Wie bereits im vergangenen Jahr ist der sogenannte Trauermarsch auch in diesem Jahr zum Anlass von Gegendemonstrationen genommen worden. Zwei der Gegendemonstrationen sollten ebenfalls am 14. August direkt in Bad Nenndorf stattfinden. Dies waren zum einen eine vom Vorsitzenden eines örtlichen Sportvereins angemeldete Gegenkundgebung, die allerdings unmittelbar vor dem 14. August abgesagt wurde, und zum anderen ein vom Regionssekretär des Deutschen Gewerkschaftsbundes angemeldeter und zusammen mit dem Bündnis „Bad Nenndorf ist bunt“ geplanter Aufzug.
Zwei große Aufzüge an einem Ort, von denen einer rechtsextremistisch ist, lösen erfahrungsgemäß ein Gefahrenpotenzial aus. Um die Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die ein mögliches Aufeinandertreffen der Bündnisdemonstration und des sogenannten Trauermarsches hervorrufen könnte, einschätzen zu können, wurde auf der Grundlage der Erkenntnisse des Verfassungsschutzes und des polizeilichen Staatsschutzes durch die Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg eine Gefahrenprognose erstellt, auf deren Grundlage die zur Einsatzbewältigung erforderlichen Kräfte ermittelt wurden.
Die ursprüngliche, mehr als einen Monat vor dem Versammlungstermin erstellte Gefahrenprognose vom 9. Juli dieses Jahres ging davon aus, dass an der Bündnisdemonstration deutlich mehr als 1 100 Personen, darunter 200 Personen des linksextremistischen Spektrums, teilnehmen werden. Für den sogenannten Trauermarsch wurden 1 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, darunter 130 Autonome Nationalisten, prognostiziert. Zur Bewältigung der prognostizierten Lage hat die Polizeidirektion Göttingen einen Bedarf von etwa 2 000
Einsatzkräften ermittelt, der mithilfe von Unterstützung aus anderen Ländern und der Bundespolizei sowie unter Aufrufung der Alarmeinheiten gerade noch gedeckt werden konnte. In der Annahme einer polizeilich beherrschbaren Lage wurden beide Aufzüge unter Auflagen bestätigt.
In den Wochen vor dem Demonstrationstermin verdichtete sich die Erkenntnislage zunehmend. Die Einschätzung der Gefahrenlage war hieran anzupassen. Eine aktualisierte Gefahrenprognose Anfang August ergab deutlich höhere Teilnehmerzahlen. Für die Bündnisdemonstration war nunmehr von 2 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, davon 400 bis 500 Gewaltgeneigte bzw. -bereite, auszugehen. Beim sogenannten Trauermarsch wurden mehr als 1 000 teilnehmende Personen, darunter 250 gewaltbereite autonome Nationalisten, prognostiziert. Aufgrund dieser Zahlen war auch die bisherige Einsatzkräftekonzeption anzupassen. Anstelle der bislang vorgesehenen ca. 2 000 Einsatzkräfte bestand nunmehr ein Bedarf von ca. 2 500 Einsatzkräften. Dieser zusätzliche Kräftebedarf konnte weder mit den zur Verfügung stehenden niedersächsischen Einheiten noch durch Anforderung von Unterstützungskräften aus den Ländern und von der Bundespolizei gedeckt werden, sodass nach entsprechender Analyse und Bewertung der Gesamtsituation die Polizeidirektion Göttingen zu dem Ergebnis gekommen ist, dass bei dieser Kräftelage eine sichere Durchführung der Versammlungen durch die Polizei nicht zu gewährleisten und mit schweren Gewalttätigkeiten und Straftaten zu rechnen ist.
Diese Aussage beschreibt einen polizeilichen Notstand im Rechtssinne. Polizeilicher Notstand im Versammlungsrecht bedeutet, dass es der Polizei nach durch Tatsachen gesicherten Erkenntnissen nicht möglich erscheint, eine gegenwärtige und erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch Maßnahmen gegen den Störer abzuwehren, sondern Maßnahmen gegen eine nicht störende Versammlung zur Gefahrenabwehr notwendig sind. Das gilt beispielsweise, wenn eine linksextremistische Gruppe im Rahmen einer im Übrigen friedlichen Gegendemonstration gegen eine Veranstaltung einer rechtsextremistischen Gruppierung Störungen beabsichtigt und die Polizei wegen der großen Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer oder ungünstiger örtlicher Verhältnisse nicht in der Lage ist, tätliche Auseinandersetzungen zu verhindern.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer, der Einsatzkräfte und unbeteiligter Dritter - zu verhindern, ist unter Berufung auf den polizeilichen Notstand erforderlichenfalls auch ein Versammlungsverbot auszusprechen. Dabei sind dann beide Versammlungen zu verbieten, wenn sich aus Tatsachen ergibt, dass sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer trotz eines Verbots versammeln werden und Störungen beabsichtigen. Ein Verbot nur einer der beiden Versammlungen reicht dann nicht aus, um den polizeilichen Notstand entfallen zu lassen. Dies ist im Übrigen auch in Niedersachsen bereits praktiziert und von der Rechtsprechung bestätigt worden, als sowohl eine für den 4. Juli 2010 in Hannover angemeldete rechtsextremistische Kundgebung als auch die Gegendemonstration des DGB verboten wurden. Ein anderes Beispiel für eine gerichtliche Bestätigung eines polizeilichen Notstands ist das Verbot der rechtsextremistischen Versammlung am 1. Mai 2009.
Meine Damen und Herren, ich kann mich noch gut daran erinnern, dass gerade diese Entscheidung zum 1. Mai von allen Fraktionen in diesem Parlament als beispielgebend und richtig anerkannt wurde. Es gab auf allen Seiten des Hauses großen Beifall dafür, wie die Polizeidirektion Hannover mit Polizeipräsident Binias an ihrer Spitze hier reagiert hat. Ich glaube, das war richtig so.
Hervorzuheben ist, dass ein Versammlungsverbot unter Berufung auf einen polizeilichen Notstand ausschließlich dem Ziel dient, andere Rechtsgüter von Verfassungsrang zu schützen. Das inhaltliche Anliegen der Versammlung spielt beim polizeilichen Notstand keine Rolle.
Für das Versammlungsgeschehen in Bad Nenndorf hat zunächst das Verwaltungsgericht Hannover das Vorliegen eines polizeilichen Notstands in seinen Beschlüssen bestätigt. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat den polizeilichen Notstand nicht feststellen, ihn aber auch nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen können. Es hat das insbesondere mit der zeitlichen Dimension gerechtfertigt. Das heißt, es hatte zu wenig Zeit, um das tatsächlich prüfen zu können. Es hat vielmehr erhebliche räumliche und zeitliche Beschränkungen der Gegendemonstration als geeignet angesehen, den polizeilichen Kräftebedarf zu verringern.
Der Einsatzverlauf am 14. August 2010 stellt sich auf der Grundlage eines Berichtes der Polizeidirektion Göttingen wie folgt dar. Voranzustellen ist,
dass die abschließenden Einsatznachbereitungen und -auswertungen allerdings noch einige Zeit in Anspruch nehmen werden und gegebenenfalls noch Daten und Bewertungen verändern können.
Zur Kundgebung des DGB haben sich am 14. August 2010 ca. 900 Personen eingefunden. Die Versammlung verlief in der Zeit von 9.30 Uhr bis 11.05 Uhr störungsfrei.
Die Teilnehmer des sogenannten Trauermarsches trafen ab ca. 11.30 Uhr am Bahnhof Bad Nenndorf ein. Bis zum Beginn der Versammlung um 15.20 Uhr überprüfte die Polizei 831 Personen an Kontrollstellen und stellte in diesem Zusammenhang diverse Gegenstände sicher. 30 vom Veranstalter vorgesehene Ordner wurden wegen Unzuverlässigkeit abgelehnt.
Unter den letztlich 1 000 Teilnehmern des Aufzuges waren zwischen 60 und 100 Personen bereits aufgrund ihrer Kleidung den Autonomen Nationalisten zuzurechnen. Nach ersten ergänzenden Aufklärungsergebnissen und Auswertungen dürfte die Anzahl der insgesamt vor Ort gewesenen Autonomen Nationalisten aber bei ca. 200 gelegen haben. Eine Verifizierung dieser Zahl kann erst im Zuge der weiteren Auswertung von Einsatzdokumentationsmaterial erfolgen.
Bis zur Rückkehr des Aufzuges zum Bahnhof verlief dieser störungsfrei. Hier wurde dann trotz sofortiger Untersagung durch die Polizei das Lied „Ein junges Volk steht auf“ von allen Teilnehmern angestimmt, unmittelbar nachdem die Demonstration durch den Versammlungsleiter für beendet erklärt wurde. Diesbezüglich sind Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.
Circa 100 Teilnehmer am sogenannten Trauermarsch begaben sich nach Beendigung der Veranstaltung zu Fuß entlang der Bahngleise in Richtung des Bahnhofs Haste. Circa die Hälfte dieser Personen versuchte, eine vermeintliche Spontanversammlung zu initiieren. Dieses wurde aber durch Einsatzkräfte verhindert.
Die Anzahl gewaltbereiter/gewaltgeneigter Personen aus dem linksextremistischen Spektrum im Stadtgebiet war bis zum Beginn des sogenannten Trauermarsches auf bis zu 300 Personen angestiegen, nach Aussage der Polizeidirektion Göttingen. Diese versuchten, überwiegend in Kleingruppen, auf den Marschweg des rechtsextremistischen Aufzuges zu gelangen und dazu auch polizeiliche Sperrstellen zu durchbrechen. Diese Angriffe von Gruppen bis zu einer Stärke von ca. 200
Personen konnten nur durch massiven Kräfteeinsatz, zum Teil unter dem Einsatz körperlicher Gewalt sowie von Pfefferspray, abgewehrt werden. Vier Beamtinnen und Beamte wurden im Verlauf dieser Durchbruchversuche durch Fremdeinwirkung verletzt.
Einer Personengruppe gelang es darüber hinaus, auf der Aufzugstrecke eine Pyramide abzustellen und sich in deren Innern zu fixieren. Im weiteren Verlauf kam es im Bereich dieser Pyramide zu kurzfristigen Sitzblockaden, die erst nach dreimaliger polizeilicher Aufforderung beendet wurden. Die Ankettung an die Pyramide wurde erst nach dem Passieren des sogenannten Trauermarsches, von welchem der Blockadeort durch Polizeikräfte abgeschirmt werden musste, gegen 17.30 Uhr beendet. Die Personen wurden polizeilichen Folgemaßnahmen zugeführt.
Zu Frage 1: Die Polizei hat am 14. August 2010 in Bad Nenndorf größere Ausschreitungen und wesentliche Schäden verhindert, obwohl größere Gruppen gewaltbereiter Personen vor Ort waren und teilweise versucht haben, polizeiliche Absperrlinien zu durchbrechen. Die Sicherheit in der Stadt ist durch einen guten, angemessenen und konsequenten polizeilichen Einsatz gewährleistet worden. Mein Dank gilt deshalb insbesondere den vor Ort eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten.
Die konzeptionellen Planungen des Polizeieinsatzes waren auf der Basis der jeweils vorliegenden Erkenntnisse zu Teilnehmer- und insbesondere Störerzahlen bzw. -absichten fachlich richtig. An dieser Feststellung ändert auch nicht, dass sich die Prognosen zur Anzahl anreisender gewaltbereiter Personen letztlich nicht vollständig bestätigt haben, was sicherlich insbesondere mit den Versammlungsverboten und deren späte Aufhebungen durch die Gerichte zusammenhängen kann und wird. Vor dem Hintergrund des am 14. August verfügbaren Kräfterahmens hat sich dieser Umstand jedoch begünstigend für die Einsatzbewältigung ausgewirkt. Eine noch weitergehende, differenzierte Bewertung wird erst nach einer umfassenden Einsatznachbereitung möglich sein.
reiten Personen und Unbeteiligten zu unterscheiden. Diesem Differenzierungsgebot ist umso schwieriger nachzukommen, je unübersichtlicher bzw. unvorhersehbarer die Zusammensetzung und das voraussichtliche Verhalten der Versammlungsteilnehmer werden. Der polizeiliche Kräfteaufwand steigt dementsprechend aufgrund notwendiger zusätzlicher bzw. zu verstärkender Maßnahmen, wie Vorkontrollen und Absperrmaßnahmen.
Der für den ordnungsgemäßen Ablauf einer Versammlung verantwortliche Versammlungsleiter sollte im eigenen Interesse die Polizei dabei unterstützen, gewaltbereite Personen fernzuhalten bzw. sofort erkennen zu können, um erforderliche Gefahrenabwehrmaßnahmen zu ermöglichen.
Durch eindeutiges Distanzieren des Veranstalters von beabsichtigter Gewalt und strafbaren Handlungen bereits im Vorfeld der Veranstaltung sowie mittels aktiver Kooperation mit der Polizei und verantwortlichem Handeln vor Ort ist dieses möglich. Zudem stellt der Veranstalter mit einer Distanzierung klar, dass er im Rahmen der Versammlungsfreiheit eine friedliche Veranstaltung durchführen will und gewalttätiges oder strafbares Handeln nicht billigt oder duldet.
Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht Hannover in seinem Beschluss zur sogenannten Bündnisdemonstration dem DGB auch vorgehalten, dass er sich zu keiner Zeit in ausreichender Form von Blockadeaufrufen distanziert hat. Das Niedersächsische OVG hatte in diesem Verfahren zwar keinen Anlass, sich zu dieser Distanzierungspflicht zu äußern, hat aber beispielsweise im Beschluss zur rechtsextremistischen Demonstration am 1. Mai 2009 die Pflicht des Veranstalters, sich von unfriedlichen Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmern zu distanzieren, ausdrücklich hervorgehoben.
Auch wenn rechtsextremistische Aufzüge sicherlich für jeden Demokraten eine schwer hinnehmbare Provokation darstellen, erschließt sich der Landesregierung nicht, warum der DGB strafrechtlich relevante Aufrufe zu Massenblockaden einer bestätigten Demonstration unterstützt und diesen Aufrufen damit sogar eine weitere Plattform bietet. Dieses hat das Verwaltungsgericht Hannover ausdrücklich in seiner Begründung dargestellt.
Wir alle sind uns ja einig, und wir müssen nicht darüber reden, wie schwierig gerade die Entscheidung gewesen ist, dass eben nur die rechtsextreme Demonstration durchgeführt werden durfte. Das ist völlig klar. Als ich das gehört habe - das
können Sie mir glauben -, habe ich genauso gefragt: Wie kann so etwas sein? - Wenn man sich dann aber die Begründung durchliest und genau auf diese Passage kommt, muss man schon einmal zumindest eine Sekunde darüber nachdenken - und ich glaube, auch beim Veranstalter darüber nachdenken -, ob das so, wie man das hier gemacht hat, der richtige Weg ist. Wenn man sich dann sogar im Erörterungstermin vor Gericht nicht ausdrücklich davon distanziert, muss man zumindest sagen: Da muss man noch einmal nacharbeiten, damit man das Signal, das man damit insgesamt setzen will, insbesondere auch der DGB, nicht gefährdet. Es geht darum, gerade den jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, ein klares Signal zu setzen. Das sollte man durch so ein Verhalten nicht gefährden. Das wäre das falsche Signal.
Darüber hinaus ist völlig unverständlich, dass auch Mitglieder dieses Hauses derartige Aufrufe unterstützen und sogar öffentliche Trainings für Blockaden durchführen. Hiermit wird ein offensichtlich völlig falsches Verständnis unserer rechtsstaatlichen Verfassung sichtbar. Nach dieser ist es den unabhängigen Gerichten vorbehalten, abschließend und ohne Ansehen der am Verfahren beteiligten Personen über die Durchführung oder ein Verbot von Versammlungen zu entscheiden, und eben nicht einzelnen Interessenvertretungen.
Zu Frage 3: Die Polizei beweist Woche für Woche bei einer Vielzahl von Veranstaltungen, dass sie ihre gesetzlichen Aufgaben uneingeschränkt und mit großem Engagement sowie hoher Professionalität wahrnimmt. Am Wochenende vom 13. bis 15. August 2010 hat sie das unter Beweis gestellt und alle verfügbaren Einsatzeinheiten der Landesbereitschaftspolizei sowie der Aufrufeinheiten des polizeilichen Einzeldienstes in den Einsatz gebracht.
Bei dem Aufgebot von insgesamt ca. 2 300 Beamtinnen und Beamten, die für Lagen am Wochenende in ganz Niedersachsen - neben dem polizeilichen Regeldienst - eingesetzt wurden, kann von einem Offenbarungseid sicherlich keine Rede sein.
Auf die landes- und bundesweite Einsatzlage, von der eine Verfügbarkeit weiterer Einsatzkräfte abhängig ist, hat die Landesregierung keinen Einfluss. Die Aussage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen entbehrt insofern jeder Grundlage.
Meine Damen und Herren, zu den Fragen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Die Vorbemerkungen habe ich bereits insgesamt dargestellt. Deshalb komme ich konkret zur Beantwortung der Fragen.
Zu Frage 1: Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport führt anlassbezogen vor besonders relevanten Großdemonstrationen eine Lagebesprechung durch. In einer solchen Besprechung am 4. August 2010 wurden vom Verfassungsschutz und dem Staatsschutz des LKA die gegenüber der ursprünglichen Gefahrenprognose deutlich erhöhten Teilnehmerzahlen und der Anteil gewaltbereiter Autonomer geschildert. Auf dieser Grundlage wurde die Polizeidirektion Göttingen gebeten, die Gefahrenprognose und den sich daraus ergebenden Bedarf an Einsatzkräften zu überprüfen.
Die Polizeidirektion hat dann auf der Basis eines erhöhten Kräftebedarfs eine weitere Kräfteanforderung gestellt, die im Ergebnis nicht mehr gedeckt werden konnte, da weder eigene Kräfte noch, wie ich schon geschildert habe, Unterstützungskräfte aus anderen Ländern oder der Bundespolizei verfügbar waren. Damit konnte im Falle der Durchführung beider Aufzüge keine Gewähr dafür geboten werden, dass tätliche Auseinandersetzungen mit massiven Rechtsgutverletzungen unterbunden werden können. Die Polizeidirektion Göttingen hat im Rahmen der Beratung der unteren Versammlungsbehörde darauf hingewiesen, dass zu prüfen ist, ob die drohende erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit noch mit Auflagen oder nur durch Versammlungsverbote abgewehrt werden kann.
Zu Frage 2: Grundlage jeder polizeilichen Einsatz- und Kräftekonzeption ist eine umfassende Beurteilung der Lage. Hierzu erstellte Lagebilder sind Voraussetzung für zielgerichtetes polizeiliches Handeln und dienen dem Erkennen, der Analyse und der Prognose polizeirelevanter Ereignisse und Entwicklungen. In Niedersachsen obliegt die Lagebewertung wie auch die anschließende Lagebewältigung der zuständigen Behörde, wo bei größeren demonstrativen Aktionen Lageerkenntnisse grundsätzlich in eine Informationssammel- und Auswertestelle zusammengeführt werden. Als Folge eines engen Informationsaustausches mit den Fachdienststellen des polizeilichen Staatsschutzes und des Verfassungsschutzes fließen dabei auch Informationen dieser Stellen mit ein und werden zusammengefasst bewertet.
Diese Lagebewertung unterliegt bis zum Einsatztag einer ständigen Entwicklung. Bei Versammlungen unter Beteiligung von Angehörigen der rechts- und/oder linksextremistischen Szene verstärkt sich erfahrungsgemäß die Mobilisierung zur Veranstaltungsnähe hin. Dieses kann wie im Fall Bad Nenndorf auch eine kurzfristige deutliche Erhöhung der Prognosen hinsichtlich zu erwartender Teilnehmer und Störer mit sich bringen.
Nach der zuletzt aufgrund weiterer Erkenntnisse vorgenommenen Lagebewertung und darauf basierenden polizeilichen Kräftekonzeptionen wären für den ausreichenden Schutz beider Aufzüge am 14. August in Bad Nenndorf ca. 2 500 Einsatzkräfte erforderlich gewesen. Letztlich bereitgestellt werden konnten aber nur etwa 1 950. Niedersachsen stellte davon etwa 1 150 Beamtinnen und Beamte. Weitere ca. 800 wurden aus anderen Ländern bzw. von der Bundespolizei entsandt. Darüber hinaus waren bereits in der Nacht auf den 14. August weitere 150 niedersächsische Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte einzusetzen, die dann natürlich für die Maßnahmen am 14. August nicht zur Verfügung standen.
Aufgrund zahlreicher anderer Einsatzlagen an besagtem Wochenende in Niedersachsen standen weitere geschlossene Einheiten der niedersächsischen Polizei ebenfalls nicht zur Verfügung. Allein für die vier Heimspiele niedersächsischer Fußballvereine in der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals
sowie aus Anlass eines Sommer-Camps von Castorgegnern im Wendland waren ca. 750 und bei vielerlei Sommer- und anderen Volksfesten insgesamt weitere ca. 400 Polizeibeamtinnen und -beamte einzusetzen. Ein Kräfteabzug aus diesen Lagen wäre nicht möglich gewesen, ohne die Sicherheit der Veranstaltungen infrage zu stellen und den allgemeinen Einsatz- und Streifendienst der Polizei inakzeptabel zu schwächen.
Auch aus anderen Ländern und von der Bundespolizei war über die zugesagten Kräfte hinaus keine Unterstützung mehr zu erlangen. Zwei niedersächsische Unterstützungsersuchen führten aufgrund dortiger Einsatzlagen zu keinen weiteren Kräfteangeboten. Auch der parallele Kräftebedarf eines anderen Landes, nämlich Sachsen, an diesem Wochenende konnte nicht vollständig gedeckt werden.
gleichbar. Anlässlich der Castortransporte bringt Niedersachsen regelmäßig etwa 4 500 eigene Beamtinnen und Beamte in den Einsatz. Hinter dieser Zahl verbergen sich zu einem großen Teil aber auch Polizeibeamtinnen und -beamte, die nicht den geschlossenen Einheiten der Landesbereitschaftspolizei oder der Alarmhundertschaften der Polizeidirektion angehören, sondern andere Funktionen beim Castoreinsatz wahrnehmen, wie beispielsweise die Mitarbeit in den Stäben oder in den Gefangenensammelstellen. Diese Beamtinnen und Beamten sind eben nicht ausgebildet und sind für solche Einsätze, wie sie am 14. August benötigt wurden, nicht einzusetzen.