Wir haben in der Tat in Niedersachsen schon Beispiele, wo sich Kommunen auf den Weg gemacht und gesagt haben: Wir wollen einmal ganz praktisch durchdenken, was das heißt. Beispielsweise die Gemeinde Jühnde im Landkreis Göttingen ist solch ein Dorf, in dem 800 Einwohner gesagt haben: Wir machen jetzt ein Stoffstrommanagement, wie man es in 20, 30 oder 40 Jahren sinnvollerweise in der gesamten Bundesrepublik tun würde.
Wir haben auf der anderen Seite die Situation, dass VW z. B. Achsen mit dem Lkw nach Spanien transportiert, um dort bestimmte Arbeiten daran vornehmen zu lassen, und sie dann mit dem Lkw wieder zurücktransportiert und dabei eine Kostenmarge von 20 DM pro Achse generiert.
Das Beispiel ist nicht so ganz aktuell. Es war damals ein DM-Beispiel. Das war aber kurz vor Einführung des Euro, Frau Präsidentin. Eine solche Praxis beobachten wir aber vielfach auch heute noch. Für relativ geringe Summen werden Güter durch ganz Europa gefahren oder sogar aus China und Südamerika eingesammelt und dann hier zusammengebaut, oder sie werden in China zusammengebaut und dann hierher gebracht. Stoffstrommanagement ist von daher ein vernünftiger Ansatz.
Die Jühnder haben gesagt: Wir zeigen jetzt einmal, wie das heute schon möglich ist. - Sie haben gezeigt, wie man mit einer Biogasanlage, mit einer Holzhackschnitzelanlage, mit einer Nahwärmeversorgung die Häuser beheizen kann, wie man Strom vor Ort produziert, wie man jetzt auch noch Strom produziert, um das Elektroauto fahrbar zu machen und damit auch die Mobilität mit einzubeziehen. Dieses innovative Beispiel zeigt, wie man
Klimaschutz mit Energiepolitik zusammenbringen kann und damit regionale Kreisläufe schafft, die Land- und Forstwirtschaft in der Region stärkt, Arbeit und Innovation zusammenbringt. Man schafft damit wieder Arbeitsplätze in der Gemeinde, und es gibt wieder eine Infrastruktur, wo es vorher nichts gab. Das ist ein gutes Beispiel. Bis hin zur Gastronomie entstehen plötzlich wieder Dinge, die man vorher in einem solchen Dorf schon fast nicht mehr kannte.
Dieses Beispiel zeigt, dass es sich lohnt, unter dieser Idee, unter diesem Ansatz genauer darüber nachzudenken, ob nicht vielleicht auch andere Gemeinden so etwas schaffen können.
Darüber, in welcher Form das Land dabei Unterstützung leisten kann, kann man im Ausschuss diskutieren. Ich glaube, Herr Sander, Sie haben einen Finanzierungstopf für innovative Projekte auch im Energiebereich, bei dem Sie in der Vergangenheit manchmal Schwierigkeiten hatten, das Geld unter die Leute zu bringen, weil Sie nicht genug Projekte gefunden haben. Wir können Ihnen da ja helfen. In diesen Fragen sind wir sehr zuvorkommend. Ich glaube, unter dieser Überschrift würde man das eine oder andere Projekt tatsächlich realisieren können, wenn man die Förderrichtlinien entsprechend ausgestaltet. Insofern gibt es von unserer Seite grundsätzlich Unterstützung. Darüber, wie und unter welcher Überschrift man das im Einzelnen realisieren könnte, sollten wir im Ausschuss diskutieren.
Danke schön, Herr Kollege Wenzel. - Nun hat für die Landesregierung Herr Minister Sander das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Herzog, Ihr Antrag fußt im Prinzip auf einem Modell der Fachhochschule Trier. Aber schon da beginnt es problematisch zu werden; denn wenn Sie dieses Modell auf unsere Strukturen in Niedersachsen übertragen, werden Sie sehr schnell scheitern. Der entscheidende Unterschied zwischen Ihrem Antrag und unserer Politik besteht darin, dass wir die Kommunen nicht bevormunden
wollen, wie Sie das mit Ihrer Art des Stoffstrommanagements tun müssten, um Erfolg zu haben. Herr Kollege Miesner hat es ja deutlich gesagt: Wir wollen den Kommunen die Möglichkeit geben, selbst darüber zu entscheiden, was sie vor Ort für richtig halten und tun wollen.
Was ich an Ihrem Antrag am problematischsten finde, ist, dass Sie letztendlich von der dezentralen Energieversorgung auf eine zentrale Energieversorgung wechseln wollen. Das aber ist genau das Gegenteil dessen, was diese Landesregierung anstrebt.
Meine Damen und Herren, jede Kommune kann dies vor Ort sehr aktiv betreiben. Wir alle kennen Beispiele im Lande. Herr Wenzel hat das Beispiel Jühnde angesprochen. Es gibt außerhalb des Energiebereichs aber auch noch andere Bereiche, wie z. B. die Verwertung von Reststoffen. Es ist aber schlimm. Sie haben beispielhaft die Entsorgung der Biotonnen genannt. Sie fahren diese Tonnen bis hinter Magdeburg. Mein Landkreis tut dies ebenfalls. An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Kommunen die Abfallversorgung nicht richtig verstehen und auch keine Anreize geben, um Unternehmen vor Ort entsprechend zu unterstützen. Bei uns ist sogar das Gegenteil der Fall. Unternehmen, die im ganzen Landkreis über 41 Jahre lang Papier und andere Stoffe verwertet haben, will man diese Tätigkeit auf einmal mit der Keule untersagen. Daran sehen Sie, dass dies der falsche Weg ist. Wir wollen versuchen, die Dinge gemeinsam mit den Kommunen voranzubringen.
Lassen Sie mich abschließend auch zu Herrn Wenzel sagen: Es wird ja immer wieder gesagt, dass wir im Bereich des Klimaschutzes zu wenig machen.
Ja, ist doch klar. Das ist doch Ihre Meinung. Die Kommunen draußen - sprechen Sie mal mit denen - sind ganz anderer Meinung und sagen, dass der Weg, den wir beschreiten wollen, nämlich den Kommunen die Möglichkeit zur Mitgestaltung zu geben, der richtige ist. Deshalb ist das ein Renner gewesen.
- Frau Schröder-Ehlers, Zwischenrufe allein reichen nicht. Sie müssen schon sinnvolle Beiträge leisten.
Meine Damen und Herren, mit Propaganda allein werden wir nicht vorankommen. Sie werden sich noch wundern. Wir werden beim Klimaschutz an der Spitze stehen. Sie, Herr Wenzel, werden mit Ihrer Politik der vergangenen Jahre, an der Sie immer noch festhalten, keinen Erfolg haben. Ich freue mich auf die Auseinandersetzung.
Danke schön, Herr Minister Sander. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Mit diesem Antrag sollen sich federführend der Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz und mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen befassen. - Gegenstimmen sehe ich nicht. Dann ist das so beschlossen.
Erste Beratung: Naturschutz qualitativ stärken - Ersatzgeldregelung gleichstellen! - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/2412
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir brauchen in Niedersachsen einen qualitativ hochwertigen Naturschutz für die Menschen und vor allem für die Natur. Deshalb begrüßen wir die Absicht der CDU/CSU-FDP-Koalition in Berlin, den Ländern per Gesetz die Kompetenz zu geben, beim Ausgleich von Eingriffen in die Natur das Ersatzgeld mit anderen Kompensationsmaßnahmen gleichzustellen. Diese Formulierung findet sich im aktuellen Koalitionsvertrag. Mit dem Antrag, den wir heute einbringen und zur Diskussion stellen, bitten wir die Landesregierung, sich bei der Bundesregierung für eine zeitnahe Umsetzung dieser Formulierung im Bundesnaturschutzgesetz einzubringen. Wir tun das nicht - das sage ich zu Beginn ganz deutlich -, um die Standards beim Naturschutz hier in Niedersachsen abzusenken.
gut finden. Wir tun das, weil wir glauben, dass es an der Zeit ist, in Zeiten zunehmender Flächenknappheit bei der Kompensation von Eingriffen zu intelligenten Lösungen zu kommen. Immer noch gehen in Deutschland jeden Tag über 100 ha für die landwirtschaftliche Produktion verloren. Wir haben bis heute bei der Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen mit einigen Problemen zu tun. Ich möchte Ihnen das hier im Einzelnen gern darstellen.
Zunächst zur Verfügbarkeit von Flächen, die gerade bei Großprojekten und in Ballungsgebieten oftmals nicht mehr gegeben ist. Da ist der doppelte Verlust landwirtschaftlicher Nutzfläche durch die Baumaßnahme und zusätzlich durch die Ausgleichsmaßnahme. In Niedersachsen gehen so jeden Tag ca. 11 ha für die landwirtschaftliche Produktion verloren. Das sind Flächen, die wir für die Produktion von hochwertigen Nahrungsmitteln und auch für die Produktion von erneuerbaren Energien benötigen.
Oftmals, meine sehr geehrten Damen und Herren, fehlt ein Gesamtkonzept, weil Flächen nicht nach ökologischen Gesichtspunkten, sondern nach Flächenverfügbarkeit, Kostenaspekten oder dem Punktgewinn ausgesucht werden. Häufig erfolgt die Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen an suboptimalen Orten und verheddert sich in unkoordinierten Einzelaktionen. Die Kosten stehen vielfach in keiner vernünftigen Relation zum Nutzen der Maßnahme, und oftmals ist auch die Dauerhaftigkeit der Maßnahme nicht gewährleistet. Die Idee einer bestimmten Maßnahme mag ja noch gut sein; aber auch die nachhaltige und ordnungsgemäße Erhaltung muss gewährleistet sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle kennen doch diese Beispiele. Da werden einem Landwirt Grund und Boden abgekauft, auf dem Wohnhäuser entstehen sollen. Als Ausgleich wird guter Ackerboden in eine Obstbaumwiese umgewandelt. Diese Wiese wird eingezäunt. Die Bäume bekommen einen stabilen Pfahl, und dann überlässt man diese Fläche ihrem Schicksal. Wenn es gut läuft, kann man dort eines Tages Äpfel und Birnen ernten. Wenn es schlecht läuft, hat man mit Zitronen gehandelt. Dann wächst der Zaun unansehnlich mit Gestrüpp zu. Die an die falsche Stelle gepflanzten Bäume vertrocknen in der nächsten Trockenperiode, weil niemand an das Gießen denkt, und die Pfähle verfaulen und bleiben so lange stehen, bis der nächste Sturm sie umwirft.
Das gibt es überall in Niedersachsen. Deshalb können Sie keinem Landwirt erklären, warum er für solche Maßnahmen auch noch seinen Grund und Boden verkaufen soll.
Qualitativer Schutz von Natur und Landschaft in Niedersachsen sieht anders aus. Wir brauchen für die Zukunft andere Lösungen als die bisherigen. Viele gut gemeinte Ansätze scheitern aber daran, dass die heute praktizierte Realkompensation zu unflexibel ist, um qualitative Maßnahmen wie die Entsiegelung versiegelter Flächen, die Brachflächensanierung, die Gewässerrenaturierung oder in die Fruchtfolge der landwirtschaftlichen Betriebe integrierte Maßnahmen wie Gewässerrandstreifen umzusetzen. Gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung müsste uns doch daran gelegen sein, mit dem Ersatzgeld ein Instrument zu schaffen, um die Entsiegelung von Flächen voranzutreiben. Es ist leider nicht so, dass dort Flächenbedarf besteht, wo versiegelte Flächen leer stehen. Ein flexibles Ersatzgeld könnte hier unbürokratisch mithelfen, versiegelte Flächen an die Natur zurückzugeben.
Ein Ersatzgeld, das der Realkompensation gleichgestellt wird, wäre darüber hinaus ein weiterer Beitrag zur Entbürokratisierung und Deregulierung. Die manchmal geäußerte Angst, dass die Mittel aus dem Ersatzgeld zweckentfremdet werden, sehe ich nicht. Das Ersatzgeld wird immer für naturschutzfachliche Zwecke eingesetzt werden müssen. Das sage ich hier ganz deutlich.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden unseren Antrag im Umweltausschuss gemeinsam mit Ihnen zügig beraten und im Anschluss daran im Landtag beschließen. Wenn Sie den Mut haben, zum Schutz von Natur und Landschaft neue Wege zu gehen und ideologische Scheuklappen an die Seite zu legen, dann können Sie dabei mitgehen. Wenn Sie diesen Mut aber nicht haben, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann bleiben Sie dort, wo Sie sind. Die anstehenden Probleme lösen Sie damit aber nicht.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Naturschutz qualitativ stärken - das ist ohne Frage ein Anliegen, bei dem Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, uns an Ihrer Seite finden würden, wenn Sie es mit diesem Anliegen denn tatsächlich ernst meinten. Eine qualitative Stärkung des Naturschutzes ist - ich kann es mir nicht verkneifen, Ihnen das hier und heute ins Stammbuch zu schreiben - nach sieben Jahren gelb-schwarzer Umweltpolitik in Niedersachsen nämlich auch dringend nötig.
Wie sieht denn die Situation des Natur- und Umweltschutzes heute, im Jahre 2010, dem Internationalen Jahr der Artenvielfalt, in Niedersachsen aus? - Da mir leider nicht genügend Zeit zur Verfügung steht, um die vielen umweltpolitischen „Sünden“ des Ministers Sander beim Thema Naturschutz aus den vergangenen Jahren aufzuzählen,
muss ich mich damit begnügen, den vorliegenden Entschließungsantrag zu kommentieren, der eindeutig die Handschrift des Ministers trägt.
Vorab aber möchte ich noch kurz auf einen Artikel eingehen, der kürzlich in der Neuen Osnabrücker Zeitung erschienen ist. In seiner Überschrift wurde die Kritik der Deutschen Umwelthilfe - DUH - thematisiert, Minister Sander komme seinen Aufgaben nicht nach. Die DUH sieht die Artenvielfalt in Niedersachsen in Gefahr.