Protocol of the Session on April 29, 2010

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man fragt sich ja immer, welche Funktion solche Eskalationen haben. Aus meiner Sicht könnte das nach innen gerichtet sein, um die Reihen an dieser Stelle zu schließen. Ich finde es schade, dass das mit so einer Debatte passieren muss. Ich würde mir wünschen, dass Sie das anders regeln.

Meiner Meinung nach ist es nicht zulässig, hier Handlungen wie Aufstehen, Hinsetzen, Kaugummi kauen usw. aufzugreifen. Wenn wir hier herumschauen, könnten wir wohl andauernd etwas finden, was irgendjemand macht, was wir an der Stelle vielleicht als unangemessen ansehen.

(David McAllister [CDU]: Nicht bei ei- ner Gefallenenehrung!)

Ich finde es völlig richtig, wenn Frau Reichwaldt und Herr Dr. Sohn hier anmahnen, dass solche Vorgänge im Ältestenrat angekündigt werden sollten und nicht einfach gemacht werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das ist ein Punkt der Tagesordnung an dieser Stelle. Wir sollten es einfach nur wissen. Ich fände es richtig, wenn wir nun versuchten, in der Tagesordnung sachlich fortzufahren, aber Herrn HumkeFocks sofort die Gelegenheit zu einer persönlichen Erklärung gäben. Ich glaube, dass es erforderlich ist, dass er jetzt sofort die Möglichkeit dazu hat und nicht erst das Ende der Debatte abwarten muss.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich möchte darauf hinweisen, dass Herr Thümler beschrieben hatte, dass Herr Humke-Focks die Scheibenwischer-Handbewegung gemacht haben soll. Das habe ich nicht mitbekommen. Aber im Präsidium wurde es durchaus festgestellt.

(Patrick-Marc Humke-Focks [LINKE]: Ich streite das nicht ab!)

Ich habe wahrgenommen, dass Herr Humke-Focks nach wie vor dazu steht. Insofern erteile ich Ihnen dafür einen Ordnungsruf; denn das ist nicht parlamentarisch.

Da gab es offensichtlich unterschiedliche Auffassungen zwischen Herrn Adler und Herrn HumkeFocks.

(Zurufe von der CDU: Herr Adler hat „Lügner“ gesagt!)

Jetzt hat Herr Minister Schünemann das Wort. Für den Schluss habe ich Frau Flauger und Herrn Humke-Focks für eine persönliche Erklärung vorgemerkt.

Bitte schön, Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist richtig, dass wir zur Tagesordnung zurückkommen und die Große Anfrage besprechen.

Ich muss Ihnen allerdings sagen, dass es mir schwerfällt, zur Tagesordnung überzugehen. Bitte halten Sie sich einmal vor Augen, was für eine Debatte wir gerade geführt haben; vor dem Hintergrund, dass tatsächlich Soldaten gefallen sind,

(Victor Perli [LINKE]: Schon wieder? - Hans-Henning Adler [LINKE]: Spre- chen Sie zur Sache!)

dass um die Toten getrauert wird. Wir müssen wirklich überlegen, welches Signal wir insgesamt aussenden. Meine Damen und Herren, deshalb kann ich nur sagen - das müssen Sie vorweg ertragen - - -

(Marianne König [LINKE]: Denken Sie an die Zivilbevölkerung!)

- Entschuldigen Sie einmal! Hier wurde von „politischer Totenehrung“ gesprochen. Das müssen wir uns wirklich nicht antun. Wir sollten Respekt vor den Gefallenen haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb bitte ich darum, jetzt zur Sache zu kommen und gerade dann, wenn es um Gefallene, um Tote geht, in besonderer Weise auf die Würde des Hauses zu achten.

(Zuruf von Victor Perli [LINKE])

Ich sage das auch deshalb, meine Damen und Herren, weil ich es unerträglich finde, Herr HumkeFocks, dass Sie mir gerade gesagt haben: Sie haben den passenden Anzug schon an. - Meine Damen und Herren, es reicht wirklich, welche Unterstellungen hier immer wieder von Ihrer Seite - - -

(Zurufe von der CDU: Unglaublich! Pfui! - Zurufe von der LINKEN)

Ich glaube, Sie sollten sich einmal überlegen, welches Signal Sie hier insgesamt aussenden. Wir haben hier schon über die ganzen letzten Monate darüber gesprochen, welches Signal wir aussenden, welche Würde dieses Haus hat. Mit solchen Zwischenrufen, mit solchen Diffamierungen in die Nähe einer Gruppierung gerückt zu werden, die in diesem Haus wirklich allgemein bekämpft werden sollte, ist schlichtweg unerträglich. Ich glaube, es wäre wirklich sinnvoll, wenn Sie sich dafür entschuldigen würden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

„Antidemokratische Bestrebungen sind nicht mit den beiden Diktaturen in Europa untergegangen. Sie leben fort und treten uns Demokraten heute und sicher auch weiterhin, oftmals getarnt oder schleichend - - -„

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich beginne noch einmal:

„Antidemokratische Bestrebungen sind nicht mit den beiden Diktaturen in Europa untergegangen. Sie leben fort und treten uns Demokraten heute und sicher auch weiterhin, oftmals getarnt oder schleichend und dann wieder in unverschämter Offenheit gegenüber, gleich ob in Gestalt des aktuellen Links- und Rechtsextremismus oder als politischer und krimineller Islamismus. Kluger und kenntnisreicher Kampf gegen den Extremismus ist daher heute wie vor 80 Jahren eine

der großen Überlebensfragen der im demokratischen Verfassungsstaat garantierten Freiheit.“

Meine Damen und Herren, diese Sätze sind nicht von mir, sondern von der früheren sozialdemokratischen Bundestagspräsidentin Annemarie Renger. Was uns diese große alte Dame der deutschen Politik kurz vor ihrem Tod mit auf den Weg gegeben hat, sollte uns aus meiner Sicht eine wirkliche Verpflichtung sein: Die Bekämpfung des Extremismus aus allen Richtungen und in allen Erscheinungsformen.

Die Antwort auf die Große Anfrage macht deutlich: Wir gehen konsequent gegen den Extremismus vor. Sie zeigt auch, wie unerlässlich der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem einer wehrhaften Demokratie ist.

Meine Damen und Herren, ich habe letzte Woche den Verfassungsschutzbericht 2009 vorgelegt. Auch er zeigt: Nach wie vor geht eine erhebliche Gefahr für unsere innere Sicherheit von islamistischen Terroristen aus. Bislang ist kein Anschlag in Deutschland geglückt, aber es besteht kein Grund zur Entwarnung.

Polizei und Verfassungsschutz in Niedersachsen sind höchst wachsam. Zusammen mit den anderen Ländern und dem Bund haben wir einen umfangreichen Maßnahmenkatalog entwickelt, um möglichst schon im Vorfeld Anschläge verhindern zu können.

Der islamistische Terrorismus ist nicht wurzellos. Als ideologischer Nährboden gewinnt der sogenannte Salafismus stark an Bedeutung. Sein Ziel ist ein rigider Gottesstaat, wie er in der Frühzeit des Islam herrschte. Demokratie gilt Salafisten als eine „falsche Religion“.

Nicht jeder Salafist wird notwendigerweise auch zum Terroristen. Das wäre natürlich völlig überzogen. Aber wir wissen z. B. aus den Erfahrungen mit der sogenannten Sauerlandgruppe, dass Terroristen salafistische Seminare und Moscheen besucht haben. Sie haben sich gleichsam im Selfmade-Verfahren baukastenartig ihr eigenes Weltbild zusammengebastelt.

Der Salafismus gewinnt auch bei uns in Niedersachsen an Einfluss in der islamistischen Szene, was uns beunruhigt. In Braunschweig hat er eine seiner wichtigsten Fortbildungsstätten in Deutschland. Sie wurde 2007 von einem Verein gegründet, der sich „Einladung zum Paradies“ bezeichnet. Ein weiteres Zentrum ist der Deutschsprachige Islam

kreis Hannover, DIK. Braunschweig und Hannover sind Knotenpunkte in einem salafistischen Netzwerk, das sich immer mehr ausbreitet.

Der Leiter der Braunschweiger Islamschule, Muhamed Ciftci, bietet ein Online-Studium an, mit dem er bereits mehr als 200 Personen erreicht. Zu den Freitagsgebeten und den Veranstaltungen vor Ort kommen oft mehrere hundert Menschen. Darin wird die Scharia in ihrer orthodoxesten Form gelehrt. Das bedeutet: Theokratie statt Demokratie, Diskriminierung von Frauen und Andersgläubigen. Zudem gibt es die Aussage von Ciftci, dass die Tötung von Glaubensabtrünnigen islamisch zulässig sei.

Meine Damen und Herren, es ist von großer Bedeutung, dass wir gemeinsam mit den Muslimen in Niedersachsen die Minderheit der islamistischen Extremisten isolieren und Sorge dafür tragen, den Islam in der Mitte unserer Gesellschaft zu beheimaten.

Der Vorsitzende der niedersächsischen Schura, Herr Avni Altiner, hat in der vergangenen Woche sehr deutlich gemacht, dass seine Verbände ein ganz besonderes Interesse daran haben, dass sich junge Muslime nicht radikalisieren. Deshalb muss ihnen auf dem Weg der Integration geholfen werden. Das tun wir, und dabei wird sich diese Landesregierung auch weiterhin sehr anstrengen.

Meine Damen und Herren, bereits in der vergangenen Sitzung des Landtags habe ich deutlich gemacht, dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus ein fester Bestandteil der Agenda dieser Landesregierung ist und bleibt. Auch wenn sein Gesamtpersonenpotenzial leicht gesunken ist, so erfordert der Rechtsextremismus weiterhin ganz besondere Aufmerksamkeit.

Rechtsextreme Strategen nutzen geschickt die neuen Kommunikationsmittel. Sie sind im Netz als virtuelle Rattenfänger unterwegs, um mit allen Tricks Jugendliche für ihre menschenverachtenden Ideen zu gewinnen.

Die NPD empfiehlt, im Netz nicht so offen unter „NPD“ zu agieren. Vielmehr solle man so tun, als sei man - ich zitiere - ein Mensch mit Humor, Beruf, Hobbys, ernst zu nehmenden Interessen, Literatur- und Musikgeschmack. Die NPD ruft dazu auf: Raus in den Kampf mit den modernen Kommunikationsmitteln!

Deshalb müssen wir unsere Kinder fit machen fürs Netz. Sie müssen wissen, was ihnen auf Plattfor

men wie YouTube, SchülerVZ oder Facebook begegnen kann.

Die Antwort auf die Große Anfrage macht sehr deutlich, dass die Landesregierung schon seit einiger Zeit eine ganze Reihe von Maßnahmen mit dem Ziel der Prävention auf den Weg gebracht hat. Dabei geht es auch um Aufklärung über die Gefahren im Internet. Wir schulen Multiplikatoren über rechtsextremistische Internetstrategien und suchen die Zusammenarbeit mit Providern.