Protocol of the Session on June 4, 2008

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich erteile dem Abgeordneten Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine Banalität: Unser Staat braucht Steuereinnahmen für wichtige gesellschaftliche Aufgaben wie den Umweltschutz oder die soziale Sicherung. Solange die FDP dies in ihrem Drang, sich als Steuersenkungspartei zu profilieren, nicht berücksichtigt, bleibt sie eine Gefahr für das ökologische Gleichgewicht und den sozialen Frieden in unserem Land.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Hans- Werner Schwarz [FDP]: Und für die Gesamtschulen! - Heinz Rolfes [CDU]: Ach du lieber Himmel!)

Das, meine Damen und Herren, wird durch die Parteitagsbeschlüsse zum Steuerkonzept deutlich. Ob Sie steuerliche Entlastungen in Höhe von 32 Milliarden Euro - wie Sie es ausgerechnet haben, Herr Rösler - oder in Höhe von 70 Milliarden Euro versprechen - wie es inzwischen andere beweisen wollen -, für beides gilt: Das ist nicht finanziert. In dieser Hinsicht zeigen sich auffällige Parallelen zu vielen Forderungen, die wir auch von der linken Seite kennen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Jetzt zum Thema, Herr Klein!)

Ihr Konzept ist zwar einfach - das ist richtig und hat auch meine Sympathie -, aber es ist eben einfach und ungerecht, weil es die Besserverdienenden sehr deutlich bevorzugt und die sozial Schwachen über Hartz IV hinaus belastet.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Das ist doch falsch, Herr Klein!)

Ich will aber gerne einräumen, dass die Forderung nach der Aufrechterhaltung der steuerlichen Absetzbarkeit von Schulgeld nicht ganz so einfach zu bewerten ist. Hierbei geht es sicherlich nicht nur um ideologische Steuersenkungspolitik. Auch Grüne haben ja in Bund und Land entsprechende Forderungen aufgestellt. Es ist sicherlich sinnvoll, bei diesem Thema das Pro und Kontra abzuwägen.

Herr Rösler, Sie haben das Hohelied der Privatschulen gesungen. Ich kann jeden Satz dazu unterstreichen und würde das entsprechend unterstützen.

(Zustimmung bei der FDP)

Mit jeder Schülerin und mit jedem Schüler, die bzw. der eine Privatschule besucht, spart der Staat Geld. Wenn die Eltern dann entsprechend unterstützt werden - denn die staatliche Förderung von Privatschulen entspricht ja nicht der von staatlichen Schulen -, ist das sicherlich akzeptabel. Ein wichtiger Punkt ist, dass das auch ein Instrument sein kann, das es Normalverdienern erlaubt, ihre Kinder auf Privatschulen zu schicken. Damit trägt es dazu bei, dass sozusagen eine ungute Sortierung in solchen Schulen vermieden wird, damit die Reichen dort nicht unter sich bleiben.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Schauen Sie mal die Privatschulen an, Herr Klein!)

Subjektiv betrachtet will ich zugestehen, dass uns die Schulkonzepte, die viele Privatschulen verfolgen, Herr Kollege, weltanschaulich durchaus sehr nahe stehen.

Das ist das Pro, aber man muss auch das Kontra berücksichtigen. Das Kontra ist, dass diese Streichung ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung wäre. Es würden auf der einen Seite Steuerausfälle vermieden, die nämlich dadurch drohen, dass der Europäische Gerichtshof die Möglichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit für europäische Schulen geöffnet hat. Das haben Sie nicht erwähnt. Auf der anderen Seite können 50 Millionen Euro eingespart werden. Davon kommen durchaus 21 Millionen Euro den Ländern zugute, Herr Rösler. Das haben Sie anders dargestellt.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das ist doch geändert worden!)

Es ist ein Beitrag zur Steuervereinfachung; denn dieser Sachverhalt ist bei einem relativ kleinen Anteil von Steuerpflichtigen mit einem enormen Prüfungsaufwand verbunden. Nach dem Bundessteuergesetz wurden 326 000 Euro Bürokratiekosteneinsparung errechnet. Es ist zum Teil durchaus auch ein Steuerprivileg für Reiche; denn die Möglichkeit, 30 % der Kosten abzusetzen, gilt bis jetzt unbegrenzt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es ist einfach nicht einzusehen, dass jemand, der sein Kind demnächst auf eine Eliteschule nach England schickt und dort Schulgeld bezahlt, vom deutschen Steuerzahler noch 15 % dazubekommt. Das geht nicht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Heinz Rolfes [CDU]: Das ist eine Neiddiskussion!)

Hinzu kommen auf Dauer möglicherweise negative Einflüsse auf das schulische Angebot im staatlichen Bereich. Wir wollen nicht, dass uns die Schüler weglaufen und zu Privatschulen gehen. Für uns bleiben die staatlichen Schulen das Rückgrat der Bildung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Insofern, finde ich, ist der Deckelungsvorschlag ein guter Kompromiss, weil wenig verändert wird, weil die EU-Ausfälle kalkulierbar bleiben, weil überzogene Steuerprivilegien beseitigt werden und eine begrenzte Steuervereinfachung geschaffen wird.

Vielleicht können wir uns darauf einigen, Herr Rösler, und darauf, dass in Zukunft auch andere Subventionen, die öffentlichen Nutzen stiften, von Ihnen nicht mit der Keule bearbeitet werden.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Ich erteile der Abgeordneten Flauger von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Ceterum confiteor constitutionem - außerdem bekenne ich mich zur Verfassung.

(Zustimmung bei der LINKEN - Zurufe von der CDU: Nein!)

Die FDP hat in dieser Aktuellen Stunde das Thema „Bildungsvielfalt erhalten - Schulgeld muss steuerlich absetzbar bleiben“ eingebracht. Ich frage Sie: Haben Sie eigentlich mitbekommen, dass OECD- und PISA-Studien belegen, dass in Deutschland die Bildungschancen am meisten von der sozialen Herkunft abhängen? Haben Sie das eigentlich mitbekommen?

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Was hat das denn damit zu tun?)

Ist das für Sie eigentlich eine Verpflichtung mit Blick auf Ihre Bildungspolitik? Wenn man sich Ihre bisherige Negativbilanz in der Bildungspolitik anschaut, dann kann man nur feststellen, dass das offensichtlich keine Verpflichtung für Sie ist. Sie haben das offensichtlich nicht mitbekommen, und es interessiert Sie wohl auch gar nicht. Entgegen Ihren Wahlversprechen haben Sie Studiengebühren eingeführt. Gestern sind in Hessen die Studiengebühren abgeschafft worden. Das war eine gute Entscheidung

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

für mehr Chancengleichheit auch für Kinder aus ärmeren Elternhäusern.

Sie haben die Einrichtung weiterer Gesamtschulen verboten. Wann nehmen Sie das endlich zurück? Sie trennen die Kinder schon nach der 4. Klasse. Das ist in Europa fast einmalig.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Frau Flauger, zum Thema!)

Jetzt fordern Sie, dass das Schulgeld weiterhin steuerlich absetzbar bleiben soll. Welchen Effekt hat das denn? Worauf läuft das denn hinaus? - Es läuft darauf hinaus, dass Kinder aus reicheren Elternhäusern, deren Eltern das Schulgeld absetzen können, etwas von dieser steuerlichen Absetzbarkeit haben, während Kinder aus ärmeren Elternhäusern nichts von dieser Absetzbarkeit haben. Das ist das Problem. Sie können zwar steuerlich etwas absetzen, aber das wirkt sich weiter nicht aus.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Sie haben keine Ahnung, wenn es um solche Schulen geht!)

Sie setzen - und damit verschärfen Sie die Benachteiligung von Kindern aus armen Familien - konsequent auf Privatisierungskurs. Das haben Sie schon in Ihrer Koalitionsvereinbarung festgehalten. Sie haben unter Beteiligung der BertelsmannStiftung das Gesetz zur Eigenverantwortlichen Schule entwickelt. Public Private Partnership spielt eine zunehmende Rolle im Schulbereich. Diese Regierung gibt der Wirtschaft damit Einfluss auf die Bildung. Das führt dazu, dass Bildung nach wirtschaftlichen Interessen, nach der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Schülerinnen und Schüler nach der Schule ausgerichtet wird.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das erzählen Sie mal den Waldorfschulen!)

Jetzt wollen Sie diese systematische Ausgrenzung weiter fortführen. Sie wollen nach dem Motto von vor 100 Jahren und noch mehr sagen: Ein jeder nach seinem Stand. - So wollen Sie trennen, so wollen Sie Bildung verteilen. Sie machen Bildungspolitik für wenige, die sich das leisten können. Die anderen fallen durchs Rost.

Kümmern Sie sich endlich um gute Bildung für alle Kinder an öffentlichen Schulen! Lassen Sie sie bis zur 10. Klasse zusammen lernen! Sorgen Sie dafür, dass sie in Integrierten Gesamtschulen lernen! Dort gibt es Bildungsvielfalt: begabungsgerecht an Integrierten Gesamtschulen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Führen Sie die Lernmittelfreiheit wieder ein! Schaffen Sie die Studiengebühren wieder ab, die Sie entgegen Ihrem Wahlversprechen eingeführt haben! Setzen Sie sich auf Bundesebene dafür ein, dass die Umsatzsteuerbefreiung für private Nachhilfeunternehmen abgeschafft wird! Diese bevorzugt nämlich auch Kinder aus reicheren Familien.

Auch dann, wenn Sie das tun, werden Sie für Chancengleichheit sorgen.

In Ihrem Koalitionsvertrag schreiben Sie im Kapitel „Schule und Bildung“:

„Die Teilhabe aller an Bildung und Ausbildung ist ein Gebot der Chancengerechtigkeit.“

Richten Sie Ihre Bildungspolitik endlich danach aus, und lassen Sie gute Bildung nicht zu einem Privileg für Kinder aus reichen Elternhäusern werden!

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN - Hans- Werner Schwarz [FDP]: So ein Quatsch!)

Folgender Hinweis: Es gibt hier vorne gewisse Probleme mit der Anzeige. - Ich habe diese aber nicht bestellt, um jetzt noch einmal die Dringlichkeit der Maßnahmen hervorzuheben. - Dadurch werden die folgenden Rednerinnen und Redner keinen Hinweis haben, welche Redezeit ihnen verbleibt. Das nur als Hinweis für die kommenden Rednerinnen und Redner.