Das ist ein schwieriges Thema. Das hat sich ja auch durch die ersten beiden Beiträge gezogen. Ein großes Unbehagen macht sich in dieser Debatte breit, auch in der Bevölkerung. Das merkt man. Sehr treffend hat das Herr Schirrmacher bezeichnet. „Neue Machtmaschinen eines neuen Zeitalters“ nennt er diese neuen IT-Unternehmen wie Google oder Apple oder Facebook. Wir wissen noch nicht so richtig, wie wir damit umgehen sollen.
Wenn wir ehrlich sind - das hat sich ja auch durch die ersten Redebeiträge durchgezogen -, sind wir ratlos. Die ganze Sache ist ziemlich ambivalent. Denn auf der einen Seite nutzen wir natürlich diese ganzen Programme, und wir sind relativ begeistert. Wer zum ersten Mal Google Earth benutzt hat, hat gesagt: Wow! Das ist ja echt ein faszinierendes Programm. Ich fahre eben mal schnell nach Tokio. Ich gucke mir das an. - Ich war hin und weg, wie ich ehrlicherweise sagen muss.
Jeder von uns nutzt Google als Suchmaschine. Viele in diesem Landtag haben eine FacebookSeite. Diejenigen, die diese Angebote nutzen, wissen, dass auch andere Kollegen dies tun. Wahrscheinlich jeder wird das schon getan haben. Ich frage aber: Wer hat sich die Nutzungsbedingungen von Facebook eigentlich schon einmal ganz genau und intensiv angeschaut? - Es gibt immer viele Debatten über die Frage: Was machen die mit den Daten, insbesondere dann, wenn sie nach Amerika transferiert werden?
Also: Die ganze Ambivalenz an dieser Sache wird deutlich. Ich weiß, ehrlich gesagt, auch nicht ganz genau, wie die Daten aggregiert werden, wie sie aufbereitet werden und an wen sie weitergegeben werden können. Damit muss man sich ganz schön intensiv befassen.
Jetzt allerdings hat die ganze Debatte eine neue Qualität, einen neuen Schwung bekommen. Bei privatem Haus und Hof hört für viele der Spaß nun doch auf. Da kommt dann ein besonders ungutes Gefühl auf.
Ich muss zunächst einmal sagen: Ich finde es gut, dass diese Debatte geführt wird. Dass wir in der Bundesrepublik Deutschland ein neues Datenschutzbewusstsein haben, ist sehr wertvoll. Wir
haben es schon bei der Vorratsdatenspeicherung erlebt. Ich möchte das jetzt aber nicht unbedingt miteinander vergleichen. Wir haben es bei SWIFT erlebt, und wir erleben es jetzt auch bei Google Street View. Die Leute werden langsam wach und merken: Aha, da kommt eine neue Qualität auf uns zu. Da muss sich jetzt auch gesetzlich etwas tun.
Meines Erachtens ist es also sehr wertvoll, dass man sich wieder seiner Privatsphäre bewusst wird. Demokratie braucht einfach auch Rückzugsräume, und diese neuen digitalen Machtmaschinen brauchen definitiv auch Grenzen.
Wir haben im Innenausschuss bereits zwei Anträge zu diesem Thema liegen. Der Bundesrat hat dazu schon weitgehend beschlossen. Der Bundesinnenminister sagt: Das ist mir vielleicht ein bisschen zu schnell geschossen. Ich bin mir noch nicht so ganz sicher, ob das der Weisheit letzter Schluss ist.
Fakt allerdings ist, glaube ich, dass wir neue gesetzliche Regelungen brauchen. Wir haben unzählig viele Beiträge, Debatten, Berichte und Artikel zu diesem Thema. Ich finde es von den Medien etwas wohlfeil - das muss ich hier wirklich einmal anmerken -, dass sie sagen: Aha, die Politik rennt mal wieder einem neuen technischen Phänomen hinterher und hat keine richtige Lösung. - Ja, warum nicht? - Weil die Lösung wirklich schwierig ist. Das, was der Spiegel schreibt, ist ein bisschen billig: Aha, Politiker haben keine Ahnung von der neuen Netzwelt. Macht da mal ein paar kluge Gesetze! - Das aber ist nicht so ganz einfach; denn ein kluges Gesetz braucht manchmal auch seine Zeit.
Was wir aber definitiv brauchen - ich glaube, darüber besteht in diesem Hause Konsens; so jedenfalls habe ich es herausgehört -, ist ein rechtswirksames Widerspruchsrecht. Wir dürfen nicht einfach nur auf die Freundlichkeit dieser Konzerne und darauf hoffen, dass die das schon machen werden, sondern wir brauchen eine starke Rechtsposition der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Deshalb wäre es nett gewesen, wenn sich auch die Niedersächsische Landesregierung einmal zu diesem Thema geäußert hätte. Der Einzige, der das einmal getan hat, war Herr Busemann. Der hat sich damit schon einmal beschäftigt. Aus dem Verbraucherschutzministerium habe ich bis jetzt aber noch nie etwas zu diesem Thema gehört, und auch Herr Schünemann ist zu diesem Thema sehr,
sehr schweigsam. Diese Debatte findet zwar bereits statt. Bei der Landesregierung scheint es dazu bislang aber überhaupt keine Position zu geben. Wir brauchen also ein strenges Widerspruchsrecht. Keine Frage!
Ferner brauchen wir - auch das ist sehr wichtig - maximale Transparenz und Kontrollrechte, um Aufschluss darüber zu bekommen, was Google mit diesen Daten genau macht. Dafür brauchen wir einen sehr effektiven Datenschutz. Es muss kontrolliert werden, wie Google die Rohdaten aufbereitet, was damit passiert und ob diese Daten auch ins Ausland transferiert werden. Dann nämlich sind sie weg aus der Bundesrepublik, und wir sind sehr, sehr ungeschützt.
Ein letzter Punkt, der ebenfalls entscheidend und wichtig ist: Insgesamt brauchen wir deutlich mehr Schulung, Sensibilisierung und auch mehr Zurückhaltung bei der allgemeinen Datensammelei. Dies gilt auch für den privaten Sektor. Dort haben wir in der Vergangenheit viele, viele katastrophale - will ich einmal sagen - oder fragwürdige Ereignisse gehabt: bei der Bahn, bei Lidl, bei Google und auch bei den WLAN-Netzen. Der Staat sollte sich ruhig ein bisschen mehr zurückhalten, was die allgemeine Datensammelei angeht. Weniger Daten, meine sehr verehrten Damen und Herren, bedeuten auch mehr Freiheit.
Danke schön, Herr Briese. - Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt Frau Flauger das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Google Street View ist in aller Munde. Die einen sagen, sie wollten ihre Privatsphäre schützen und nicht jeden wissen lassen, ob sie im Garten gepflegtere oder ungepflegtere Beete haben oder ob sie sich da nackt sonnen. Da schützt dann auch ein verpixeltes Gesicht nicht. Die anderen sagen: Ist doch in Ordnung. Auch jetzt schon kann jeder mein Haus fotografieren. Das ist doch eine hübsche Anwendung, was es ja auch zweifelsfrei ist.
Man muss über Google aber wissen: Dieser Konzern macht es nicht, um den Menschen kostenlos eine nette und schöne Anwendung zur Verfügung zu stellen. Man muss wissen, dass Google Unmengen von Daten über das Verhalten von Nutzern im Netz speichert - übrigens meistens ohne vorher zu fragen -, bis hin zu E-Mail-Inhalten, die dann auch inhaltlich ausgewertet werden. Aus den gespeicherten Daten erstellt Google dann Profile, alles mit dem Ziel, Mann, Frau und Kind zu gegebener Zeit mit passender Werbung zu beglücken. Herr Toepffer hat dies hier ja gerade eindrucksvoll geschildert. Damit verdient Google sein Geld. Dafür zahlen die, die bei Google werben, sehr gut. Und darum geht es. Das ist ein Wirtschaftsunternehmen. Darüber muss man sich im Klaren sein.
Das ist deshalb besonders problematisch, weil Google in manchen Bereichen quasi ein Monopol hat. Im Suchmaschinenbereich hat Google Marktanteile von mehr als 85 %. Deshalb trägt Google auch den Namen Datenkrake völlig zu Recht. Aber diese grenzenlose und völlig uneingeschränkte Datensammelwut von Google erfährt in der Politik nicht annähernd die gleiche Diskussionsfreudigkeit und Aufregung wie jetzt über die Sommerpause Google Street View, obwohl diese Datensammlungen schon seit Jahren stattfinden.
Da findet jetzt Überraschung statt, hektische Aktivität macht sich breit, als sei das Thema ganz neu. Das ist es aber wirklich nicht. In den USA gibt es Street View seit Mai 2007, in Italien seit November 2008. Seit zwei Jahren fahren Google-Street-ViewAutos durch Deutschland. Vor einem halben Jahr hat Google angekündigt, Street View in Deutschland noch in diesem Jahr einzuführen. Insofern sollten Politikerinnen und Politiker jetzt nicht heuchlerisch so tun, als wären sie alle normalerweise ganz engagierte Datenschützer und wären jetzt unfair überrascht worden, während z. B. im Innenausschuss die Koalitionsfraktionen dieses Thema wiederholt von der Tagesordnung abgesetzt haben. Darüber wollten Sie nämlich nicht reden.
(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das ist doch nicht wahr! Das Gegenteil ist der Fall, Frau Kollegin! Wir haben im letz- ten Ausschuss eine Unterrichtung be- antragt! Das ist nicht wahr!)
Dieses Versäumnis kann aber auch niemanden wirklich überraschen; denn das Verständnis für Datenschutz insbesondere bezüglich des Internets ist in der Politik einfach viel zu wenig ausgeprägt.
Ich möchte aber auch sagen: Politikerinnen und Politikern von Parteien, die anders als die Linke Vorratsdatenspeicherung, Flugdaten- und Bankverkehrsdatenweitergaben an US-Geheimdienste beschließen, sollte man die jetzt geheuchelte Empörung und heldenhafte Verpixelung des eigenen Hauses einfach nicht abnehmen.
Wir brauchen dringend ein modernisiertes Datenschutzgesetz, das weitgehend technikunabhängig die Rechte zur Speicherung und Nutzung von Daten und die entsprechenden Pflichten und Sanktionen regelt. Das ist übrigens auch eine Forderung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten der Länder.
Die rasante technische Entwicklung macht es einfach unmöglich, auf jeden Einzelfall und jede konkrete technische Neuerung mit einem neuen Gesetz zu reagieren. Das funktioniert nicht. Deshalb bedarf es generellerer Regelungen, eines modernisierten Datenschutzgesetzes. Deshalb greift auch ein Google-Street-View-Gesetz, wie es heute im Bundeskabinett beraten wird, deutlich zu kurz, und es scheint mir doch mehr eine Alibifunktion zu haben, um dann das Thema Datenschutz wieder entspannt zu den Akten legen zu können.
Wir brauchen moderne nationale Regelungen für den Datenschutz. Da hat Herr Toepffer völlig recht. Die sollten z. B. regeln, dass Internetangebote standardmäßig hohen Datenschutz bieten und die Anwender einer erweiterten Datenspeicherung und -nutzung ausdrücklich zustimmen müssen. Das ist das sogenannte Opt-in-Verfahren. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Google heute macht. Heute muss man erst widersprechen, damit die Daten nicht gespeichert werden.
Wir sollten die Möglichkeit vorschreiben, dass Anwender auf die über sie gespeicherten Daten elektronisch zugreifen und auch ihre Widerspruchsrechte elektronisch ausüben können und nicht einen Brief schreiben und abschicken müssen; das ist ein Medienbruch, der nicht zu vertreten ist.
Weil das weltweite Netz - das World Wide Web -, wie der Name schon sagt, übernational ist und sich nicht auf ein Land beschränkt, brauchen wir dar
über hinaus internationale Vereinbarungen, um zumindest ein Grundniveau zu gewährleisten. Natürlich - auch dazu haben meine Vorredner schon etwas gesagt - müssen diese Regelungen durchsetzbar sein. Es müssen Strukturen geschaffen werden, die den Vollzug der Regelungen ermöglichen. Freiwillige Selbstverpflichtungen und Papiertiger reichen nicht. Ich begrüße ausdrücklich, dass die FDP, die sonst ja immer so gern auf freiwillige Selbstverpflichtungen setzt, jetzt diese Auffassung unsererseits teilt und sagt, dass es dafür gesetzlicher Vorschriften bedarf.
Meine Damen und Herren, ein Gutes hat die aktuelle Sommerloch-Google-Street-View-Debatte: Sie bringt das Thema Datenschutz in die öffentliche Diskussion, wo es hingehört. Wir brauchen ein modernisiertes Datenschutzrecht unter Hinzuziehen von Expertinnen und Experten. Man sollte dazu allerdings nicht unbedingt die mit Anwenderprofilen und Internetwerbung Profit machenden Unternehmen, also die Frösche, fragen, wie man den Sumpf der Datensammelwutschnüffelei endlich austrocknen kann. Das wird nicht funktionieren.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die aktuelle intensive Diskussion zum Projekt Google Street View zeigt die große Bandbreite der Meinungen auf. Sie reicht von Zustimmung und der Ankündigung der eigenen Nutzung des Dienstes bis hin zur konsequenten Ablehnung. Die Bewertungen reichen von „ganz normal“ bis hin zu „unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre“. Die Politik ist daher gehalten, weder eine Dämonisierung noch ein unkritisches Hochjubeln vorzunehmen, sondern wir sind gefordert, einen verlässlichen rechtlichen Rahmen und Eckpunkte aufzuzeigen, die uns bei der Nutzung neuer Medien wichtig sind, und das ist mehr als nur Google.
Wer sein Haus bei Google Street View sehen möchte, wer den Dienst gerne nutzen möchte, der soll das machen können. Dagegen haben wir nichts. Es gilt aber genauso der Umkehrschluss: Wer etwas gegen die Veröffentlichung dieser Informationen hat, der muss wirksame Instrumente
Hier hätten Bund und Land handeln können und auch handeln müssen. Ich war ein bisschen überrascht, als ich die Überschrift zu dieser Aktuellen Stunde gelesen habe; denn in der Sitzung des Innenausschusses letzte Woche hätten wir Gelegenheit gehabt, über einen Antrag zu Google Street View und einen Antrag zum Datenschutzrecht der Grünen zu diskutieren. Man erlebt leider auch auf Bundesebene einen Wettlauf der Hilflosigkeit. Im Rahmen der Pressekonferenz letzte Woche sind auf die Fragen nach der Einklagbarkeit des Widerspruchrechts, der Abarbeitung der Widersprüche und der Kontrolle weder vom Innenministerium noch vom Verbraucherschutzministerium noch vom Regierungssprecher Angaben gemacht worden.
In Niedersachsen bekommen wir den Vorschlag, eine staatliche Widerspruchsstelle einzurichten. Darüber kann man diskutieren. Es wurde aber kein Wort darüber gesagt, wo diese Stelle angesiedelt werden soll und wie sie ausgestattet sein soll. Seit zwei Jahren ist Google mit seinem Projekt in Deutschland unterwegs, und wir dürfen nicht so tun, als käme das alles jetzt ganz neu für uns. Ich fordere Sie auf: Legen Sie ein Datenschutzrecht vor, das internettauglich gemacht wird! Wir benötigen keine Lex Google, sondern eine Antwort auf die Frage, wie der Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts aussehen soll, wenn im Internet eine Verknüpfung von öffentlich zugänglichen Daten mit personenbezogenen Daten vorgenommen werden kann.
Insgesamt muss für das Internet die Frage beantwortet werden: Was ist öffentlich, und was ist privat? - Diese Frage stellt sich bei Google, sie stellt sich bei jedem anderen Angebot von Geodaten, und sie stellt sich genauso bei sozialen Netzwerken im Internet. Ein verlässlicher Rechtsrahmen muss her, in dem die Bürgerinnen und Bürger dann entscheiden können, ob sie an Google Street View oder an anderen Projekten teilnehmen möchten oder nicht. Ich sage auch: Ein ständig fortzuschreibender Datenschutz ist eine verfassungsmäßig vorgegebene Aufgabe, die durch keine technische Entwicklung und auch nicht wegen der globalen Vernetzung aufgegeben werden darf.
Ich will noch einmal die Idee einer staatlichen Widerspruchsstelle auf Landesebene aufgreifen. Man sollte dann sehr intensiv darüber nachdenken, sowohl eine personelle als auch eine materielle Stärkung des Landesdatenschutzbeauftragten einzufordern. Wir benötigen nämlich nicht nur eine Stelle, die Widersprüche sammelt, sondern auch eine Stelle, die kontrollieren kann, ob sich Google an den Rechtsrahmen und die Widersprüche hält.
Meine Damen und Herren, informieren Sie die Bürgerinnen und Bürger über ihr Recht zum Widerspruch! Geben Sie ihnen Musterwidersprüche an die Hand, die aus meiner Sicht auf die Seiten der Ministerien gehören! Helfen Sie insbesondere denen, die im Internet nicht so firm sind und sich auf traditionellem Weg zur Wehr setzen wollen! Informieren Sie die Bürgerinnen und Bürger, dass sie zu jeder Zeit Widerspruch erheben können und nicht an eine Vierwochenfrist gebunden sind! Gerne hätte ich auch die Frage diskutiert, wie man mit der Monopolisierung von frei zugänglichen Informationen im öffentlichen Raum in Zukunft umgehen möchte. Hier hätten wir Antworten geben müssen. Vor allen Dingen müssen wir uns auch mit der Frage beschäftigen: Wie würden diejenigen, die jetzt zustimmen, reagieren, wenn der Staat angekündigt hätte, die Daten zu sammeln, die Google Street View jetzt bereitstellt?