Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten Monaten beobachten wir folgenden Trend: Immer mehr Organisationen, immer mehr Fachleute aus der Wirtschaft - Frauen und Männer - fordern die Einführung einer verbindlichen Frauenquote für Aufsichtsräte.
Rein demografisch gesehen, stehen wir vor einem Fachkräftemangel, der sich gewaschen hat - auch vor einem Führungskräftemangel. Man muss die Weisheit nicht gepachtet haben, um sich auszurechnen, dass unsere Volkswirtschaft in echte Wachstumsprobleme gerät, wenn wir bei den Führungspositionen weiterhin auf 50 % des Talentpools verzichten. Die Boston Consulting Group braucht Frauen, die unlängst tagende Justizministerinnenkonferenz hat sich ebenfalls mit diesem Thema befasst. Auch die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes meldete sich in dieser Hinsicht zu Wort. Selbst die Frauenunion in Niedersachsen unter Federführung unseres Finanzministers, Herrn Möllring,
forderte eine gesetzliche Quote. Und TelekomVorstand Sattelberger gilt mit seinem Vorschlag mittlerweile als Frauenversteher Nummer eins in Deutschland.
Schlussendlich zeigt es auch der FührungskräfteMonitor des DIW 2010: Es bringt nichts, sich auf den guten Willen der Wirtschaft zu verlassen.
Es ist eindeutig: Die Zustimmung zu unserem Vorschlag wächst. Wenn diese Landesregierung und die Mehrheit in diesem Hause bei ihren Positionen bleiben, dann liefern sie ein weiteres Beispiel für eine Frauenpolitik von gestern.
Sie dürfen sich auch nicht hinter dem Prinzip der Freiwilligkeit verstecken. Sie müssen erklären, ob Sie Frauen in Aufsichtsräten in der angestrebten Zahl wollen oder nicht.
Ein Staat, der seinen Verfassungsauftrag zur Gleichstellung ernst nimmt, kann viel erreichen. Seit 2006 muss eine neu zu gründende norwegische AG eine Mindestquote an Frauen im Aufsichtsrat vorweisen. Bestehende Unternehmen hatten bis Ende 2007 Zeit, diese Vorgabe zu erfüllen. Und sie alle haben es geschafft. Die Argumente der Wirtschaft waren damals die gleichen wie jetzt in Deutschland, aber bewahrheitet habe sich keine der düsteren Prophezeiungen, wie der norwegische Wirtschaftsminister Ansgar Gabrielsen erklärte. Es gab weder Abwanderungen von Betrieben noch sonstigen Schaden für den Standort Norwegen. So viel Mut wünschen wir uns für Niedersachsen.
Wenn Sie auf Freiwilligkeit setzen, dann geben Sie dieses Ziel freiwillig auf. Denn freiwillig wird die in diesen Ebenen agierende Männergesellschaft doch nicht ihren Posten räumen! Wer dort sitzt, ist in der Regel nicht dort angekommen, weil er anderen gerne den Vortritt lässt. Meine Damen und
Herren, es ist doch völlig naiv, zu glauben, Sie könnten ohne klare Regelungen, ohne präzise politische Vorgaben das männliche Wirtschaftsbiotop feminisieren.
Lange genug wurde auf Freiwilligkeit gesetzt. Es war noch nie verboten, Frauen in die Aufsichtsräte zu wählen. Außer in Norwegen hat sich auch in Spanien und Frankreich sowie den Niederlanden die Erkenntnis durchgesetzt, dass Unternehmen, die Frauen in der Spitze haben, erfolgreicher sind. Auf dem Weg dahin muss allerdings noch einiges mehr passieren, als ständig daran zu appellieren, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Vordergrund zu stellen. Die berufstätige Rabenmutter gehört in den eben zitierten Ländern schon lange auf den Müllhaufen der Geschichte.
Was mich allerdings angesichts der intensiven öffentlichen Debatte, die der Quote in Norwegen vorausging, sehr beeindruckt, ist die breite politische Mehrheit, die eine sanktionsfähige Quotierungsregelung unterstützt - kein Erfolg ohne Sanktionen! Die Unternehmen hatten vier Jahre lang Zeit, sich auf diese Veränderungen einzustellen. Sonst drohte ihnen die Auflösung.
Lassen Sie uns auch Ernst machen, und lassen Sie uns gemeinsam ein Gesetz auf den Weg bringen, damit in Deutschland die Zeit der Herrenrunden in den Aufsichtsräten bald der Vergangenheit angehört!
Eine Gesellschaft kann ihr Potenzial nur dann ausschöpfen, wenn Männer und Frauen gleichberechtigt an der Gestaltung des Wirtschaftslebens beteiligt sind. - Das gilt - frei nach Amartya Sen, dem Wirtschaftsnobelpreisträger - insbesondere für Spitzenpositionen.
Natürlich, Herr Bode, können Sie auch freiwillig sofort etwas tun: Entsenden Sie als Vertreter des Landes zur Hälfte Frauen in die Aufsichtsräte in Niedersachsen!
Frau Kollegin, gestatten Sie mir noch den Hinweis, dass ich sehr großzügig bei Ihrer Redezeit gewesen bin, weil Sie unter erschwerten Bedingungen beginnen mussten.
(Jens Nacke [CDU]: Es war doch sehr ruhig! - Gegenruf von Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Weil keiner da war!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Einbringung dieses Antrags ins Parlament am 17. März und der anschließenden Ausschussberatung erleben wir es heute ganz sicher, dass CDU und FDP auch weiterhin an ihren Standpunkten festhalten und die Frauenförderung damit außer Acht lassen werden. Das hat die Debatte zum Gleichstellungsgesetz gestern deutlich gezeigt. Das wird auch in Zusammenhang mit der Wahl des neuen Fraktionsvorstandes der CDU in diesem Sommer deutlich - ein siebenköpfiges Gremium: sechs Männer, eine Frau.
Dazu sage ich: wirklich eine tolle Gleichberechtigung! Ich sehe das auch als Abwertung der Frauen in Ihrer Fraktion.
Zur Vorbereitung auf die heutige Debatte habe ich mir den Stenografischen Bericht vom 17. März 2010 noch einmal durchgelesen. Ich zitiere aus diesem Bericht Frau König von der FDP:
„Bei einer solchen Flexibilität und Belastung bedarf es eines verständnisvollen Partners, der vieles abnimmt.“
Frauen bedürfen nicht eines verständnisvollen Partners, Frau König. Unsere Gesellschaft braucht verantwortliche Väter, die mit dem Tag der Geburt ihres Kindes Verantwortung mittragen und zur Versorgung des Kindes beitragen. „Verständnisvolle Partner“ klingt so, als ob wir Frauen auch noch dankbar sein sollten, wenn Männer die halbe Arbeit, ihre Aufgabe und den gleichen Anteil an Verantwortung tragen. Das halten wir für selbstverständlich.
- Frau König, wenn man für den beruflichen Aufstieg einen verständnisvollen Partner braucht, dann verwehren Sie ja den alleinerziehenden Frauen das Recht auf beruflichen Aufstieg. Das muss man auch einmal sehen.
Die Partei DIE LINKE ist die Partei der sozialen Gerechtigkeit. Dazu gehören natürlich auch gleiche Rechte für Frauen.
Solange die Interessen von Frauen aufgrund geringer Anzahl von Frauen in höheren politischen und wirtschaftlichen Positionen schlecht vertreten sind, muss der Anteil von Frauen in Entscheidungsgremien durch Quotierung erhöht werden.