immer wieder einmal geistert der Vorschlag eines Kinder-, Jugend- und Familienwahlrechts durch die politische Debatte. Freie, gleiche und geheime Wahlen sind Grundlage eines demokratischen Rechtsstaates. Das Wahlrecht ist ein hohes Gut und eignet sich nicht zum Spielball für politische Experimente.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine Demokratie lebt von Rechten und Pflichten gleichermaßen. Dies betrifft alle gesellschaftlichen Gruppen, ohne Rücksicht auf Alter oder Geschlecht.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Genau!)

Während Sie jungen Menschen ab 14 mit dem Wahlrecht ein zusätzliches Recht einräumen wollen, tun Sie sich immer dann besonders schwer, wenn es darum geht, die jüngeren Bevölkerungsgruppen an ihre Pflichten zu erinnern bzw. sie in die Verantwortung zu nehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich denke dabei beispielsweise an das Jugendstrafrecht, bei dem Sie dagegen sind, Heranwachsende nicht weiter zu 70 % nach dem Jugendstrafrecht, sondern im Regelfall nach dem Erwachsenenstrafrecht zur Verantwortung zu ziehen. Hier halten Sie konsequent an der Trennung von Altersgruppen fest. Wir haben diese Diskussion in der vorletzten Sitzung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen ausführlich geführt.

Auch habe ich aus meiner langjährigen kommunalpolitischen Erfahrung erhebliche Zweifel, ob eine weitere Absenkung des Wahlalters tatsächlich zu mehr politischem Interesse junger Menschen führt.

Sie selbst vertreten die These, dass die Herabsetzung des Wahlalters bei Kommunalwahlen auf 16 Jahre gezeigt hat, dass Jugendliche, entgegen zuvor geäußerter Befürchtung, mit ihrem Stimmrecht sehr verantwortungsvoll umgehen. Gleichzeitig beklagen Sie aber die geringe Wahlbeteiligung in dieser Altersgruppe. Ich frage Sie an dieser Stelle, wie Sie vor diesem Hintergrund das Interesse am aktiven Wahlrecht durch eine weitere Absenkung des Wahlalters steigern wollen.

Im Übrigen bedingt ein Interesse an Politik nicht automatisch auch das Verstehen der zunehmend komplexer werdenden Inhalte. Als 14-Jähriger kann ich durchaus für mich selbst entscheiden, wie ich es mit der Religion halte. Aber von meiner personenbezogenen Sicht zu abstrahieren, welche Person oder Partei uns alle am besten vertritt und in meinem Sinne bestmöglich wirkt, erfordert weitaus mehr Wissen und Erfahrung.

Sicherlich entwickeln sich die intellektuellen Fähigkeiten eines Menschen während seines Heranwachsens beständig. Die Frage ist hier aber allein, ob der Schritt von der Einzelfallbetrachtung zur Allgemeingültigkeit schon in diesem jungen Alter bewältigt ist. Nicht zufällig liegt ja die Tatsache der eingeschränkten Urteilskraft von Jugendlichen über die umfassenden Folgen einer Handlung dem Jugendstrafrecht zugrunde.

Eine Änderung des Wahlrechts gemäß Ihrem Antrag würde somit bedeuten: Wir trauen Kindern und Jugendlichen zu, ihre Entscheidung über die Führung unseres Landes und unserer Kommunen unter Abwägung aller Für und Wider in Abschätzung der Folgen und unter Einbeziehung ihrer Vorstellungen von Staat und Gesellschaft zu treffen. Aber wenn dasselbe Kind stiehlt, prügelt oder was auch immer, dann ist jene Urteils- und Entscheidungsfähigkeit ausgeschaltet. Dann kann es nicht abschätzen, dass seine Handlung den Interessen seiner Mitmenschen entgegensteht?

Parteiübergreifend sind wir uns in diesem Hohen Hause vielmehr darüber einig, dass wir junge Menschen mehr als bisher für Politik interessieren und in politische Entscheidungsprozesse einbinden wollen. Wir werben dafür auf allen politischen Ebenen. Ich nenne einige Beispiele - sie sind eben angesprochen worden -: die Betreuung von Schul

klassen im Rahmen unserer Landtagsarbeit, die Einrichtung von Schülerparlamenten in den Landkreisen, Städten und Gemeinden unseres Landes sowie die Berücksichtigung junger Menschen auf den Listen bei Kommunalwahlen.

Gleichzeitig müssen wir uns als gewählte Parlamentarier immer wieder selbstkritisch überprüfen, ob wir in der täglichen politischen Auseinandersetzung um den richtigen Weg in der Sache eine Vorbildfunktion gerade gegenüber jungen Menschen einnehmen; denn das, was wir in der gerade begonnenen Legislaturperiode von Teilen dieses Hauses in der politischen Auseinandersetzung erleben, trägt nicht gerade dazu bei, junge Menschen für Politik zu interessieren, geschweige denn zu gewinnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Diskussionen mit Schulklassen bestärken mich in meiner Auffassung.

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist vor allem eines: in hohem Maße populistisch. Sie mögen zwar bei den Jugendlichen wieder Punkte sammeln und möglicherweise dort verlorenes Terrain wieder aufholen, der Frage von Teilhabe an Politik, an Mitgestaltung und demokratischen Rechten und Pflichten wird er aber nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir beantragen, entgegen der auf der Tagesordnung ausgewiesenen Überweisung, die federführende Beratung im Ausschuss für Inneres, Sport und Integration sowie die Mitberatung im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen durchzuführen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Adasch. - Für die Fraktion DIE LINKE hat nun Frau Kollegin Zimmermann das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit Ihrer Erlaubnis beginne ich mit einem Zitat. Es ist heute schon zum Teil, aber noch nicht ganz genannt worden. Ich finde es aber so gut, dass ich es noch einmal vollständig vorlese:

„Mit etwa zwölf Jahren ist eine stabile intellektuelle Basis erreicht, auch eine

grundsätzliche soziale und moralische Urteilsfähigkeit ist gegeben. Von diesem Alter an ist es möglich, politische Urteile zu treffen; es wäre auch möglich, sich an Wahlen zu beteiligen.“

Dies sagte der bereits erwähnte Professor Klaus Hurrelmann, Jugendforscher, Universität Bielfeld in Das Parlament 44/2005. Wenn das so ist, führen gerade mangelnde Mitbestimmungsmöglichkeiten und jugendfeindliche Politik zur Politikverdrossenheit bei Jugendlichen. Ich kann ein Beispiel nennen. Ich kenne einen Jugendverband, in dem die Vorstände schon ab sechs Jahren gewählt werden. Das ist die „Sozialistische Jugend Deutschlands - Die Falken“. Da verläuft das schon seit einigen Jahren in sehr guten Bahnen. Die Ergebnisse sind ganz klasse.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das erklärt den einen oder anderen Beschluss. - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Ich war auch schon mal Klassensprecher!)

- Ich weiß, Sie wollen das nicht hören.

Wenn die Jugend die Möglichkeit hat, ihre Wünsche, Bedürfnisse und Ideen umzusetzen, ist sie auch bereit, sich politisch zu engagieren, sich zu informieren und auch zu wählen. In anderen Bundesländern hat sich im Übrigen bereits gezeigt, dass die Senkung des Wahlalters zu einer Politisierung der Jugendlichen geführt hat.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Dies kann der Gesellschaft nur guttun; denn letztendlich führt eine Politisierung der Jugendlichen dazu, dass sich die Gesellschaft in Zukunft weiter mit politischen Fragen auseinandersetzt.

Auch damit das Gleichgewicht der Generationen nicht verloren geht, ist es notwendig, dass junge Menschen mehr Entscheidungsgewalt bekommen; denn die Bevölkerungsentwicklung zeigt, dass die Gruppe der Jugendlichen abnimmt, während die Gruppe der Alten zunimmt. So besteht die Gefahr, dass die Interessen junger Menschen immer mehr an den Rand gedrängt werden. Wichtig ist aber, dass junge und alte Menschen ihren Gestaltungswillen gleichermaßen umsetzen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Jugendliche können und werden sich Gehör verschaffen, wenn sie wählen dürfen. Die Politik von heute bestimmt die Zukunftschancen von morgen. Daher ist es unverständlich, warum die Hauptbe

troffenen aus dem politischen Geschehen ausgeschlossen werden. Denn die Jugendlichen und die Kinder sind unsere Zukunft. Ihre Bedürfnisse, Ängste und Anliegen würden mit einem Male ernster genommen werden. Die Wahlbeteiligung der Jugendlichen würde sich erheblich erhöhen. Auch wir müssten uns mehr Gedanken darüber machen, wie wir unsere politischen Forderungen und Ansinnen so rüberbringen, dass auch 14- bis 16-Jährige sie verstehen und sich beteiligen können.

(Beifall bei der LINKEN)

14-Jährige sind reif für Mitbestimmung. Jugendliche von 14 bis 16 Jahren haben bereits sehr viele Rechte und auch Pflichten in unserer Gesellschaft. Das lernen sie sowohl in der Schule wie auch im Lehrbetrieb. Sie sind religions- und strafmündig. Wenn der Kollege Radasch - - -

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Adasch, Thomas Adasch! So viel Zeit muss sein!)

- Okay, ich lerne das noch.