Sorgenkind ist der Fahrzeugbau. Im Jahr 2009 laufen in Rheine und in Osnabrück die A 4-Cabrios und das CLK-Coupé von Mercedes aus. Es fehlen aber Folgeaufträge. Es ist so: Solange die eigenen Kapazitäten von VW, Mercedes, BMW und Audi nicht ausgelastet sind, ist es für Auftragsfertiger wie Karmann natürlich sehr schwierig, Aufträge für den Bau von Kleinserien oder Sondermodellen zu bekommen. Vielleicht wäre auch einmal die Solidarität der IG-Metall-Kollegen in Wolfsburg, Ingolstadt, Stuttgart usw. gefragt, wenn es darum geht, ihren eigenen Kollegen zu helfen.
Wie kann es nun weitergehen? Noch steht die Aussage von Firmenchef Peter Harbig im Raum: Wenn bis Ende Juni - d. h. bis Ende dieses Monats - trotz aller Bemühungen kein Anschlussauftrag eingeht, dann wird der Fahrzeugbau geschlossen. - Das würde in der Tat das Aus für etwa 1 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeuten; davon 800 in Osnabrück und 900 in Rheine.
Meine Damen und Herren, auch ich war gestern bei Karmann. Dort hat man den Fahrzeugbau noch lange nicht abgeschrieben. Es gibt noch sehr viel Hoffnung. Nach Aussage der Mitarbeiter verhandelt die Geschäftsführung zurzeit mit zwei sehr ernsthaften Interessenten. Auch wenn bis Ende des Monats kein neuer Auftrag akquiriert sein sollte, könnte der Fahrzeugbau über Kurzarbeit, über Beschäftigungssicherung oder den Bau von Auslaufmodellen noch einige Zeit überbrücken, bis sich neue Perspektiven ergeben. Neue Perspektiven ergeben sich auch beim Bau von Elektromobilen und bei der Entwicklung neuer Antriebe wie etwa der Brennstoffzelle, was vom Land übrigens massiv gefördert wird.
Meine Damen und Herren, auch die Eigentümerfamilie Karmann steht zum Standort Osnabrück. Sonst hätte sie nicht noch 120 Millionen Euro für die Einrichtung einer neuer Lackierstraße investiert. Diese Landesregierung - das wird überall anerkannt, von der Geschäftsleitung, aber auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - steht ohne Wenn und Aber zu ihrer Verantwortung.
Sie hat dabei die volle Unterstützung der Regierungsfraktionen. Die wichtigen Entscheidungen werden allerdings nach wie vor in den Unternehmen gefällt. Unsere Landesregierung hat geholfen, als es um die finanzielle Ausstattung der erfolgreichen Transfergesellschaften ging. Sie ist an der Seite des Unternehmens bei der Förderung neuer Technologien. Die Unterstützung und Hilfe der
Landesregierung gilt übrigens nicht nur Karmann, sondern sie gilt für jedes andere Unternehmen und für jeden einzelnen Arbeitsplatz in Niedersachsen gleichermaßen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir brauchen das hochkarätige Unternehmen Karmann mit allen Kompetenzen hier in Niedersachsen. Deshalb ist uns der Erhalt der angeschlagenen Abteilung im Karosseriebau auch so wichtig. Gerade der Ministerpräsident hat vor Ort besonders hohe Erwartungen geweckt, auch wegen seines Nebenjobs als vermeintlich einflussreicher Aufsichtsrat. Bisher haben sich aber leider alle Hoffnungen auf einen neuen Auftraggeber im Karosseriebau zerschlagen, und die Frist bis zur Schließung - Herr Hoppenbrock hat gerade noch einmal auf die Aussagen des Betriebsleiters Bezug genommen - rückt erschreckend nahe. Deshalb müssen wir uns nun auch für die Mitarbeiter einsetzen, die möglicherweise schon bald nicht mehr bei Karmann arbeiten können. Das gehört heute auch mit hier her - leider.
Für mich ist es nicht akzeptabel, auf den Verlust hunderter Arbeitsplätze mit einem Vermittlungsziel von nur 60 % zu antworten, wie es die Landesregierung bei der Transfergesellschaft tut. Was passiert mit den anderen 40 %? Fühlen Sie sich für diese Mitarbeiter und ihre Familien nicht zuständig? - Ich denke, wir sollten in den Zielen ehrgeiziger sein.
Seit längerem beobachten wir, dass diese Landesregierung in der Wirtschaftspolitik ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt, und das, weil sie mit eigenem Fehlverhalten dafür sorgt, dass Unternehmen und auch Arbeitnehmer sie immer weniger ernst nehmen. Ein Schritt nach vorn und zwei Schritte zurück - das ist die Stolperstrategie, mit der Christian Wulff den Problemen weder bei Karmann noch bei Airbus, noch bei VW gerecht wird. Er setzt meist auf offene Konfrontation - ich werde das gleich belegen -, statt überzeugende Töne hinter den Kulissen zu finden. Immer wieder stimmt er
sich nicht mit den Fachreferaten im Wirtschaftsministerium ab, sondern er bestimmt den Kurs allein aus der Staatskanzlei. Alleingänge mit hohem Risiko und zum Teil unerfreulichen Folgen.
So der siebenseitige Brief an Airbus, der dazu geführt hat, dass der Ministerpräsident öffentlich zum Provinzpolitiker degradiert wurde. Vorstandschef Thomas Enders erklärte dazu laut HAZ vom vergangenen Donnerstag, solche Forderungen von Regionalpolitikern seien durchaus normal, doch werde sich Airbus ganz sicher nicht nach Regionalprinzipien ausrichten. Eine harte Quittung für ein Spiel über Bande, Herr Ministerpräsident, womit Sie eigentlich den Bundeswirtschaftsminister treffen wollten, aber Airbus brüskiert haben.
Noch härter sind aber - und das trifft auch Karmann - die Fronten zwischen dem Land und dem VW-Anteilseigner Porsche. Selbst wenn VW einen Arbeitsüberhang hätte: Bei dem Berg an zerschlagenem Porzellan zwischen Landesregierung und Porschechef Wiedeking bekäme Karmann wohl trotzdem keinen einzigen Auftrag ab, allein schon, um dem Ministerpräsidenten keinen Stich zu gönnen. Da wäre jetzt viel Moderation nötig, damit die beiden Unternehmen wieder zusammenfinden können. Herr Ministerpräsident, das wäre eigentlich Ihre Rolle. Nur so könnte noch eine Grundlage für das Fortbestehen der Karosseriesparte in Osnabrück geschaffen werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bringen Sie, statt weiter die Teller auf den Boden zu werfen, Karmann und VW an einen Tisch! Zusammen wären die beiden ein tolles Team, wenn es darum geht, hier in Niedersachsen zukunftsfähige Autos zu produzieren, mit niedrigem Verbrauch durch effiziente Technik und innovative Karosserien. Das sind die beiden Kompetenzen, die da zusammenkommen. Ein Markt, auf dem Karmann und VW zusammen weit vorn sein könnten, wenn die Politik klug handelt und die richtigen Anreize setzt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Belegschaft von Karmann in Osnabrück und Rheine droht eine düstere Zukunft. Vor
fünf Jahren arbeiteten in Osnabrück noch 7 000 und in Rheine fast 2 000 Beschäftigte. Von den Arbeitnehmern im nordrhein-westfälischen Rheine wohnen fast 50 % in Niedersachsen. Heute sind von den 9 000 Arbeitsplätzen noch 4 500 übrig. Der Produktion von Gesamtfahrzeugen droht das vollständige Aus. Damit wird die Kernsparte Fahrzeugbau der Schließung preisgegeben. Das geballte technologische Know-how wird damit unwiederbringlich zerstört, aber es lohnt sich, zusammen mit der Belegschaft und dem Betriebsrat weiter für den Fahrzeugbau zu kämpfen. Solange Abteilungen noch nicht geschlossen sind, sollte man diesen Kampf auch nicht aufgeben.
Ich darf darauf hinweisen, dass auch meine Fraktion und Vertreter des Unterbezirks Osnabrück der SPD am Montag selbstverständlich vor Ort waren, um mit den Kolleginnen und Kollegen im Betrieb die weiteren Schritte zu beraten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben dem Fahrzeugbau hat Karmann drei weitere Standbeine: die technische Entwicklung, die Betriebsmittel und die Dachsysteme. Wichtigster Jobmotor des Unternehmens war und ist jedoch der Fahrzeugbau. Dieser hat allerdings seit fünf Jahren keinen neuen Auftrag mehr erhalten. Grund: Die Automobilhersteller lasten ihre eigenen Kapazitäten aus, ehe sie Arbeit an Auftragsfertiger wie Karmann geben.
Stufenweise wird die Produktion von Fahrzeugen bis zum September 2009 mit dem Daimler CLKCabrio als bisher letztem Gesamtfahrzeug in Osnabrück auslaufen. Die anderen Geschäftsfelder können die drohenden Arbeitsplatzverluste nicht ausgleichen. Transfergesellschaften sind die zweitbeste Lösung. Am besten ist der Erhalt der Arbeitsplätze.
Der Countdown findet bis Ende Juni 2008 - das ist hier bereits angesprochen worden - statt; denn die Karmann-Geschäftsführung hat ein Ultimatum gesetzt: Wenn bis zum 1. Juli 2008 kein neuer Produktionsauftrag für ein Gesamtfahrzeug in Sicht ist, soll der Fahrzeugbau geschlossen werden. Bis September 2009 würden dann in Osnabrück und Rheine noch einmal über 2 000 Arbeitsplätze verloren gehen. Aber solange noch ein Fahrzeug vom Band läuft, lohnt es sich, für den Erhalt des Fahrzeugbaus zu kämpfen. Auch wenn der regionale Arbeitsmarkt vielen Karmännern und -frauen neue Arbeit bietet - hier geht es um technologisches
Für alle betroffenen Mitarbeiter, ihre Familien und die Region ist die Schließung des Fahrzeugbaus eine schlimme Entwicklung.
Die Belegschaft hat einen guten Job gemacht. Der Dank dafür sind Entlassungen und Arbeitslosigkeit. In dieser Situation hat VW entschieden, das neue Golf-Cabrio nicht mehr bei Karmann produzieren zu lassen. Dabei wird auch deutlich, wie machtvoll der Einfluss des Aufsichtsratsmitglieds Christian Wulff ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, welche Rolle spielte in diesem Fall nun die Niedersächsische Landesregierung? Erst kamen die lautstarken, ungelenken öffentlichen Forderungen durch den Ministerpräsidenten an VW, die Firma Karmann mit einem Fertigungsauftrag zu versorgen, dann kurz vor der Wahl die geheimnisvolle Ankündigung eines neuen Auftrags für Karmann durch den MP. Nach der Wahl löst sich alles in Luft auf - wieder ein gebrochenes Versprechen.
Herr Wulff, Misserfolg im Bemühen um Arbeitsplätze und Aufträge wirft Ihnen niemand vor. Das kann passieren. Aber so, wie Sie sich verhalten haben, geht man nicht mit Menschen, den Arbeitnehmern und ihren Familien in Osnabrück, um.
Sie haben das Vertrauen und die Hoffnungen dieser Menschen enttäuscht und missbraucht. Wir erwarten, dass Sie sich persönlich weiterhin für diesen Automobilstandort, für den Erhalt des Fahrzeugbaus und den Erhalt der Arbeitsplätze einsetzen, und zwar nicht nur mit Ankündigungen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin etwas erschüttert darüber, dass hier so viele Fakten verdreht worden sind.
Herr Will, das VW-Cabrio wurde, glaube ich, noch vor der Regierungsübernahme 2003 „eingestampft“. Dementsprechend war auch der Aufsichtsrat von VW anders besetzt. Das müssten Sie eigentlich wissen.
Die Firma Karmann ist ein alteingesessener, in privater Hand befindlicher Betrieb, den ich von Kindesbeinen an kenne. Ich weiß, wie innovativ, qualifiziert und sozial die Firmenstruktur dort ist. CDU und FDP kämpfen generell für unsere Unternehmen in Niedersachsen und deren Mitarbeiter, nicht nur für Karmann. Daher war der Einsatz der Landesregierung bei Karmann vom Anfang der Krise an bis zum heutigen Tag für uns eine wichtige Maßnahme, und sie wird es bis zum Schluss bleiben.
Von den weltweit rund 6 000 Mitarbeitern sind allein in Osnabrück 3 717 beschäftigt. Viele von ihnen kenne ich persönlich. Ich weiß, was sie angesichts der Reduktion um 800 Mitarbeiter im letzten Jahr und um weitere 566 Kollegen in diesem Februar fühlen. 300 weitere Arbeitsplätze werden im Herbst dieses Jahres in Osnabrück wegfallen, sollten bis Anfang Juli keine neuen Aufträge akquiriert werden; das haben Sie richtig dargestellt.
2002 machte sich diese Wende bei Karmann bereits bemerkbar. Bei einem Besuch dort wurde mir erklärt, dass die Auftragslage kritisch aussehe. Der allgemeine Automarkt in Deutschland entwickelte sich damals sehr schlecht. Auch VW war davon betroffen und entschied, alle Fahrzeugtypen im eigenen Haus zu bauen. Das wiederum hieß für Karmann: Die Unterstützung von VW fällt weg, und das bis zum heutigen Tage. - Selbst der Renner im Programm von VW und Karmann, das VW-Cabrio, wurde paradoxerweise unwiderruflich gecancelt. Karmann setzte daraufhin auf den Crossfire, das CLK-Cabrio von Mercedes und den Audi A 4. Leider wurde der Crossfire nicht zum Verkaufsschlager, was man damals noch nicht absehen konnte, und führte zur ersten Welle des Personalabbaus. Das CLK-Cabrio soll nun ab 2010 im MercedesWerk in Bremen gefertigt werden. Auch Audi wird zukünftig seine Nischenmodelle selbst fertigen.
Das Land Niedersachsen hat den Autobauer in diesen schweren Zeiten nicht alleine gelassen. Für den Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis zum 31. Oktober 2008 unterstützt das Land das Unternehmen mit insgesamt 3,58 Millionen Euro an ESF-Mitteln,
aus der Förderperiode 2006 und aus dem Programm Dynamische Integration in den Arbeitsmarkt. Davon sind bis heute 2,19 Millionen Euro geflossen, sie sind bereits ausgezahlt. Hiervon wurde eine Transfergesellschaft gegründet, die im Rahmen eines Auswahlverfahrens von den Betriebsparteien ausgewählt wurde. Darüber hinaus wurden diese Betriebsparteien in der Phase der Projektentwicklung und der Projektdurchführung intensiv begleitet. In der ersten Welle ab dem 1. Oktober 2006 wurden 540 Personen vermittelt; das sind 72 % und nicht nur 60 %, wie Herr Hagenah gesagt hat. In der zweiten Welle ab dem 1. Februar 2007 wurden von 104 Personen sogar 76 % vermittelt. In der jetzigen dritten Welle vom 1. Februar 2008 an wurden von bisher 395 zu vermittelnden Personen 27 vermittelt, aber diese Welle läuft noch bis Ende Oktober.
Sollte Karmann den Fahrzeugbau einstellen müssen, würden weitere Umqualifizierungen erforderlich. Diese sollen nach Abstimmung mit den Vertretern des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sowie den Ländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen über die Inanspruchnahme des EGF - Anpassung an die Globalisierung - erfolgen.