Protocol of the Session on April 30, 2010

Meine Damen und Herren, am Anfang stand lediglich ein einheitliches Kommunalgesetzbuch auf der Tagesordnung, also lediglich das Zusammenfassen ohne inhaltliche Änderungen. Dieses Ansinnen hat der Herr Innenminister sehr schnell aufgeben müssen, weil er landesweit auf Ablehnung gestoßen ist, auch bei den kommunalen Spitzenverbänden. Dann aber wurden ein paar inhaltliche Änderungen eingebracht - ein zugegebenermaßen geschickter Schachzug - und unter der Überschrift „Stärkung des Ehrenamtes“ vermarktet. Wenn man sich aber die zehn Punkte zur Stärkung der ehrenamtlichen Mitwirkung etwas genauer ansieht, kommt man sehr schnell zu dem Ergebnis, dass dort eigentlich nur weiße Salbe verteilt wurde.

Die Verlängerung der Amtszeit des Hauptverwaltungsbeamten fände unsere Zustimmung. Konsequenterweise wollen wir aber auch eine Herabsetzung des Mindestalters. Wenn jemand bereits mit 18 Jahren einen Ministerposten bekleiden kann, ein Bürgermeister aber ein Mindestalter einbringen muss, ist das ein großer Wertungswiderspruch. Das ist nicht logisch und nicht nachvollziehbar. Machen Sie es also konsequent: Heraufsetzung der Amtszeit, aber dann auch eine konsequente Herabsetzung der Altersgrenze.

Herr Briese, Sie müssen zum Schluss kommen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Für Weiteres fehlt mir jetzt die Zeit. Das werden wir im Ausschuss beraten. Aber wer von uns würde so kurz vor der Kommunalwahl die Stärkung des Ehrenamtes ablehnen

wollen? - Ich bin mir allerdings sehr sicher, dass wir besonders in diesem Bereich noch etliche Änderungsvorschläge bekommen werden.

Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle für meine Fraktion sehr deutlich herausstellen, dass eine Abschaffung der Stichwahl mit uns nicht zu machen ist. Aber wenn man das unbedingt diskutieren will, dann muss man auch über die Amtszeit der Hauptverwaltungsbeamten sprechen. Für uns ist das Amt des Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin, der Landrätin oder des Landrates und des Oberbürgermeisters immer noch ein sehr herausgehobenes Amt, das nach unserer Auffassung einer starken demokratischen Legitimation bedarf und nicht auf Zufallsergebnissen oder gar taktischen Spielchen fußen darf.

Meine Damen und Herren, die im vorliegenden Antrag von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aufgeführten Punkte zur Änderung der Kommunalverfassung geben sicherlich Diskussionsstoff für eine spannende und interessante Auseinandersetzung nicht nur hier im Parlament, sondern auch in der gesamten kommunalen Familie.

Kurz vor der Freigabe zur Verbandsanhörung gab es allerdings noch zwei Änderungen, die es in sich haben und die jetzt in der kommunalen Familie für ziemlich große Unruhe sorgen. Das ist zum einen die Abschaffung der Stichwahl und zum anderen der Wegfall der Altersgrenze für die Hauptverwaltungsbeamten.

Ich persönlich halte im Übrigen die Entkoppelung der Amtszeit der Hauptverwaltungsbeamten von der Wahlperiode der kommunalen Vertretungskörperschaften für einen gravierenden Fehler, der dringend korrigiert werden müsste.

(Heinz Rolfes [CDU]: Dann lassen Sie uns doch diskutieren!) (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Warum so kurz vor Toresschluss noch zwei so gravierende Änderungen eingebracht wurden, erschließt sich mir nicht.

Ich glaube, an dieser Stelle werden wir sehr interessante und spannende Diskussionen im Fachausschuss haben.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Uns auch nicht!) Meine Damen und Herren, an dem vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem dort formulierten Forderungskatalog wird schon sehr deutlich, dass wir mit der Neufassung der Kommunalverfassung wieder vieles zur Diskussion stellen. Wie bereits erwähnt, halte ich den zweiten Schwerpunkt Ihres Antrages, die Reform der Kommunalfinanzen, nicht wirklich für angemessen behandelbar. Ich bitte wirklich ernsthaft zu prüfen, ob wir daraus nicht einen gesonderten Antrag machen sollten, in den auch wir unsere Forderungen, z. B. zum Rettungsschirm für Kommunen, mit einbringen können. Ich denke dabei auch an die Forderung an den Bund nach Erhöhung der Beteiligung an den Kosten für Unterkunft oder vielleicht sogar auch an eine Finanztransaktionssteuer. Wie mir aus der CDU-Fraktion berichtet wurde, soll von Ihrem kommunalpolitischen Sprecher, dem Kollegen Bernd-Carsten Hiebing, in einer der letzten Fraktionssitzungen eine flammende Rede gegen die Eingleisigkeit gehalten worden sein, die mit großem Applaus bedacht wurde. (Heinz Rolfes [CDU]: Das ist aber ei- ne Fehlinformation! - Bernd-Carsten Hiebing [CDU]: Das stimmt gar nicht!)

- Aus der Fraktion wird vieles berichtet.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Ihr seid dem auf den Leim gegangen!)

Dass es in unserem Land ein natürliches Spannungsfeld zwischen unseren Eingleisern, den Hauptverwaltungsbeamten, und den Ehrenamtlichen gibt, will wohl niemand hier bestreiten. Jeder hat so seine Erfahrungen gemacht. Wenn der Gesetzentwurf jetzt allerdings das Aufheben der Altersgrenze und die Abschaffung der Stichwahl vorsieht, ist das zumindest aus meiner Sicht ein bisschen verkehrte Welt. Entweder scheint die CDU-Fraktion wieder einmal nicht beteiligt worden zu sein, oder Sie sind als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe)

- Wir können das ja einmal diskutieren. Erhöhung der Steuerverbundquote - die Hoffnung, dass das Land hier etwas für die Kommunen tut, habe ich schon längst aufgegeben. Spannend sind natürlich die Fragen: Wie wird das Land Niedersachsen sich in dieser Gemeindefinanzkommission aufstellen? Wie wird sich Niedersachsen einbringen?

Für meine Fraktion ist klar, dass unsere Kommunen Hilfe brauchen, dass aufgrund der katastro (Beifall bei der SPD)

phalen Finanzsituation der Kommunen und auch des Landes überhaupt kein Platz für Steuersenkungen mehr ist

Jetzt will ich Ihnen aber noch etwas zu einem anderen Punkt sagen, der in dem Antrag der Grünen nicht angesprochen worden ist, der aber in der alten Kommunalverfassung enthalten ist und in der neuen offenbar nicht geändert werden soll. Man ist ja der Meinung, dass der Rat eigentlich die Mehrheitsverhältnisse widerspiegeln sollte, die die Bevölkerung bei Wahlen zum Ausdruck gebracht hat. Das ist aber nicht der Fall, weil das Wahlergebnis durch das zusätzliche Stimmrecht des Hauptverwaltungsbeamten verzerrt wird, wodurch es zu einer gravierenden Änderung der Mehrheitsverhältnisse kommen kann.

(Zustimmung von Heiner Bartling [SPD])

und dass der so viel umworbene Zukunftsvertrag, Herr Minister, auch wohl nur punktuell für einige wenige Kommunen wirklich Entlastung bringen wird.

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen umfasst also zwei sehr komplexe Themenfelder, die nicht so einfach nebenbei behandelt werden sollten, sondern sehr sorgfältig und gründlich abgearbeitet werden müssen. Da allerdings der Gesetzentwurf zur Kommunalverfassung noch ins Haus steht, schlage ich vor, den Antrag da wirklich gründlich und ernsthaft zu beraten.

Dazu will ich Ihnen etwas aus Oldenburg erzählen. Wir hatten in Oldenburg einen Oberbürgermeister Dr. Poeschel von der CDU,

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Schon schlecht!) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD) einen Verfassungsjuristen mit preußischer Mentalität. Der hatte immerhin die Größe, als Oberbürgermeister von diesem Recht einfach keinen Gebrauch zu machen, weil er dieses Recht auch für undemokratisch hielt. Nachfolger war ein Oberbürgermeister Schütz von der SPD. Der hat hemmungslos von diesem Recht Gebrauch gemacht, weil es auf seine Stimme ankam.

Herr Adler für die Fraktion DIE LINKE hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind dafür, die Wahlperiode des Hauptverwaltungsbeamten auf fünf Jahre zu begrenzen und mit der Wahl des Rates zu synchronisieren. Selbstverständlich sind wir gegen die Stichwahl. Sie ist undemokratisch. Herr Schünemann, etwas anderes kann man dazu nicht sagen.

(Klaus Rickert [FDP]: Das stimmt so nicht, Herr Adler!)

Mit seiner Stimme wurde das in Oldenburg höchst umstrittene ECE-Bauvorhaben durchgesetzt, was ihn allerdings bei der folgenden Wahl den Kopf gekostet hat. Jetzt haben wir einen Oberbürgermeister Dr. Schwandner, der auch von diesem verfassungsrechtlich so umstrittenen Stimmrecht Gebrauch macht.

(Beifall bei der LINKEN - Klaus Ri- ckert [FDP]: Was jetzt?)

- Selbstverständlich sind wir gegen die Stichwahl, weil sie undemokratisch ist. (Klaus Rickert [FDP]: Das nutzt ihm aber nichts!) (Zuruf: Gegen die Abschaffung der Stichwahl!) Die Konstellation im Rat war am Anfang der Wahlperiode als Ergebnis der Wahl durch die Bevölkerung so, dass SPD, FDP, eine Wählergemeinschaft und die Linken über eine Mehrheit verfügten. Dieses Wahlergebnis wurde durch den Übertritt eines Mitgliedes der Wählergemeinschaft zur CDU verfälscht, und auf einmal hatte der Oberbürgermeister die Funktion des Züngleins an der Waage, und er hat davon natürlich Gebrauch gemacht.

- Ja, gegen die Abschaffung der Stichwahl. Sie wissen, was ich gemeint habe.

(Klaus Rickert [FDP]: Nicht ganz!)

Wir sind auch dafür, Bürgerantrag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu erleichtern und damit die direkte Demokratie zu stärken.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Insoweit besteht Übereinstimmung mit dem Antrag der Grünen.

(Klaus Rickert [FDP]: Der ist nicht mehr bei der CDU!)

Nun hat sich Folgendes ereignet: Dieser CDU-Abgeordnete Herr Zemke hat in einem innerparteilichen Streit ein CDU-Mitglied zusammengeschlagen und mit mehreren Faustschlägen zu Boden gestreckt.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

- Da sehen Sie einmal, welche Steigerung bei politischen Auseinandersetzungen möglich ist. Ich denke an das, was sich gestern abgespielt hat. - Aber das gibt es wohl nur innerhalb der CDU.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Weil dieser Vorfall in der Öffentlichkeit bekannt wurde, hatte er zur Folge, dass dieser CDU-Abgeordnete sein Mandat niederlegen musste. Dadurch haben sich die Mehrheitsverhältnisse wieder verschoben, sodass der Oberbürgermeister kein Zünglein an der Waage mehr ist.

Ich erzähle Ihnen das nicht wegen dieser charakteristischen Auseinandersetzungsformen innerhalb einer Partei,

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Aber das war nicht schlecht!)

sondern weil ich damit zum Ausdruck bringen will, dass die Mehrheitsverhältnisse in kommunalen Räten häufig sehr knapp sind und es deshalb darauf ankommt, dass sich im Rat auch wirklich das Wahlergebnis widerspiegelt, das bei den Wahlen zum Ausdruck gekommen ist. Dieses Wahlergebnis sollte nicht durch das Sondervotum verzerrt werden. In einem demokratischen Staat ist es eigentlich systemwidrig, und es sollte abgeschafft werden.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Nächster Redner ist Herr Rolfes von der CDUFraktion. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte schön!

(Unruhe)