Protocol of the Session on June 10, 2010

Da entstehen Kosten für die Stadt. Aber viel gravierender sind die Auswirkungen auf die Eltern und Kinder, die auf Betreuung angewiesen sind, und auch die Wirkung auf unsere Gesellschaft insgesamt. Solche Fälle gibt es leider viel zu viele.

Wie war das? „Kinder sind unsere Zukunft“? - Dann müssen wir sie auch so behandeln!

(Beifall bei der CDU)

Deshalb begrüße ich es außerordentlich, dass es heute zur Verabschiedung der vorliegenden Beschlussempfehlung kommt, die von einem breiten Konsens getragen ist.

Kinderlärm darf kein Grund zur Klage sein. Kinderlärm im Umfeld von Kinderkrippen, Kindertagesstätten, Spielplätzen, Schulen und anderen dem kindlichen Spiel gewidmeten Flächen darf nicht als unzumutbare Lärmbelästigung gelten. Eine Gleichstellung der Geräusche des Kinderspiels mit dem Lärm z. B. von Rasenmähern kann nicht hingenommen werden.

Kinder brauchen Freiräume, in denen sie sich entwickeln, im Freien spielen, toben, lachen können. Das schließt ausdrücklich auch Spielgeräusche mit ein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Gesellschaft, die ihre Kinder versteckt und ihnen Schweigen verordnet, wird zu einer unmenschlichen Gesellschaft. Das ist am Ende weder für die Kinder noch für die Senioren noch für sonst irgendjemanden in dieser Gesellschaft gut.

Deshalb sage ich ausdrücklich: Ich bin froh über die gute Bearbeitung dieses Antrages im Ausschuss, über diesen breiten Konsens zugunsten von Kindern, zugunsten von Familien, den unsere Beschlussempfehlung deutlich macht. Herzlichen Dank für dieses gute Signal zugunsten von Kindern!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

In der Reihenfolge der Wortmeldungen hat jetzt Frau Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Gesunde, glückliche Kinder sind immer auch laute Kinder. Nur um ein Kind, das still in der Ecke sitzt, muss man sich Sorgen machen.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei der LINKEN - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Es sei denn, es schläft!)

- Es sei denn, es schläft.

Der Niedersächsische Städtetag formulierte: „Kinderlärm kann nicht unzumutbar sein.“ - Dieser Auffassung schließen wir uns ausdrücklich an. Leider sehen das nicht alle so. Wie Sie wissen und wie auch schon erwähnt worden ist, kam es schon häufiger zu Gerichtsverfahren, die in Einzelfällen sogar damit endeten, dass Kindertagesstätten in Wohngebieten geschlossen werden mussten. Das ist inakzeptabel. Hier müssen die Rechtsgrundlagen dringend geändert werden.

Wie Sie vielleicht wissen, plädieren wir Grünen immer für das Konzept der Stadt der kurzen Wege. Kitas gehören genau in Wohngebiete.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen schließlich, dass Kinder mit dem Rad oder zu Fuß zur Kita gebracht werden können und dass immer weniger Autofahrten notwendig sind. Denn für uns gilt selbstverständlich: Kinderlärm vor Autolärm!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Grundlagen der Gerichtsentscheidungen waren neben dem Bundes-Immissionsschutzgesetz Bestimmungen im Wohnungseigentums- und im Mietrecht sowie im öffentlichen Baurecht. Hinderlich war auch immer die Baunutzungsverordnung, die Kindertageseinrichtungen in reinen Wohngebieten derzeit nur ausnahmsweise zulässt. Diese Aspekte hatten wir in einen konkreten Änderungsvorschlag aufgenommen, den wir im Ausschuss eingebracht haben. Er wurde leider nicht angenommen. Aber ich hoffe, dass die Landesregierung die Anregungen trotzdem wahrgenommen hat.

Meine Damen und Herren, die Föderalismusreform hat den Ländern einen Zuwachs an Kompetenzen bei diesem Thema eingebracht. Sie sind für Sport- und Freizeitlärm, für verhaltensbedingten Lärm und - das hat die Bayerische Staatsregierung in einem Gutachten überzeugend dargestellt - für Lärm von Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung zuständig.

(Glocke des Präsidenten)

Wegen anhaltender Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern über das Ausmaß der zugewachsenen Kompetenzen bedarf es aber offenbar wirklich einer Klarstellung im Rahmen der Vorschriften zum Anwendungsbereich der BImSchV, die wir dringend einfordern.

Die Landesregierung könnte also ihren Kompetenzzuwachs auch heute schon nutzen und wie Berlin - das wurde gerade schon berichtet - ein Landesgesetz zum Umgang mit verhaltensbedingten Geräuschemissionen anschieben. Wir erwarten - das möchte ich ausdrücklich sagen - nicht nur den Appell an Berlin, sondern auch, dass die Landesregierung in Niedersachsen selbst aktiv wird. Frau Özkan, vielleicht darf ich Ihnen einen kleinen Vorschlag machen, wie Sie demnächst noch einmal bundesweit in die Schlagzeilen kommen können: Überlegen Sie doch einmal gemeinsam mit Ihrem Kollegen Herrn Bode, ob Sie nicht ein Marktanreizprogramm für Bobby-Car-Flüsterreifen auflegen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Als Nächster Redner hat Herr Humke-Focks von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Grundsatz scheint es im Umgang mit diesem Thema keinen Dissens zwischen den Fraktionen hier im Hause gegeben zu haben. Die Beschlussempfehlung ist eigentlich auch eine gute Grundlage - sage ich einmal - für die weitere Arbeit.

Zu unserem Abstimmungsverhalten sage ich später noch etwas.

Wenn ich bedenke, welche Debatten wir manchmal auf der kommunalen Ebene zum Thema „Kinderlärm“ führen müssen, bei denen beispielsweise argumentiert wird, dass der Bau einer Kita oder eines Jugendzentrums in der Nähe zu einer Wertminderung der Eigenheime führen würde, dann kann ich nur sagen: Ich finde es schade und schlimm, dass solche Debatten in unserer Gesellschaft geführt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Doch das Thema ist komplexer. Einerseits geht es um kulturelle, gesellschaftliche Fragen, andererseits muss auch die Frage der Abgrenzung erläutert werden: Wer darf - abgesehen von KitaKindern - überhaupt gelegentlich oder auch häufiger Lärm machen?

Zur gesellschaftlichen Frage. Kinderlärm ist natürlich und muss toleriert werden. Auch wenn dies nur schwer möglich sein sollte, darf nicht gleich die Kindertagesstätte infrage gestellt werden. Das Lachen, Schreien und Weinen von Kindern darf nicht mit der Geräuschkulisse von Rasenmähern, Autohupkonzerten oder Flugmotoren gleichgesetzt werden, und muss auf eine andere Weise diskutiert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die gesetzliche Klärung scheint hierbei ein notwendiges Übel zu sein. Aber es ist schon befremdlich, dass Kinderlärm im Bundes-Immissionsschutzgesetz erwähnt werden muss, wenn auch in einer Formulierung, die festlegt, dass Kinderlärm - ich zitiere aus dem SPD-Ursprungsantrag - „in der Regel keine wesentliche Beeinträchtigung“ ist.

Kinderfreundlichkeit ist eine kulturelle Frage und lässt sich nicht per Verordnung herstellen. Bis zu diesem Ziel ist es ein langer Weg, der nur durch ein aufrichtiges Bemühen auf unterschiedlichen Ebenen forciert werden kann.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Nun komme ich zur Abgrenzungsfrage. Diese ist, finde ich, sogar die spannendste Frage. Ich habe z. B. gleich zu Beginn der Ausschussberatungen unterstrichen, dass es begrüßenswert ist, sich der rheinland-pfälzischen Bundesratsinitiative anzuschließen. Allerdings sollte sie sich nicht auf Kitas beschränken, sondern auch auf Jugendzentren ausgedehnt werden. Das ist in der Beschlussempfehlung zum Glück aufgenommen worden.

Die Abgrenzungsfrage geht aber sogar noch weiter. Zu Recht hat die Kollegin Miriam Staudte im Ausschuss die Frage aufgeworfen, was beispielsweise mit verängstigten alten oder kranken Menschen in Heimen ist, wenn diese nachts schreien. Steht hier das moralische Recht von Menschen, nicht gegen ihren Willen medikamentös ruhig gestellt zu werden, vor dem juristischen Recht der Nachbarn, sich gegen Ruhestörung zu wehren? Oder welche anderen Lösungen sind hier möglich?

(Zustimmung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Ich komme zum Schluss und fasse zusammen: Die Beschlussempfehlung ist nicht abzulehnen, greift aber inhaltlich zu kurz.

(Glocke des Präsidenten)

- Letzter Satz. - Meine Fraktion wird sich daher der Stimme enthalten. Aber ich denke, wir haben eine gute Basis, auf der wir weiterarbeiten können. Das zeigt auch Ihr Redebeitrag, Frau Mundlos.

(Beifall bei der LINKEN - Heidemarie Mundlos [CDU]: Dann können Sie sich doch einen Ruck geben!)

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Riese von der FDP-Fraktion. Bitte schön, ich erteile Ihnen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In der Sache herrscht erfreulicherweise weitestgehend Einigkeit. Jetzt ist die Gelegenheit, noch einmal darauf hinzuweisen, dass es von der Bundesregierung und der sie tra

genden Koalition aus Berlin mitunter auch Gutes zu berichten gibt. Dieses Thema ist nämlich als Zielvorstellung der Politik in der Koalitionsvereinbarung in Berlin abgebildet worden. Vor diesem Hintergrund ist auch der hier schon erwähnte Beschluss des Bundesrates, der zu diesem Thema bereits am 5. März 2010 gefasst wurde und in dem der Bundesrat die Bundesregierung zu entsprechenden gesetzgeberischen Initiativen auffordert, ein Schritt auf dem richtigen Weg.

In der heute zu beschließenden Beschlussempfehlung des Ausschusses wird die Landesregierung darum gebeten, sich des Themas „Kinderlärm“ anzunehmen und zu prüfen, was landesrechtlich in diesem Bereich möglich ist. Herr Brunotte hat auf die Bauordnung verwiesen. Frau Staudte hat zusätzliche eigene gesetzliche Regelungen vorgeschlagen. Das tun die Grünen immer ganz gerne. Ob wir zusätzliche eigene Vorschriften brauchen, weiß ich nicht ganz genau - die ziehen meistens Hürden nach sich. Aber wir wollen unsere Rechtslage im Lichte der Diskussion, die wir hier geführt haben, überprüfen. Über das Ziel sind wir uns ganz klar und einig: Die Gesellschaft muss kinderfreundlich sein, sonst nimmt sie sich ihre eigene Zukunft.

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist ein schöner Umstand, dass diese Einigkeit besteht. Deswegen bitte ich Sie, der Beschlussempfehlung zuzustimmen. Vielleicht ist ja der eine oder andere Kollege der Linken-Fraktion doch noch in der Lage, sich einen kleinen Ruck zu geben und das Gute zu erkennen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Wir erkennen das immer!)

Das Wort hat jetzt Frau Ministerin Özkan. Bitte schön!