Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke zunächst einmal dem Abgeordneten Thümler für seine Ausführungen. Da könnte man glatt gemeinsam das Lied „Wann wir schreiten Seit an Seit“ singen. Den Text gebe ich Ihnen noch.
Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt - ich glaube, das beschreibt die Stimmung der Beschäftigten der Airbus-Werke gerade an den Standorten Varel und Nordenham ganz gut. Zwei Jahre lang Diskussionen um den Fortbestand der Werke. Zwei Jahre lang der Zustand, dass Mitarbeiter morgens in der Zeitung lasen, die Werke sollten verkauft werden, dass sie mittags von ihren Vertrauensleuten informiert wurden, dass Verhandlungen geführt werden, und dass sie abends aus den Nachrichten erfuhren, dass die Verhandlungen abgebrochen wurden.
Überraschend ist dabei, dass bei Airbus Deutschland und bei der deutschen Luftfahrtindustrie in diesem Jahr mehr Arbeitnehmer beschäftigt sind als noch im Jahre 2007. Es handelt sich also um eine boomende, eine wachsende Industrie. Das
Problem ist aber, dass sich kein Ende abzeichnet: Nach „Power 8“ hören wir jetzt von „Power 8 plus“ und von „Vision 2020“. Zumindest in der Erfindung immer neuer Schlagworte lässt sich Airbus nicht lumpen. Da kommt eine Menge zusammen. Das macht mir Sorgen.
Jetzt scheint eine Lösung gefunden worden zu sein. Oder ist es eine Übergangslösung? Das ist die Frage, die sich die Beschäftigten stellen. Es geht um die German Aerostructure Company. Was wir aus den Werken hören, ist mehr als deutlich: Wir haben Arbeit ohne Ende, sagen die Beschäftigten. Der neue A350 XWB muss zielgerecht auf den Markt. Wir brauchen eine Aufbruchstimmung für die Werke, für die Beschäftigten - so der Tenor. Jetzt heißt es, Hallen zu bauen und in Maschinen zu investieren, damit es vorangeht. 500 neue Ingenieure möchte Airbus einstellen. Aber um gute Leute zu bekommen, muss ein Unternehmen wie Airbus erst einmal Vertrauen schaffen.
Meine Forderung: CFK und RTM sind nicht nur Verbundtechniken für das CFK Nord, sondern die standortspezifische Forschung ist für Varel und Nordenham dringend notwendig. Es geht um die Solidarität mit allen Beschäftigten. Wichtig sind die Entscheidungen über die Arbeitspakete. Wir brauchen jetzt die Zusagen, welchen Anteil am neuen A350 XWB wir an den neuen Standorten fertigen können. Wir brauchen die konkreten Entscheidungen; denn wir tätigen Investitionen vor Ort. Wir sind in Friesland dabei, wir sind in Nordenham dabei, wir sind in der Wesermarsch dabei. Schon jetzt haben wir einen Aero-Park geplant, um die Möglichkeit zu schaffen, dass Airbus, Zulieferer und Zuarbeitsfirmen sich erweitern.
Wie setzen wir die Forderung durch? Herr Staatssekretär Hintze war vor Ort und hat noch einmal deutlich gemacht, welche Bedeutung die Luftfahrtindustrie und auch die Standorte haben werden. Wir haben dies in gemeinsamen Beschlüssen des Landtages vom Oktober 2006 und vom März 2007 deutlich gemacht; wir haben es gerade gehört. Aber wie Minister Hirche eben gesagt hat: Erfolge erreicht man, indem man Gespräche führt, und nicht durch eine öffentliche Debatte. Leider ist diese öffentliche Debatte durch den Brief des Ministerpräsidenten aufgekommen. Die Frage, was eigentlich in dem Brief steht, wurde im Übrigen erst jetzt beantwortet. Herr Wulff, ich hätte mir gewünscht, Sie hätten, wie in der Vergangenheit, den Schulterschluss mit allen Fraktionen gesucht. Dieser Schulterschluss war der Schlüssel zu dem
Wo ist das Wirtschaftsministerium in der ganzen Diskussion? Wo ist der Koordinator im Wirtschaftsministerium? - Mein Eindruck aus der Ausschusssitzung: Es gibt überhaupt keine Abstimmung zwischen Wirtschaftsministerium und Staatskanzlei.
Noch viel schlimmer ist, dass es auch keine Abstimmung zwischen dem Land Niedersachsen und der Bundespolitik in dieser Frage gibt.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Thümler, wir sind bei Airbus zusammen. Wir kämpfen dort an einer Linie. Achten Sie bitte darauf, dass die Interessen Niedersachsens ganz vornan stehen. Am 28. September ist Landtagswahl in Bayern. Augsburg hat eine sehr große CFK-Kompetenz. Es wird sicherlich versuchen, eine federführende Rolle zu spielen. Nordenham und Varel brauchen den Einstieg in die CFK- und RTM-Technologie. Hier müssen Sie, Herr Wulff, auch gegen Ihren Unionskollegen Beckstein bestehen und Druck machen.
Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass wir mit Respekt anerkennen, welchen Weg die Konzernspitze gegangen ist. Sie ist von dem Ziel des Verkaufs abgegangen. Sie hat die Reißleine gezogen. Das ist der Erfolg des öffentlichen Drucks, der von Beschäftigten, von kommunalen Verbänden, von kommunalen Spitzen und der Politik gemeinsam erzeugt wurde.
Die Schwäche von „Power 8“ ist die Schwäche von Boeing. Das sehen wir gerade. Viele Fragen bleiben für die Beschäftigten; viele Fragen bleiben für uns als Region. Entscheidungen vor Ort sind wichtig, Entscheidungen über die Arbeitspakete, ob und welche Aufträge die Standorte erhalten, Investitionen in die Standorte Nordenham und Varel. Wichtig ist auch Ihre Forderung, Herr Wulff, dass die Zentrale ihren Sitz in Norddeutschland haben soll. Diese Forderungen unterstützen wir gemeinsam mit Ihnen und treiben sie voran. Unser Ziel müssen klare Verhältnisse für die Beschäftigten und ihre Familien sein. Lassen Sie uns dafür gemeinsam streiten!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Thümler, was ist eigentlich die Botschaft der von Ihnen beantragten Aktuellen Stunde?
Ihr Titel lautet: „Solidarität mit den Beschäftigten von Airbus in Nordenham und Varel“. Diese ihre Solidarität haben alle Fraktionen des Landtages in gemeinsamen Resolutionen deutlich gemacht. Sie haben auch die notwendigen Schritte formuliert und der Landesregierung Handlungsaufträge erteilt. Selbstverständlich steht der ganze Landtag hinter Varel und Nordenham.
Was ist die neue Botschaft? - Die CFK-ValleyStrategie und die Investition in diese neue Technologie sind vollkommen richtig. Es ist richtig, dass man sich hier engagiert und die Forschung vorantreibt. Aber offenbar zieht der Bund nicht so mit, wie er mitziehen sollte. Wir alle gemeinsam - die vier Fraktionen des alten Landtages - waren bei Herrn Hintze, dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsminister. Er hat uns gesagt: Forschungsgelder sind kein Problem; wir werden im Zweifel nachlegen und unsere Gelder verdoppeln.
Was mussten wir dann erleben? - Der Bund hat dafür gesorgt, dass das EADS-Werk Augsburg mit in das Verhandlungspaket von Varel und Nordenham geraten ist. In Augsburg wird schon jetzt mit CFK gearbeitet. Augsburg in Bayern, Glos und Bayern - ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Plötzlich stehen die Gelder, die uns in Aussicht gestellt wurden, nicht in dem Ausmaß zur Verfügung, das Herr Hintze damals in dem Gespräch deutlich gemacht hatte.
Da kam dann dieser Brief von Herrn Wulff an Herrn Enders. Er enthält viele inhaltlich richtige Forderungen; das will ich gar nicht abstreiten. Aber warum dieser Adressat? - Herr Enders ist ein ehemaliger Mitarbeiter der CDU-Bundestagsfraktion und hat gute Kontakte in die CDU hinein. Schreibt man da einen offiziellen Brief? Oder hätte es hier nicht der Diplomatie bedurft, um sich sehr wirkungsvoll für niedersächsische Interessen zu verwenden?
Ich glaube, man muss gerade auch in dieser schwierigen Lage solche Kontakte nutzen und überall dort, wo man ein offenes Ohr findet, das persönliche Gespräch suchen, statt dass ein Brief publiziert wird.
Herr Wulff, ich glaube, das Problem ist nicht Herr Enders, sondern Herr Glos, der hier deutlich macht, dass er die Forschungsmillionen viel lieber in Augsburg investieren will.
Diesem Konflikt kann man nicht ausweichen. Man muss diese Diskussion führen. Man muss mit dem Bund ernsthaft diskutieren, dass es Sinn macht, in Hamburg mit der CFK-Valley-Strategie weiterzumachen und dort auch massiv zu investieren. Hier gibt es die strategische Allianz mit Windkraft und Fahrzeugbau. Auch diese Hersteller brauchen diese Technologie. Wir müssen jetzt alles daransetzen, diese Schlüsseltechnologie hier gemeinsam voranzubringen. Da spielen auch die erneuerbaren Energien eine ganz entscheidende Rolle; denn auch die Windkraft setzt für ihre Rotoren diese Technologie ein - eine weitere niedersächsische Schlüsseltechnologie.
Herr Wulff, das ist der Ansatz, da müssen Sie ran. Der Gegner sitzt in diesem Fall im Bundeswirtschaftsministerium in Berlin.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Solidarität mit den Airbus-Mitarbeitern - das wurde eben schon gesagt - steht außer Frage, und ich glaube, sie steht fraktionsübergreifend außer Frage. Nachdem ich die Überschrift gelesen und den Ausführungen von Herrn Thümler gelauscht habe, blieb außer der Überschrift nicht viel Konkretes hängen, mit dem Sie deutlich gemacht haben, wie Sie das in praktische Arbeit umsetzen wollen.
Der Chef von Airbus ist übrigens der beste Kronzeuge für die Kritik der Betriebsräte, indem er sagt:
„Die Sanierung der Airbus-Produktion in vier Ländern der EU mit 16 Standorten ist eine Folge des Versagens der Manager über viele Jahre. Jetzt sollen 10 000 meist hoch qualifizierte und motivierte Beschäftigte die Zeche zahlen.“
Als Konsequenz aus dem Managerversagen wurde das Sanierungsprogramm „Power 8“ präsentiert. Mit diesem Programm will Airbus in den nächsten Jahren Kosten in Millionenhöhe einsparen. Dabei sollen die Verwaltungskosten um 30 % sinken, soll die Fertigung gestrafft und rationaler auf die Werke verteilt werden.
Was bedeutet das? - Viele Risiken zeichnen sich daraus ab. So lehren viele Beispiele aus anderen Konzernen, dass durch die Verkürzung der Fertigungstiefe zugunsten von billigen Zulieferern Kompetenz verloren geht. Gegenüber diesem mit der heißen Nadel gestrickten Kostensenkungsprogramm muss ein tragfähiges Konzept zur Sicherung dieser Hochtechnologieproduktion für die Standorte entwickelt werden.
Mitten in der Umsetzung des Sparprogramms „Power 8“ spricht das Management von Airbus nun von einem Programm „Power 8 plus“. Was das zu bedeuten hat, weiß auch der Betriebsrat zurzeit noch nicht. Gesamtbetriebsratschef Lütjen hat dem Abendblatt gegenüber gesagt, dass der Betriebsrat nur die Ankündigung kennt; Gespräche darüber gebe es noch nicht.
Der Betriebsrat befürchtet - das befürchtet er sicherlich zu Recht -, dass es eine massive Verlagerung von Arbeitspaketen in den Dollarraum geben soll. Im Rahmen der „Vision 2020“ des AirbusManagements ist es erklärtes Ziel, im Dollarraum Beschäftigung aufzubauen, die 20 % der Zahl der Arbeitsplätze in Europa entspricht. Dabei ist es noch völlig unklar, ob nur zusätzlich aus dem Wachstum resultierende Stellen dort geschaffen werden sollen oder ob bestehende Arbeitsplätze aus Europa und Deutschland dorthin verlagert werden sollen. Übrigens: Über die weiteren Abbauschritte - so der Betriebsrat - will das Management im Juni mit dem Betriebsrat sprechen.
Unser aller Ziel aber muss es sein, ein Gesamtkonzept, das auch ökonomisch tragbar ist, zu unterstützen. Hierbei, meine ich, ist Kooperation auch länderübergreifend gefordert. Das ist leicht gesagt, aber unverzichtbar. Ich meine aber, es nützt am
Ende wenig, wenn sich die Arbeitnehmervertreter oder aber auch die Politiker - wir alle - nur auf die Rettung ihrer Standorte vor Ort konzentrieren.
Herr Ministerpräsident, mit Verlaub, auch Drohbriefe an das Management helfen den Beschäftigten nicht wirklich weiter. Es ist fraglich, ob mit dieser Art von Schriftwechsel eine konstruktive Gesprächsatmosphäre hergestellt werden kann.
Ich meine, die Landesregierung wäre außerdem gut beraten, nicht nur mit der Leitung des Unternehmens Gespräche zu führen. Wichtig sind unserer Meinung nach vor allem Gespräche mit den Betriebsräten und - das möchte ich betonen - eine Kooperation mit der IG Metall. Nur so lassen sich Lösungen herbeiführen.