Protocol of the Session on August 18, 2010

wenn wir in verantwortbarer Weise die Aufgabe übernehmen wollen - in Bezug auf den Industriestandort Deutschland und insbesondere auf den Standort Niedersachsen, den wir erhalten wollen, in Bezug auf die Infrastruktur und Entscheidungen für die Zukunft unseres Landes -, eine sichere, klimaverträgliche und wettbewerbsfähige Energieversorgung zu realisieren, dann muss man sich für diese Debatte, für diese Auseinandersetzung Zeit nehmen, und dann muss man sie in allen Facetten führen, manchmal auch strittig.

(Zustimmung bei der CDU)

Bei der Unterschiedlichkeit der Interessen, die hier betroffen sind, ist es überhaupt kein Wunder, dass in der jetzigen Phase der Debatte die verschiedenen Interessen auch artikuliert werden.

(Johanne Modder [SPD]: Ach, so ist das!)

Die eine oder andere Äußerung in diesem Zusammenhang in den vergangenen Tagen - auch das will ich allerdings deutlich sagen - seitens verschiedener leitender Angestellter in Deutschland tätiger Energieversorger habe ich persönlich und haben auch viele andere als wenig hilfreich empfunden.

(Zustimmung bei der CDU)

Das kann uns natürlich nicht davon abhalten, mit diesen Herren weiterhin darüber zu diskutieren, wie wir eine zukunftssichere langfristige Energieversorgung, ein Energiekonzept für Deutschland auf Dauer erarbeiten.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das nennt man Erpressung!)

Jetzt komme ich zu dem Beitrag von Herrn Schostok. Wissen Sie, es ist ja so: Lesen bildet.

(Johanne Modder [SPD]: Was wollen Sie denn?)

Ein Blick in den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP hätte Ihnen viele der Fragen, die Sie hier aufgeworfen haben, beantwortet. Denn darin ist das Ziel der Bundesregierung eindeutig definiert, die erneuerbaren Energien als die Energieversorgung der Zukunft zu forcieren und zu etablieren.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Aha!)

Nicht atomare, nicht fossile, sondern erneuerbare Energie. Die Kernenergie ist nicht die zentrale Zukunftsoption. Das ist dort ausdrücklich formuliert. Sie ist abgeleitet vom Ausbau der erneuerbaren Energien. Mit ihnen wollen wir die Energieversorgung für die kommenden 40 Jahre, für die nächsten Generationen aufbauen.

Jetzt sprechen wir über die Verlängerung der Laufzeit vorhandener Kernkraftwerke. Auch dazu gibt es im Koalitionsvertrag klare Vorgaben, welche Regelungen und welche Voraussetzungen - insbesondere über die Betriebszeiten der Kernkraftwerke, Sicherheitsniveau, Höhe und Zeitpunkt eines Vorteilsausgleichs, Mittelverwendung zur Erforschung vor allem erneuerbarer Energien und der Speichertechnologien - hierzu getroffen werden sollen.

(Detlef Tanke [SPD]: Endlagerung?)

Wir begrüßen die Ankündigung von Umweltminister Norbert Röttgen, einen Teil der Mittel aus der Besteuerung des Laufzeitvorteils für die Sanierung der Asse II zu verwenden. Das ist ein wichtiges Petitum, insbesondere für die Niedersachsen in dieser Diskussion. Ein wesentlicher Teil des sogenannten Vorteilsausgleichs - auch das ist sehr positiv zu sehen - soll in die Förderung erneuerbarer Energien fließen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sprechen Sie jetzt von der Brennelementesteuer?)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Frage der Laufzeitverlängerung muss - das blendet die Opposition schlicht und ergreifend aus - im Rahmen eines energiepolitischen Gesamtkonzeptes geklärt werden.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sprechen Sie jetzt von der Brennelementesteuer?)

Das Gutachten, das Bundesumweltminister Norbert Röttgen in Auftrag gegeben hat, um die verschiedenen Szenarien der Kraftwerksinfrastruktur zu vergleichen, soll bis November vorliegen. Darauf aufbauend, soll dann im nächsten Schritt ein energiepolitisches Gesamtkonzept entwickelt werden.

(Johanne Modder [SPD]: Sie sind noch nicht so weit!)

Ich finde es bemerkenswert, dass Sie den dritten vor dem ersten Schritt tun wollen. Es ist bezeichnend, weil es sowohl Umweltminister Trittin zu seiner Zeit als auch Umweltminister Gabriel zu seiner Zeit niemals geschafft haben, ein solches energiepolitisches Gesamtkonzept vorzulegen, weil Sie die Debatte immer ausschließlich ideologisch geführt und immer ausschließlich an Ihrem aufgeheizten Thema der Kernenergie festgemacht haben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Das ist nicht verantwortbar. Das werden wir so nicht machen. Aus niedersächsischer Sicht - das hat Ministerpräsident David McAllister in den letzten Tagen mehrfach sehr klar deutlich gemacht - müssen sich die Laufzeiten daran orientieren, was energie- und klimapolitisch und sicherheitstechnisch verantwortbar ist, nicht daran, was maximal möglich ist. Das ist unsere Position.

Hinzu kommt, dass einige Fragen, die angesichts der besonderen Verantwortung, die Niedersachsen im Zusammenhang mit der Energiepolitik in Deutschland trägt, mitgeklärt werden müssen und auf die Tagesordnung gehören. Das fordern wir ein. Dazu gehören beispielsweise die Fragen der Altlasten der Asse, die Erkundung von Gorleben, die Frage des Einsatzes von Schacht Konrad, der Salzgitterfonds, ein nationales Energieforschungsinstitut, Aktivitäten für Rückbaubürgschaften im Bereich der Offshore-Technologien etc. pp.

Sehr geehrte Damen und Herren, über die Debatte in der Union würde ich mir an Ihrer Stelle nur begrenzt Sorgen machen.

(Detlef Tanke [SPD]: 32 zu 31!)

Wir haben wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass der Ministerpräsident von Baden-Württemberg in seiner Regierungserklärung beispielsweise ein sehr eindeutiges Bekenntnis zur Zukunft der erneuerbaren Energien abgelegt hat. Das begrüßen wir. Auf CDU und FDP wird auch in dieser Diskussion Verlass sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile dem Kollegen Dr. Hocker von der FDPFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich vor einigen Tagen davon erfahren habe, dass wir heute im Rahmen der Aktuellen Stunde ausgerechnet über das Thema Kernkraft diskutieren, habe ich mich gefragt, was genau wir denn hier heute überhaupt debattieren sollen.

(Lachen bei der LINKEN - Zurufe von der LINKEN und von den GRÜNEN)

Wir haben über die Nutzung von Kernenergie mit ihren zahlreichen Facetten in diesem Plenum wahrscheinlich häufiger diskutiert als über die allermeisten anderen Themen. Auch in der Diskussion über die Restlaufzeiten gibt es meines Erachtens keine neuen Erkenntnisse oder Diskussionsansätze, bis die Bundesregierung ihr Energiekonzept in wenigen Wochen präsentiert haben wird.

Vielleicht diskutieren wir aber auf Wunsch der SPD heute deswegen darüber, weil die schwarz-gelbe Landesregierung unter David McAllister sowieso, aber auch endlich die Bundesregierung, weniger

Angriffsfläche bietet, als das noch vor einigen Monaten der Fall gewesen ist,

(Lachen bei der LINKEN - Zurufe von der LINKEN und von den GRÜNEN - Detlef Tanke [SPD]: 32 zu 31! - Weite- re Zurufe)

und der SPD deswegen - - -

(Unruhe)

Herr Kollege, ich unterbreche Sie kurz. - Bitte fahren Sie fort!

- - - vielleicht einfach die Themen für ihre Aktuellen Stunden ausgehen und Sie deshalb darauf zurückgreifen müssen.

(Beifall bei der CDU - Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, eine zukunftsweisende Energiepolitik muss vor allem drei Anforderungen erfüllen: Sie muss einerseits Versorgungssicherheit gewährleisten. Sie muss andererseits Energie zu kostengünstigen Preisen zur Verfügung stellen und des Weiteren natürlich den Anforderungen der Nachhaltigkeit genügen. Ich habe mich von dieser Stelle aus in der Vergangenheit immer wieder dafür ausgesprochen, nicht aus der Kernkraft auszusteigen, bevor gesichert ist, wie die Energieversorgung in Deutschland alternativ erfolgen kann. Zu dieser Haltung stehe ich nach wie vor.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Niedersachsen hat sich mittlerweile bundesweit zu dem Bundesland der erneuerbaren Energien entwickelt. Insbesondere in den Bereichen Windenergie, Offshore und im Bereich der Biomasse nehmen wir bundesweit eine Spitzenposition ein. Aufgrund des Einspeisevorrangs für erneuerbare Energien vor fossilen Energieträgern und einer umfassenden Förderung stammt mittlerweile mehr als ein Viertel des in Niedersachsen verbrauchten Stroms aus eigenen erneuerbaren Quellen. Das bedeutet allerdings im Umkehrschluss auch, dass trotz dieser geradezu goldenen Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien der Löwenanteil unseres Energieverbrauchs immer noch zu mehr als zwei Dritteln aus nicht erneuerbaren Energien stammt. An dieser Stelle muss man den Realitäten einfach einmal ins Auge blicken. Um die Energieversorgung in Deutschland in den kommenden

Jahren sicherzustellen, werden wir an der Nutzung der Kernenergie nicht vorbeikommen.

(Zuruf von der LINKEN: Quatsch!)

Mit dem sogenannten Atomkonsens der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung steht Deutschland im internationalen Vergleich des Jahres 2010 europaweit und international ganz schön einsam und verlassen da.

(Detlef Tanke [SPD]: Bestens!)

Die US-Regierung plant neue Kraftwerke, Herr Tanke. In Japan sind weitere 14 Kraftwerke entweder im Bau oder noch in der Planung. Auch die schwedische Regierung hat sich vor einigen Wochen für den Ausstieg aus dem Ausstieg entschieden, ganz zu schweigen von unserem besonders energielastigen Nachbarn Frankreich, der etwa 80 % seines Energiebedarfs mit Kernenergie deckt.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Alles mit massiven staatlichen Subventionen! - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ja! Im Sommer müssen sie abschalten!)