Protocol of the Session on June 10, 2010

Das Wort hat jetzt Frau Ministerin Özkan. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Kinder sind unsere Zukunft, da sind wir uns alle einig. Ihre Belange zu schützen und zu beachten, ist eine unserer wichtigsten Aufgaben. Deshalb haben wir alle es sehr begrüßt, dass der Landtag letztes Jahr mit den Stimmen aller Fraktionen die Aufnahme der Kinderrechte in die Niedersächsische Verfassung beschlossen und damit die Rücksichtnahme auf Kinder zum Staatsziel erklärt hat.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Kinder müssen - auch da sind wir uns alle einig; jeder, in dessen Umfeld Kinder sind, weiß es - die Möglichkeit haben, Freiräume zu nutzen, zu rennen, zu toben, zu spielen, zu kreischen - und das nicht nur in einer Kita und im Garten der Kita, sondern auch im Umfeld, auf Spielplätzen und an anderen Orten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Um dem Gedanken Rechnung zu tragen, wird die Landesregierung in der Neufassung der Niedersächsischen Bauordnung u. a. eine Verpflichtung für Bauherren aufnehmen, bei der Errichtung von Gebäuden ab einer Anzahl von sechs Wohnungen grundsätzlich Spielplätze für Kinder bis zu sechs Jahren anzulegen. Auch das ist ein Zeichen, wobei wir sagen: Damit müssen wir uns anfreunden und darauf müssen wir ein Stück weit hinarbeiten.

Gemeinsam mit anderen Bundesländern hat Niedersachsen - Herr Riese hat es erwähnt - im März 2010 in einem Bundesratsbeschluss noch einmal seine Position zum Ausdruck gebracht.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Dort heißt es - ich zitiere -:

„Das Recht sollte klar zum Ausdruck bringen, dass Kinderlärm sozialadäquat ist. Wenn Kinder innerhalb und außerhalb von Betreuungseinrichtungen spielen, verursachen sie Geräusche, Lärm und Krach. Kinder brauchen Freiräume, um spielerisch soziales Verhalten zu erlernen“

(Zustimmung von Heidemarie Mund- los [CDU])

„und sich geistig wie körperlich entwickeln zu können.“

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Adler?

Ich würde gerne erst einmal im Zusammenhang sprechen. Sie können ja danach fragen.

Darüber hinaus haben CDU/CSU und die FDP auf Bundesebene in ihrem Koalitionsvertrag bekräftigt, dass Kinderlärm keinen Anlass für gerichtliche Auseinandersetzungen geben darf und die Gesetzeslage entsprechend geändert wird. Ich meine, bei diesen beiden Ansätzen ist die Bundesregierung jetzt in der Pflicht und gefordert, das geltende Bundesrecht entsprechend anzupassen.

(Zustimmung von Heidemarie Mund- los [CDU])

Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Bundesregierung sowohl das, was im Koalitionsvertrag steht, als auch das, was jetzt im Bundesrat beschlossen wurde, sehr schnell umsetzen wird.

Was wir zusätzlich landesrechtlich machen können, werden wir jetzt prüfen. Wir nehmen die Anregungen aus dem Ausschuss mit, die sehr gut waren, und werden schauen, was wir im Vorgriff darauf ändern können. Kinderlärm ist keine unzumutbare Lärmbelästigung. Von daher können wir dem, was Sie sagen, zustimmen: Kinderlärm ist Zukunftsmusik, und das werden wir auch entsprechend berücksichtigen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Herr Adler von der Fraktion DIE LINKE hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Ich gebe Ihnen anderthalb Minuten, Herr Adler. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, wir hätten es ein bisschen einfacher haben können, wenn Sie meine Zwischenfrage zugelassen hätten. Jetzt muss ich meine Frage in dieser Form stellen.

Ist Ihnen eigentlich bekannt, dass die Mehrheit in diesem Haus, noch bevor Sie Ministerin wurden, das niedersächsische Spielplatzgesetz abgeschafft hat und dass das, was Sie in Ihrer Rede vorgeschlagen haben, nämlich in der Niedersächsischen Bauordnung eine Verpflichtung einzuführen, Spielplätze in bestimmtem Umfang einzurichten, im Grunde nichts anderes ist als die Wiederherstellung des Zustandes, den wir hier in Niedersachsen schon einmal hatten? Kann ich jetzt auf eine Änderung der Regierungspolitik hoffen?

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Wir sind am Ende der Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/1866 in geänderter Fassung annehmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Vielen Dank. Gegenprobe! - Wer enthält sich? - Bei wenigen Enthaltungen ist so beschlossen worden.

Herzlichen Dank.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 33 auf:

Zweite Beratung: a) Vorglühen, Komasaufen, Notaufnahme: Kinder und Jugendliche vor dem Teufelskreis von Alkoholmissbrauch, Sucht und Absturz bewahren - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/1512 - b) Aufklärung, Prävention und konsequenter Gesetzesvollzug gegen Alkoholmissbrauch - Jugendliche und Erwachsene in der Verantwortung - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/2410 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit - Drs. 16/2538 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2564

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 16/2410 unverändert anzunehmen und den Antrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/1512 abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/2564 zielt auf eine Annahme des Antrages der Fraktionen der CDU und der FDP in einer geänderten Fassung ab.

Wir kommen zur Beratung. Zunächst hat sich Frau Staudte gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort, Frau Staudte.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Erfreulich ist, dass der Alkoholkonsum von Jugendlichen in den vergangenen Jahren insgesamt im Durchschnitt zurückgegangen ist. Sorge muss uns

aber weiterhin der Trend eines immer noch viel zu großen Teils der Jugendlichen zum sogenannten Komasaufen bereiten. Ob Vatertagstour - in Anführungsstrichen - oder Flashmob, immer wieder kommt es zu mehr oder weniger organisierten Saufgelagen.

Sorge bereitet uns selbstverständlich in diesem Zusammenhang auch die erhöhte Gewaltbereitschaft unter Alkoholeinfluss. Hier brauchen wir ein wohl überlegtes Konzept, nicht nur repressive Einzelmaßnahmen à la Schünemann.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Viel zu selten wird auch die Frage der Ursachenforschung gestellt; denn selbstverständlich ist davon auszugehen, dass sich Schulstress und Studienstress während der Woche auf exzessives Trinken am Wochenende auswirken.

Unser politisches Ziel ist der maßvolle, nicht süchtige Umgang mit Alkohol und die bessere gesellschaftliche Akzeptanz der totalen Abstinenz. An dieser Stelle möchte ich auch auf die Vorbildfunktion von uns Politikerinnen und Politikern hinweisen. Es geht uns an dieser Stelle nicht darum, dass wir zu besonderen Anlässen in der Öffentlichkeit nicht auch einmal mit einem Glas Sekt anstoßen sollen, sondern es geht darum, dass es nicht in Ordnung ist, wenn man sich zusammen mit JU-Vorsitzenden mit einer Schnapsflasche ablichten lässt. Das ist genauso inakzeptabel wie Freibier auf JU-Veranstaltungen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Verantwortung haben wir Erwachsenen aber nicht nur als Vorbild, sondern auch dann, wenn es darum geht, den Zugang Jugendlicher zu alkoholischen Getränken zu beschränken. Aus guten Gründen gibt es ein Verbot für den Verkauf von Bier, Wein und Sekt an unter 16-Jährige und von Spirituosen an unter 18Jährige. Die Verkaufsbeschränkungen bei Alkohol müssen aber sehr viel wirksamer umgesetzt werden. So sollte auf allen alkoholischen Getränken die Altersfreigabe deutlich sichtbar gekennzeichnet werden. Bei den zahlreichen Mixgetränken, die es inzwischen gibt, ist auf den ersten Blick für die Kassiererin kaum ersichtlich, ob es sich um ein Getränk handelt, das ab 16 oder ab 18 freigegeben ist. Das Verkaufspersonal muss durch Kassen unterstützt werden, die automatisch jeweils aktuell anzeigen, ab welchem Geburtsdatum alkoholische

Getränke aktuell verkauft werden dürfen. Dieses Datum ändert sich schließlich jeden Tag.

Wir halten es auch für absolut notwendig - das ist eigentlich fast der wichtigste Punkt in unserem Änderungsantrag -, die Steuern für hochprozentige Getränke deutlich zu erhöhen. Eine Flasche Wodka für 4,99 Euro ist definitiv zu billig.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Hochprozentiges darf nicht zu Taschengeldpreisen erhältlich sein. Hier muss der Staat endlich den Mumm haben, sich mit der Alkohollobby anzulegen - ein Punkt, der leider in den Anträgen von CDU und SPD nicht zu finden ist.

Zurück zur Landesebene. Ein besonderes Ärgernis für einige Erwachsene ist immer wieder der Alkoholkonsum von Jugendlichen auf öffentlichen Plätzen. Aber auch hier sollten wir uns vor falschen Konzepten hüten. Innenminister Schünemann schickt ja gerne seine Beamten los, um Jugendliche auch ohne konkrete Anhaltspunkte zu überprüfen und gegebenenfalls Platzverweise auszusprechen. Damit stellt er Jugendliche nicht nur unter einen Generalverdacht, dieses Konzept wirkt häufig auch kontraproduktiv; denn wo viel Polizei ist, da ist scheinbar auch immer etwas los, und dann werden mit dem Handy noch mehr Leute herbeitelefoniert. Viel erfolgreicher ist da das Konzept von „Go Willi“ in Göttingen. Statt Polizei und Videoüberwachung sind dort Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter vor Ort, die Zugang zu den Jugendlichen haben und für eine wirksame soziale Kontrolle sorgen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Mit diesem Konzept konnten die Beschwerden über Jugendliche am Wilhelmsplatz in Göttingen enorm eingedämmt werden. Ich denke, das wäre auch ein sinnvolles Konzept für Hannover und den Opernplatz.