Protocol of the Session on August 19, 2010

gleichbar. Anlässlich der Castortransporte bringt Niedersachsen regelmäßig etwa 4 500 eigene Beamtinnen und Beamte in den Einsatz. Hinter dieser Zahl verbergen sich zu einem großen Teil aber auch Polizeibeamtinnen und -beamte, die nicht den geschlossenen Einheiten der Landesbereitschaftspolizei oder der Alarmhundertschaften der Polizeidirektion angehören, sondern andere Funktionen beim Castoreinsatz wahrnehmen, wie beispielsweise die Mitarbeit in den Stäben oder in den Gefangenensammelstellen. Diese Beamtinnen und Beamten sind eben nicht ausgebildet und sind für solche Einsätze, wie sie am 14. August benötigt wurden, nicht einzusetzen.

Für die zu verstärkenden Einsatzmaßnahmen in Bad Nenndorf wären weitere geschlossene Einheiten erforderlich gewesen, die jedoch nicht zur Verfügung standen. Von der Gesamtstärke niedersächsischer geschlossener Einheiten waren am Wochenende vom 13. bis 15. August 2010 nahezu 70 % der Kräfte im Einsatz. Dass die Hundertschaften nicht ihre vollen Stärken erreichten, wie dies zum Castoreinsatz der Fall ist, liegt insbesondere daran, dass sowohl die Planungssicherheit im Hinblick auf den Termin als auch die zeitlichen Rahmenbedingungen hierfür andere sind. Der Castortermin wird, um eine größtmögliche Unterstützung sicherzustellen, bewusst außerhalb der Ferien- und Volksfestzeiten gelegt und steht bundesweit lange im Voraus als fixer Termin für die Polizei fest. Beim Einsatz in Bad Nenndorf hingegen hatten Behörden keinen Einfluss auf die Festlegung des Versammlungstermins, der noch in der anhaltenden Urlaubszeit lag. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass eine Terminverlegung vom Veranstalter auch kurzfristig immer noch vorgenommen werden kann, wie es in diesem Jahr auch der Fall war.

Die niedersächsische Polizei hat am in Rede stehenden Wochenende alle verfügbaren Einsatzeinheiten in größtmöglicher Stärke in den Einsatz gebracht und ist damit einmal mehr bis an die zumutbare Belastungsgrenze herangegangen.

(Beifall bei der CDU - Unruhe)

Herr Minister, ich darf kurz unterbrechen. - Ich bitte, dass die Gespräche auch in den Fraktionen eingestellt werden und der Minister die nötige Aufmerksamkeit für dieses sicherlich interessante Thema bekommt.

Meine Damen und Herren, zu Frage 3: Die Landesregierung konnte nach der bisherigen Rechtsprechung zum polizeilichen Notstand davon ausgehen, dass das Verwaltungsgericht Hannover bei Anerkennung der Gefahrenprognose der Polizei und des polizeilichen Notstands sowohl das Verbot des sogenannten Trauermarsches als auch das Verbot der Gegendemonstration bestätigen wird. Die - nicht rechtskräftigen - Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes Hannover, nach denen der sogenannte Trauermarsch stattfinden dürfe und das Verbot der Gegendemonstration Bestand habe, hat sie so nicht erwartet - insbesondere vor dem Hintergrund anderer Urteile, die ich schon genannt habe.

Die Polizeidirektion Göttingen hat dann den Landkreis Schaumburg als untere Versammlungsbehörde bei seiner Beschwerde gegenüber dem Niedersächsischen OVG unterstützt mit dem Ziel, das Verbot des sogenannten Trauermarsches wiederherzustellen.

In einem demokratischen Rechtsstaat obliegt es den unabhängigen Gerichten, über Rechtsstreitigkeiten verbindlich zu entscheiden. Dabei müssen die Richterinnen und Richter nach Recht und Gesetz und ohne Ansehen der am Verfahren beteiligten Personen zu ihrer Entscheidung gelangen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Nach Ih- rer Gefahrenprognose!)

Politische Erwägungen darf das Gericht nicht berücksichtigen.

Frau Flauger, Sie wissen, dass das Verwaltungsgericht in der Begründung den polizeilichen Notstand eindeutig bestätigt hat und dass das Oberverwaltungsgericht aufgrund der zeitlichen Problematik dieses nicht untersuchen konnte und deshalb diese Frage offen gelassen hat. Insofern ist es nicht wahr, dass wir irgendeine Gefahrenprognose aufgestellt haben, die von irgendwelchen Dingen völlig frei gewesen ist. Ich habe Ihnen dargestellt, wie eine solche Gefahrenprognose erstellt wird. Sie ist unabhängig von der Anzahl der verfügbaren Polizeikräfte. Sie hat nur etwas mit der Gefährdungslage zu tun. Deshalb sollten Sie solche Unterstellungen wirklich unterlassen, Frau Flauger.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb darf ich noch einmal darstellen: Politische Erwägungen darf das Gericht nicht berücksichtigen.

Die ausführende Gewalt - Landesregierung, Verwaltung, Polizei - ist in einem demokratischen Rechtsstaat an die Entscheidungen der Gerichte gebunden und hat diese zu akzeptieren und umzusetzen. Ich bedanke mich bei der Polizei, dass sie das so erfolgreich geschafft hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die erste Zusatzfrage stellt die Kollegin Leuschner von der SPD-Fraktion. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Bündnis „Bad Nenndorf ist bunt“ und dem DGB Region Niedersachsen-Mitte, der dieses Bündnis koordiniert, ist es in den letzten drei Jahren immer gelungen, friedliche, gewaltfreie Demonstrationen durchzuführen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demonstrationen kommen aus einem breiten Spektrum der Gesellschaft. Es sind Menschen mittleren und höheren Alters, aus Sportvereinen, aus Sozialverbänden und aus Parteien. Im Endeffekt waren mehr als 1 000 da. Ich frage die Landesregierung: Welche Erkenntnisse haben dazu geführt, dass es diesem Bündnis diesmal nicht gelingen würde, autonome Störer im Grunde genommen zu eliminieren, und von einer anderen Gefahrenprognose auszugehen?

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Herr Minister Schünemann, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Leuschner, ich habe Ihnen sehr ausführlich dargestellt, wie die Gefahrenprognose erstellt wird. Zum einen ist das natürlich Sache der Polizeidirektion Göttingen. Alle Erkenntnisse, die da sind, sind in einer Informationssammelstelle zusammenzuführen. Aber unabhän

gig davon muss natürlich insbesondere das bewertet werden, was der Staatsschutz und der Verfassungsschutz an Erkenntnissen hat. Dabei konnten wir insbesondere in den letzten Wochen und auch noch in den letzten Tagen vor der Demonstration erhebliche Aufrufe gerade im Internet verzeichnen, in denen man sehr eindeutig nicht zu Sitzblockaden, um sein Demonstrationsrecht darzustellen, aufgerufen hat - was man auf der einen Seite bewerten muss -, sondern tatsächlich zu einer Blockade aufgerufen hat, die das Versammlungsrecht nicht durchsetzen soll. Das heißt, man wollte hier eindeutig auch Rechtsbrüche hinnehmen und vornehmen. Dazu ist explizit aufgerufen worden.

Darüber hinaus hat gerade der Verfassungsschutz auch Erkenntnisse aus anderen Bundesländern, wie viele dort insbesondere von den Autonomen Nationalisten mobilisiert werden. Wir haben hier in Niedersachsen etwa 40 Autonome Nationalisten.

(Zuruf von der SPD: In der Region Hannover!)

- 40 Autonome Nationalisten in Niedersachsen laut Verfassungsschutzbericht. Diese Zahl ist relativ klar.

(Zuruf von Patrick-Marc Humke-Focks [LINKE] - Weitere Zurufe - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Humke-Focks, im Moment hat Herr Minister Schünemann das Wort!

Ich habe in den Berichten des Verfassungsschutzes sehr ausführlich auf die Gefahren durch die rechten und rechtsextremen Autonomen hingewiesen. Das ist ein Phänomen, das es in Niedersachsen seit zwei, drei Jahren gibt. Der Schwerpunkt liegt in Nordrhein-Westfalen mit erheblich mehr Potenzial. Gerade aus Nordrhein-Westfalen, aber auch aus anderen Ländern ist mobilisiert worden. Wir haben über den Verfassungsschutz erfahren, dass man nach Bad Nenndorf in Niedersachsen fahren wollte. Genauso gab es eine Mobilisierung im Bereich der Linksextremen.

Das heißt, wir hatten in diesem Jahr zum einen eine höhere Prognose, was die Gesamtteilnehmerzahl angeht. Zum anderen haben wir auch eine Prognose gehabt, die, was die Zahl der Gewaltbereiten angeht, erheblich von den Prognosen bei den Demonstrationen der letzten Jahre abweicht.

Man kann natürlich der Auffassung sein, dass man den polizeilichen Notstand in einem solchen Falle niemals ausrufen darf, weil dadurch die Versammlungsfreiheit in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden könnte. Ich sage Ihnen aber: Das ist absolut notwendig. Es geht darum, dass wir dann, wenn wir nicht ausreichend Kräfte haben, um eine links und rechts gewaltbereite Szene in den Griff zu bekommen, gerade junge Menschen gefährden, die ihren Protest organisieren und zeigen wollen. Wenn sie in solche Lagen kämen, möchte ich einmal sehen, welche Debatten dann hier geführt würden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn wir diese Erkenntnisse haben, ist es einfach eine Pflicht, sie an die Polizeidirektion Göttingen weiterzugeben, die ja für die Durchführung zuständig war. Sie hat dann zu analysieren, was tatsächlich notwendig ist. Diese Informationen lagen nachweislich vor. Ich kann Ihnen die ganzen Aufrufe vorlesen. Ich kann Ihnen vorlesen, wer dazu aufgerufen hat, sich an den rechtswidrigen Blockaden zu beteiligen. Es ist ganz interessant, wer dazu aufgerufen hat, gerade in diesem Jahr.

Wenn also solche Informationen vorliegen, muss man so, wie hier von mir dargestellt, handeln und muss man auch dem Landkreis Schaumburg genau diese Informationen geben. Der Landkreis Schaumburg hat dann auch entsprechend gehandelt.

Meine Damen und Herren, hier davon auszugehen, dass in irgendeiner Weise manipuliert worden ist, ist einfach eine Unterstellung. Vom System der Lagebeurteilung her geht das gar nicht. Es geht darum, die übereinstimmenden Informationen von Verfassungsschutz und Staatsschutz zusammenzuführen. Diese Informationen hat die örtliche Behörde, die Polizeidirektion auszuwerten. Diese Informationen müssen weitergegeben werden. Dies ist in diesem Falle geschehen. Ich bin dankbar, dass das in Niedersachsen so hervorragend funktioniert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Frage stellt Herr Kollege Bachmann von der SPD-Fraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, ich will mich einmal mit dem Vorabend der Ereignisse

in Bad Nenndorf befassen. Es war ja wohl absehbar, dass sich aufgrund der Gemengelage - Demonstrationsverbote, polizeilicher Notstand, Gerichtsentscheidungen, Eilanträge - das NDR-Fernsehen damit befassen wird. Meine Frage ist, warum Ludger Abeln wie folgt moderieren musste: Wir haben Innenminister Schünemann zur Sendung eingeladen. Er hat keine Zeit. Schön, dass Sie, Herr Landespolizeidirektor Lührig, Zeit haben. - Herr Schünemann, was war an dem Abend wichtiger,

(Zuruf von der CDU: Das ist ja uner- hört!)

als bei der bestehenden Gemengelage der Öffentlichkeit Informationen über die Hintergründe und das Entstehen der Gemengelage zu geben? Oder waren Sie einfach nur abgetaucht?

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Herr Minister Schünemann, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Medien - insbesondere der NDR, aber auch alle anderen - haben einen Anspruch darauf, dass sie vollständig auch von der Landesregierung informiert werden. Das war auch in diesem Fall durch den Landespolizeidirektor gewährleistet.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Wa- rum hatten Sie keine Zeit?)

- Ich kann Ihnen sagen, wo ich war, aber das spielt doch gar keine Rolle. Erstens ist es ganz wichtig, dass die Informationen fließen. Zweitens ist es richtig, dass sich der Innenminister vor einer solchen Demonstration und insbesondere während einer Demonstration immer über die Lage informiert und gegebenenfalls auch reagieren muss, wenn es notwendig ist. Es ist ebenso absolut richtig, dass sich gerade ein Innenminister in dieser Phase durchaus zurückhält. Das tun wir übrigens auch bei den Castortransporten. Sie werden einen Tag vor einem solchen Transport oder während des Transports nie erleben - das war auch in der Vergangenheit nicht anders -, dass sich ein Innenminister in diese Dinge öffentlich einmischt. Er hat dort einen ganz anderen Job.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das werde ich auch in Zukunft so halten. Ich sage Ihnen aber genauso: Ich habe mich eben nicht abgeduckt, sondern habe mich natürlich sofort, als die Demonstration beendet war, in das Studio beim NDR begeben und habe Rede und Antwort gestanden. Das ist die übliche Praxis. Das ist auch richtig so. Insofern können Sie nicht sagen, dass ich in irgendeiner Weise abtauche. Jede Information wird hier gegeben. Es ist gute Praxis, dass sich ein Innenminister in einer solchen Situation dorthin begibt, wo es tatsächlich etwas zu entscheiden gibt, und sich bei den öffentlichen Diskussionen zurückhält. So werde ich es auch in der Zukunft halten.

(Beifall bei der CDU)

Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE.