Protocol of the Session on June 9, 2010

- Wenn es so laut ist, dann ist es auch schwer, sich zu konzentrieren. - Die Legalisierung von Cannabis nennt die Linke moderne Drogenpolitik. Wir nennen das verantwortungslos.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Humke-Focks gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Focke, zum Thema Ernsthaftigkeit komme ich gleich noch.

Es geht hier mitnichten darum - das hat Viktor Perli auch mit keinem Wort gesagt -, Erfahrungen mit den Drogen Alkohol oder Cannabis zum Besten zu geben. Das würde auch an der Ernsthaftigkeit des Themas und der Debatte vorbeiführen. Das hat er allen Ernstes nicht gesagt. Ihr Vorwurf ist zurückzuweisen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Mit unserer Anfrage geht es uns darum, die Frage „Cannabiskonsum oder nicht?“ zu entdämonisieren. Gerade mit Blick auf den Umgang mit Alkohol in unserer Gesellschaft befinden wir uns in einer entsprechenden Verantwortung. Ich sage nur: Auf seiner Facebook-Seite lädt der Landesverband Oldenburg der Jungen Union zu einer „feuchtfröhlichen Kohlfahrt“, also zu Alkohol, ein. Dann gibt es ein Bild von der Jungen Union Hannover, der als Geschenk ein Fass Bier überreicht wird.

(Der Redner zeigt einen Zeitungsartikel)

Es gibt ein weiteres Bild - das ist Ihr Umgang mit Alkohol - von Ihnen mit dem Landesvorsitzenden der Jungen Union, auf dem Sie eine Flasche Korn in der Hand haben.

(Oh! bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Unglaublich! - Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Das ist echt Blöd- sinn!)

Ich unterstelle Ihnen in keiner Weise, dass Sie verantwortungslos mit Alkohol umgehen. Wir aber wollen eine gleichberechtigte Diskussion zu diesem Thema; denn Alkohol ist auch eine Droge. Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis!

(Beifall bei der LINKEN - Glocke des Präsidenten)

- Letzter Satz. - In Niedersachsen geschehen 20mal mehr Autounfälle unter Alkoholeinfluss als unter Drogen- oder Medikamenteneinfluss insgesamt. Cannabis wird in diesem Zusammenhang statistisch noch nicht einmal ausgewiesen. Wir brauchen eine ernsthafte Diskussion, und dazu dient diese Große Anfrage.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Herr Focke möchte erwidern. Bitte!

Sehr geehrter Herr Kollege Humke-Focks, zunächst zu der Kohlfahrt: Sie gehört im Oldenburger Land zum Brauchtum.

(Lachen bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Und dadurch ist sie gesund? - Kreszentia Flauger [LINKE]: Und davon wird es besser?)

- Das ist so! - Wir passen dabei sehr verantwortungsvoll auf, wer dort Alkohol trinkt bzw. wer überhaupt Alkohol trinken darf. Das nennt man auch: als Erwachsener Verantwortung für Jüngere zu übernehmen.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben sicherlich auch schon einmal einen Vortrag gehalten und als Dankeschön beispielsweise eine Flasche Wein überreicht bekommen.

Aber ich will Ihnen einmal etwas zum Thema Ernsthaftigkeit sagen: 2004 geriet die LinkenLandtagsabgeordnete Julia Bonk zum ersten Mal bundesweit in die Schlagzeilen, als sie die Freigabe von ihrer Ansicht nach „illegalisierten“ Drogen

schon ab einer gestaffelten Altersuntergrenze von 14 Jahren verlangte. Dabei beschränkte sie ihre Forderung nicht nur auf Haschisch und Marihuana, sondern sie forderte, dass Jugendliche ab 14 Jahren auch Heroin straffrei bekommen. Und das aus Ihrer Partei!

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist hier überhaupt nicht Thema!)

Ich lese weiter vor: 2001 verbreitete die PDS in Hessen Anleitungen an hessische Schüler, wie man am besten Haschkekse backt.

(Ulf Thiele [CDU]: Skandalös! - Glo- cke des Präsidenten)

Oder: 2005 plante die Jugendorganisation Solid eine Tour durch Sachsen mit dem Titel „Schöner leben mit Drogen“.

(Zurufe von den GRÜNEN und von der LINKEN)

Herr Kollege, letzter Satz!

Wenn Sie von Ernsthaftigkeit reden, dann sollten Sie auch ernsthaft bleiben und nicht solche Vergleiche heranziehen. Das ist falsch, und das ist verlogen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist Herr Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Unruhe)

- Ich bitte darum, dass wir dem Redner jetzt zuhören.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Der Kollege Riese hat gerade - im Wesentlichen vom Plenum unbemerkt - einen sehr interessanten Satz gesagt, der, denke ich, den Kern der gegenwärtigen Drogenpolitik in Niedersachsen verdeutlicht - und Herr Focke hat das im Prinzip gerade bestätigt -; deshalb will ich ihn gerne wiederholen. Die Frage, welche Drogen in einer Gesellschaft legal oder illegal sind, ist im Wesentlichen eine Frage der Tradition. Das heißt, wir haben in Deutschland und damit auch in Niedersach

sen die Tradition, dass Tabak und Alkohol trotz der damit verbundenen vielfältigen Gesundheitsschäden allgemein anerkannt sind. Wir haben aber bislang offenbar in der Mehrheitsgesellschaft in Niedersachsen nicht die Tradition, dass Cannabis dazugehört. Wenn es aber im Wesentlichen die Tradition ist, die darüber bestimmt, meine Damen und Herren, dann sollten wir doch den Mut haben, anzuerkennen, dass sich Traditionen, Gesellschaften und Konsummuster auch verändern können

(Zustimmung bei der LINKEN)

und dass es faktisch bereits - das zeigen die Reaktionen hier im Hause auf die Frage nach den persönlichen Erfahrungen mit diesen Drogen - ein breites Spektrum an Personen gibt, die Erfahrungen mit Cannabis gemacht haben, ohne dauerhafte Gesundheitsschäden erlitten zu haben.

(Zustimmung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Die Traditionen wandeln sich, und wir Grüne unterstützen ausdrücklich die Forderung der Linken nach einer Entkriminalisierung des Eigenkonsums von Cannabis. Das auch aus rechtlichen Erwägungen - das müssen wir uns klarmachen -: Der Eigenkonsum ist im Wesentlichen nur mit Schäden und Gefahren für die konsumierende Person selbst verbunden. Wenn wir jemandem verbieten, Cannabis zu konsumieren, dann könnten wir diesem Menschen genauso gut verbieten, Motorrad zu fahren, weil das nachweislich mit einer erhöhten Gefährdung verbunden ist. Wir könnten dem Menschen auch verbieten, Fallschirm zu springen oder insgesamt gefahrgeneigte Hobbys auszuüben.

(Astrid Vockert [CDU]: Das sind Ver- gleiche!)

Meine Damen und Herren, ein liberaler Rechtsstaat, der wir sind, muss sich, wenn er Menschen Dinge verbietet, immer wieder fragen lassen: Welchem gesellschaftlichen Zweck dient das? - In der Drogenpolitik kann natürlich die Verminderung der Abgabe von Drogen gerade an Kinder und Jugendliche ein Aspekt sein. Da sind wir ganz an Ihrer Seite. Aber es sollten keine Strafverfahren gegen die Konsumenten eingeleitet werden - und das ist der Fall; das haben Sie in der Antwort auf die Große Anfrage und in Ihrer Rede bestätigt, Frau Ministerin Özkan. Es werden erst einmal Strafverfahren gegen die Konsumenten eingeleitet, weil man prüfen möchte, ob jemand mehrfach Cannabis konsumiert hat. Ich aber sage Ihnen: Auch wenn jemand mehrfach Cannabis konsu

miert, steht es dem Rechtsstaat nicht zu, diesen Menschen dafür zu bestrafen, sondern er sollte Hilfe und Aufklärung anbieten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Die Gesundheitsschäden sind zu Recht angesprochen worden. Aber, meine Damen und Herren, ich verstehe die Aggression dabei nicht. Denn wenn Sie dem Kollegen Perli zugehört hätten, dann hätten Sie gehört, dass er die Gesundheitsschäden an keiner Stelle seiner Reden irgendwie verharmlost oder negiert hat. Natürlich hat er auch die Gesundheitsschäden angesprochen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Er hat aber auch zu Recht gesagt, dass wir im Zusammenhang mit Gesundheitsschäden eher über Hilfen als über Repressionen reden müssen. Herr Focke, Sie haben gerade, als Sie darüber gesprochen haben, dass Sie den 14-Jährigen, die Heroin konsumieren, mit dem Strafrecht kommen wollen, wieder deutlich gemacht, dass bei Ihnen der Schwerpunkt ganz offensichtlich auf Repressionen anstatt auf Hilfen und Hilfsangeboten liegt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ein weiterer Aspekt: Sie haben in diesem Zusammenhang den Straßenverkehr angesprochen. Es ist doch völlig unbestritten: Cannabiskonsum im Straßenverkehr ist wie auch Alkohol- und Medikamentenmissbrauch eine große Gefahr.

Aber wenn wir über Drogen im Straßenverkehr reden, dann müssen wir doch auch darüber reden, dass in Deutschland die Promillegrenze im Straßenverkehr noch immer eine der höchsten in Europa ist, nämlich 0,5 Promille. Der Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar hat längst gefordert, diese Grenze auf 0,3 Promille abzusenken. Meine Damen und Herren von der Landesregierung, machen Sie sich diese Forderung zu eigen! Reduzieren Sie die Gefährlichkeit von Alkohol im Straßenverkehr!