Protocol of the Session on August 17, 2010

Denn sie beruht auf einem gemeinsamen Entschließungsantrag von vier Fraktionen dieses Hauses vom Februar dieses Jahres und auf einstimmigen Entschließungen zum Schulversuch ProReKo seit 2001. Die SPD hat diese Beschlüsse nicht nur initiiert und sämtlich mitgetragen, sondern auch in dem vorliegenden Fall frühzeitig auf den Zeitdruck hingewiesen. Der besteht darin, dass die an dem Schulversuch ProReKo beteiligten Schulen - hoch engagierte Schulen - nur noch bis zum 31. Dezember dieses Jahres unter den Bedingungen des Schulversuchs weiterarbeiten können und danach rechtlich quasi auf den Altzustand zurückgeworfen wären. Darum liegt der SPD-Fraktion sehr daran, dass die Umsetzung der erfolgreich erprobten Teile des Schulversuchs für alle berufsbildenden Schulen in diesem Parlament möglichst einvernehmlich beschlossen wird. Aber die gesetzlichen Bestimmungen müssen dann auch dem Geist und dem Buchstaben des Entschließungsantrags vom Februar entsprechen. Da gilt es, im Verlauf der Beratungen doch noch einige Zweifel auszuräumen und Klärungen vorzunehmen.

(Beifall bei der SPD)

Vorab ist auffällig, dass in der Begründung des Gesetzentwurfs diese Entschließung vom Februar nicht erwähnt wird - im Gegensatz zu dem Be

schluss von 2001, dem Schulversuch ProReKo und seiner Evaluation und zu den Transferempfehlungen. Ich kann nur hoffen, dass bloß eine Unachtsamkeit und kein Abrücken von gemeinsamen Forderungen dahintersteckt; denn das wäre eine nicht tolerierbare Missachtung des Parlaments.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Als Zweites fällt eine Schieflage auf, die den angesprochenen Verdacht nähren könnte. Im Gesetzentwurf werden nämlich einseitig nur die Aspekte umgesetzt und angesprochen, die Organisationsstrukturen und Fragen des gemeinsamen Budgets betreffen. Alles andere bleibt weitgehend ausgeblendet. Wenn Sie fragen, welche Aspekte fehlen, dann zitiere ich aus dem damaligen Antrag nur zwei Sätze. Der erste beinhaltet die Forderung,

„den berufsbildenden Schulen zu ermöglichen, ein vor Ort angesiedeltes eigenverantwortliches Personalmanagement einzurichten, Verwaltungsleiterinnen und -leiter sowie Assistenzkräfte einzustellen und diese stellenmäßig abzusichern“.

(Beifall bei der SPD)

Der zweite ist der markant hervorgehobene Schlusssatz der Entschließung. Er lautet:

„Für den Zeitraum von zwei Jahren wird den Schulen zur Etablierung der neuen Strukturen und Prozesse eine angemessene Entlastung ermöglicht.“

Beides taucht im Gesetzentwurf nicht auf.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Gegenteil: Dort heißt es unter „Haushaltsmäßige Auswirkungen“:

„Die vorgesehenen Änderungen betreffen vorrangig organisatorische Änderungen, die keine zusätzlichen Kosten verursachen.“

Meine Damen und Herren, das kann so nicht gehen.

(Beifall bei der SPD)

Selbst wenn die genannten weiteren Aspekte untergesetzlich, also durch Verordnungen und Erlassen, geregelt werden können, gehören sie doch zu den gewünschten und geforderten Transferbereichen des Schulversuchs ProReKo und sind spätestens in den Ausschussberatungen mit einzu

bringen. Was immer dahintersteckt, Unklarheiten oder Konflikte im Ministerium oder zwischen Ministerien - das alles darf keinesfalls auf dem Rücken der Verantwortlichen in den berufsbildenden Schulen ausgetragen werden!

(Beifall bei der SPD)

Wir erwarten von Ihnen, Herr Minister Althusmann, dass Sie hier und heute unmissverständlich erklären: Alle Teile der gemeinsamen Entschließung von CDU, SPD, Grünen und FDP werden verbindlich umgesetzt!

(Beifall bei der SPD)

Der Klärungsbedarf im Detail geht übrigens noch weiter. Er betrifft zunächst die neu ins Gesetz eingeführten Organisationseinheiten Bildungsganggruppen und Fachgruppen. Verschiedene weitere Paragrafen des Schulgesetzes müssten an diese neuen Organisationseinheiten angepasst werden. Zu fragen wäre auch, ob es bis zu Ende durchdacht ist, wenn die an die Stelle der Fachkonferenz tretenden Bildungsganggruppen und Fachgruppen als Beschlussgremien keine Eltern- und Schülervertreter haben. Das ist nur eine von vielen Fragen, die im Ausschuss zu klären sein werden. Eine kleine Auswahl von weiteren angesichts der Zeitknappheit: Ist die Vertretung der Schulleitung im Vorstand mit einem Viertel der Sitze nicht zu stark? Reicht ein einzelner Elternvertreter aus? Ist es rechtlich zulässig, dass ein Viertel der Sitze an außerschulische Vertreter geht? - Ich könnte fortfahren.

Mein Fazit lautet: Der Gesamteindruck ist der einer gewissen Oberflächlichkeit. Es liegt in den Ausschussberatungen im Detail wie in den großen Zügen noch viel Arbeit vor uns, damit diese Gesetzesänderung wirklich einen erkennbaren Fortschritt für die berufliche Bildung bewirkt.

Es ist auf alle die Punkte, die ich angesprochen habe, in den Ausschussberatungen noch Rücksicht zu nehmen. Nur wenn das trotz des Zeitdrucks mit Sorgfalt und Augenmaß geschieht, könnte wiederum ein positives gemeinsames Signal für die berufsbildenden Schulen von einem Beschluss dieses Hauses ausgehen. Die SPD ist dazu bereit. Tragen auch Sie Ihren Teil dazu bei!

Danke schön.

(Starker Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege Försterling.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei dem Thema der Weiterentwicklung der berufsbildenden Schulen zu regionalen Kompetenzzentren gab es in diesem Haus immer ein grundlegendes Einverständnis über die Notwendigkeit der Weiterentwicklung und auch über die dafür erforderlichen Schritte.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Ich habe trotz der Einlassungen von Frau Korter und von Herrn Poppe doch noch die Hoffnung, dass dieser Grundkonsens bei den Beratungen über den Gesetzentwurf von CDU und FDP auch weiterhin vorhanden sein wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich kann nicht nachvollziehen, Herr Poppe, dass Sie hier von einem überstürzten Verfahren sprechen. Sie haben erwähnt, welche Vorberatungen Sie sich gewünscht hätten. Wir sind hier bei der ersten Beratung eines Gesetzentwurfes von CDU und FDP. Selbstverständlich sind wir bereit, jede Frage, die Sie aufgeworfen haben, in den Ausschussberatungen zu klären und mit Ihnen gemeinsam darüber zu beraten. Wenn Sie sachdienliche Hinweise auf Verbesserungen haben, werden wir diese zur Kenntnis nehmen, und wir werden die Verbesserungen dann auch vornehmen. Das ist doch selbstverständlich.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich sage Ihnen aber auch Folgendes ganz deutlich. Sie haben angedeutet, dass wir die KleinKlein-Regelungen, die Sie aufgezählt haben, in das Schulgesetz aufnehmen sollten. Frau Korter, nach Ihren Vorstellungen sollen wir im Schulgesetz jetzt auch darstellen, wie der Umsetzungsprozess verlaufen soll. Den Schulen soll per schulgesetzlicher Regelung quasi vorgeschrieben werden, welche Personen sie möglicherweise als Verwaltungskräfte anstellen. Damit machen Sie ja die Grundidee des Modellversuches ProReKo kaputt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir aber wollen den Schulen die Freiräume geben, sich selbst weiterzuentwickeln. Genau darauf zielt dieser Gesetzentwurf ab, indem er ganz deutlich die Anpassung von Organisationsstrukturen ins Auge fasst.

Natürlich werden wir uns der Frage stellen, ob in den Bildungsgang- und Fachgruppen Schüler- und Elternvertreter dabei sein müssen oder nicht. Wir sagen erst einmal, dass das für einen schnellen, dynamischen Prozess bei den Entscheidungen in den jeweiligen Bildungsgängen nicht notwendig ist, weil Schüler- und Elternvertreter im Schulvorstand natürlich nach wie vor vertreten sind. Über die Verteilung, über die Viertelregelung können wir gern noch einmal diskutieren. Wichtig ist aber, dass Schüler- und Elternvertreter in dem genannten Bereich vertreten sind. Natürlich erfolgt auch über den Schulvorstand nach wie vor eine Steuerung, nämlich über innerschulische Zielvereinbarungen mit den jeweiligen Bildungsgängen. Hier wird also keine Steuerung aus der Hand genommen, sondern wir definieren die Prozesse nur anders: Wir kontrollieren die Ziele und lassen den handelnden Menschen die Freiräume, um diese Ziele zu erreichen. Das ist das Ziel von ProReKo. Dieses Modell wollen wir an allen berufsbildenden Schulen umsetzen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die wichtigste Änderung wird natürlich das gemeinsame Budget nach einem in das Schulgesetz einzufügenden § 112 a sein. Damit werden wir regeln, dass alle berufsbildenden Schulen künftig ein gemeinsames Budget von Schulträger und Land einrichten können und dass dieses Budget auch gemeinsam bewirtschaftet wird. Das bedeutet natürlich, dass die Schulen bei der Umsetzung Unterstützung benötigen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir diese Unterstützung, wie es auch in dem gemeinsamen Entschließungsantrag von den Grünen, der SPD, der CDU und der FDP zum Ausdruck kommt, bieten können, damit die Qualität aller berufsbildenden Schulen in Niedersachsen - und das muss das Ziel sein - zum Wohle der Schülerinnen und Schüler weiterentwickelt werden kann. Diese Weiterentwicklung muss im Bereich der Schulen stattfinden. Den Freiraum dafür wollen wir den handelnden Personen mit dieser Schulgesetzänderung einräumen.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Kollegin Korter hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Försterling, es geht nicht um Klein-Klein oder darum, dass wir den Schulen irgendetwas vorschreiben wollen. Es geht vielmehr um die Umsetzung dessen, was vier Fraktionen im Februar hier im Landtag beschlossen haben.

(Astrid Vockert [CDU]: Dann schrei- ben Sie auch nicht Klein-Klein in das Gesetz!)

Ich zitiere, Frau Vockert, aus unserem gemeinsamen Entschließungsantrag:

„Für den Zeitraum von zwei Jahren wird den Schulen zur Etablierung der neuen Strukturen und Prozesse eine angemessene Entlastung ermöglicht.“

In Ihrem Gesetzentwurf ist zu den haushaltsmäßigen Auswirkungen zu lesen:

„Die vorgesehenen Änderungen betreffen vorrangig organisatorische Änderungen, die keine zusätzlichen Kosten verursachen.“

Da stimmt doch irgendetwas nicht!

Herr Försterling möchte antworten. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Korter, die Frage ist doch in der Tat, ob wir das, was wir im Entschließungsantrag der Landesregierung in Bezug darauf, was sie zu erfüllen hat, aufgetragen haben, im Schulgesetz noch einmal verankern müssen. Im Sinne einer schlanken bürokratischen Abarbeitung und im Sinne von schlanken Gesetzen beantworte ich diese Frage mit Nein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)