Protocol of the Session on August 18, 2010

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Eben hat Herr Lang- specht geredet!)

Da hilft auch kein zögerliches Inschutznehmen mehr. Jetzt müssen Sie sich an die Spitze der Bewegung stellen, und zwar schnell. Wenn sich diese Vorwürfe erhärten, dann ist das gravierend, dann muss das Folgen haben, meine Damen und Herren. Dann muss das Folgen haben!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Sehr geehrte Frau Grotelüschen, ich kann Sie nur auffordern: Legen Sie heute alles offen! Diese Vorwürfe müssen schnell und umfassend geklärt werden,

(Zurufe von der CDU: Welche?)

und es muss auch geklärt werden, wer für wen welche eidesstattliche Versicherung geschrieben hat, wer welches Faxgerät benutzt hat.

(Widerspruch bei der CDU)

Das, was wir hier erlebt haben, muss aufgeklärt werden!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Jens Na- cke [CDU]: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei alledem darf aber auch nicht vergessen werden, was die Debatte der letzten Tage gezeigt hat. Da ist nämlich deutlich geworden, dass das, was wir in den Ställen gesehen haben, kein Einzelfall ist, gerade wenn es zum Ende der Mastzeit für die Tiere kommt. Das ist eine wirklich erschreckende Erkenntnis, meine Damen und Herren.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Warum brin- gen Sie das gerade jetzt? Das alles wissen wir!)

Da, meine Damen und Herren, muss die oberste Tierschützerin und die oberste Verbraucherschützerin auch in dieser Frage klar Position beziehen. Da darf sie nicht herumeiern!

(Beifall bei der SPD)

Frau Grotelüschen, wir wollen sicher sein, dass Sie mit aller Kraft gegen rechtswidrige Zustände vorgehen, wobei die Zweifel, ob Ihnen das gelingt, immer größer werden.

(Hartmut Möllring [CDU]: Wo liegen denn welche vor?)

Ich sehe Sie hier noch am 1. Juli stehen - das ist noch gar nicht so lange her -, wie Sie die linke Hand gehoben haben und voller Stolz den Eid auf die Verfassung geschworen haben. In der Verfassung, meine Damen und Herren, ist der Tierschutz als Staatsziel verankert. In unserer Verfassung steht: Tiere müssen als Lebewesen geachtet und geschützt werden. - Frau Ministerin, das sind hohe Ansprüche. Was machen Sie?

(Hartmut Möllring [CDU]: Was hat PETA gemacht?)

Sie sagen, „In den Ställen ist doch alles in Ordnung“, obwohl das Veterinäramt sagt, es seien zu viele Tiere im Stall, die nicht mehr ausreichend an die Tränk- und Fressplätze kommen. Dann sagen Sie, jetzt auch unterstützt von Ihrem Mann, sollten

sich diese Vorwürfe bewahrheiten, liege das in der Verantwortung der selbstständigen Bauern, diese seien ganz alleine verantwortlich. - Ja, so einfach machen Sie sich das! Das, meine Damen und Herren, werden wir nicht zulassen.

(Beifall bei der SPD)

Die Landwirte müssen hierbei den Kopf hinhalten. Aber unter welchen Rahmenbedingungen arbeiten diese selbstständigen Landwirte eigentlich? Wer legt diese Rahmenbedingungen fest, Herr Große Macke?

(Zuruf von der CDU: Die Landwirte selbst!)

Wer brütet diese Bedingungen eigentlich aus?

(Zustimmung bei der SPD)

Was regelt eine solche Erzeugergemeinschaft oder, wie Sie sagen, ein solcher reiner Marketingzusammenschluss? Schaut man sich dazu die Unterlagen einmal an, ergibt sich ein ganz anderes Bild: Die Brüterei hat den Mästern vorgegeben, wo und wie viele Küken gekauft werden, hat die Mastmethoden und Standards, die Haltungs- und Fütterungsbedingungen, den Bezug des Futters sowie Art und Umfang der Kontrollen vorgegeben, und sie hat vorgegeben, wer schlachtet und wer vermarktet - alles ist bis ins Kleinste geregelt. Verstößt der selbstständige Bauer gegen die Auflagen, dann wird sein Gesellschafteranteil eingezogen. Das regelt der Marketingzusammenschluss. Das ist das System, das immer deutlicher wird - heute wieder ein Stückchen mehr.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Grotelüschen, ich glaube Ihnen, dass Sie kein Interesse daran haben, dass Tiere in der Mast vorzeitig sterben. Sie haben das mehrfach dargelegt: Jedes Tier, das vorzeitig stirbt, schmälert den Gewinn. - Aber, Frau Grotelüschen, genau diese Äußerungen machen Ihr Problem aus. Es muss um die Verantwortung für das Lebewesen und um die Verantwortung für das Lebensmittel gehen. Es muss gewährleistet sein, dass es unabhängige Kontrollen und klare Sanktionen gibt. Kontrolleure müssen glaubwürdig sein, und zwar bis in die Chefetage hinein. Sie aber sind befangen. Sie sind in der neuen Aufgabe noch nicht angekommen. Ihnen fehlt die Distanz.

(Beifall bei der SPD)

Da hilft auch kein Ehemann, der Sie in Schutz nimmt. Das scheint übrigens eine ganz neue Form einer bäuerlichen Notgemeinschaft zu sein.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt ist nicht mehr die Putenzüchterin aus Leidenschaft gefragt. Jetzt stehen Sie in der Verantwortung für den gesamten Geschäftsbereich. Sie müssen endlich aufklären. Wir werden dazu beitragen, dass alles aufgeklärt wird. Diese Debatte wird eine Fortsetzung haben.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau König zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 100 Tage im Amt, und die Landwirtschaftsministerin in Niedersachsen macht Schlagzeilen. Aber welche!

Frau Ministerin, Sie waren Geschäftsführerin in der Mastputenbrüterei Ahlhorn, die nach eigenen Angaben die Nummer zwei unter den Putenkükenlieferanten in Deutschland ist. Rund 5 Millionen Tiere pro Jahr haben Sie produziert. Jetzt führt Ihr Mann den Betrieb allein. Mit Ihrer Ernennung zur Ministerin haben Sie zwar die Prokura abgegeben. Trotzdem hat meine Fraktion die Verflechtung, die Ihr beruflicher Werdegang mit sich bringt, schon bei Ihrem Amtsantritt kritisch gesehen und, wie sich heute bestätigt, recht behalten. Sollten sich solche Vorfälle, wie z. B. die Faxe, die heute angesprochen worden sind, bestätigen, dann ist klar: Sie mischen noch kräftig mit!

(Beifall bei der LINKEN)

Die Partei DIE LINKE setzt sich für eine artgerechte Tierhaltung ein. Diese ist jedoch in den Mastställen, die Sie beliefert haben, angesichts des enormen Leistungsdrucks und der abgeschlossenen Verträge nicht immer möglich. Es muss Ihnen doch bekannt gewesen sein, dass Bedingungen vorhanden sind, die dazu führen, dass der Tierschutz in diesen Mastställen nicht immer gewährleistet ist. Dabei war es doch bei Ihrem Amtsantritt vorauszusehen, dass Tierschützer recherchieren, berichten und auch klagen.

Mir ist auch die Erklärung der Landesregierung dazu „Ein Autoverkäufer wird auch nicht in Verantwortung genommen, wenn der Käufer hinterher zu schnell fährt“ zu einfach.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer in einer solchen engen Geschäftsverbindung steht - wir sehen das mit der Erzeugergemeinschaft -, sollte nicht nur aus moralischen Gründen klären: An wen verkaufe ich meine Putenküken? Wie wird mit meinem Produkt umgegangen? Was vermarkte ich da später, oder was kaufe ich sogar für die Großschlachterei wieder zurück? Das wären Sie auch dem Verbraucher schuldig gewesen. Es bewahrheitet sich: Nicht hinzusehen, kommt wie ein Bumerang zurück.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich hätte erwartet, dass Sie dann, wenn Sie mit dem Leid der Tiere in den Mastställen konfrontiert werden, wie in dem Interview und in der Reportage, diesen Missstand kritisieren und verurteilen.

(Zuruf von der CDU: Hat sie doch!)

Ihre Antwort, das sei nicht wünschenswert, ist eine Bagatellisierung und lässt an der Ernsthaftigkeit der Tierschützerin zweifeln.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie haben wortwörtlich gesagt: Das ist nicht wünschenswert.

Frau Ministerin, mit Ihrer Ernennung wurde nicht nur eine Ministerin, die industrielle Tierzucht fördert, sondern eine Unternehmerin, die Großställe beliefert, die dieses System mit aufgebaut hat und es weiter stützt, ins Amt geholt. Bei Ihnen stehen Familie, Politik und Unternehmen in enger Verbindung. Das zeigt sich auch in den Berichten, in denen Sie von „Wir“ sprechen, wenn Sie über die Putenbrüterei berichten. Unsere Zweifel bestätigen sich immer mehr: Politik und Unternehmen sind bei Ihnen nicht voneinander zu trennen. Das ist nach dem heutigen Tag nicht mehr von der Hand zu weisen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ich komme zum Schluss. Meiner Fraktion nimmt die Aufmerksamkeit, die dieser Skandal einnimmt, zu viel Raum ein. Er bindet Arbeitskraft. Es ist doch nicht hinnehmbar, dass eine Sondersitzung nicht stattfindet und dafür andere Themen in Ausschusssitzungen nach hinten geschoben werden.

Agrarwirtschaft in Niedersachsen besteht auch noch aus anderen Themen. Wir hätten das Thema artgerechte Tierhaltung und Tierschutz gern sachlich diskutiert. Das ist aber aufgrund der vorliegenden Verflechtung und Verfilzung nicht mehr möglich. Das Vertrauen in der Bevölkerung ist erschüttert. Immer wieder höre ich die Frage: Wie kann denn eine solche Ministerin das Amt der Tierschützerin wahrnehmen? - Darauf gibt es keine Antwort.