Das heißt, dass wirtschaftliche Freiheiten ihre Grenzen dort finden, wo der soziale Schutz der Menschen berührt ist. Da ist Schluss mit wirtschaftlichen Freiheiten.
Nach Artikel 79 Abs. 3 ist dieses Prinzip unveräußerlich. Das heißt, es gibt keine Befugnis, das anheimzustellen. Daraus folgt eindeutig, dass man das auch nicht tun darf, indem man Deutschland einem höherrangigen Recht unterstellt, das dieses nicht mehr gewährleistet.
- Dazu sage ich noch etwas. - In der jüngsten Zeit gab es drei Urteile des Europäischen Gerichtshofes: eines zu Viking Line, eines zu Laval/Vaxholm,
die sich beide gegen das Streikrecht richteten, und eines zum Fall Rüffert, das Ihnen wohl bekannt ist, worin das niedersächsische Vergabegesetz zumindest teilweise für nicht haltbar erklärt wurde. Damit steht der Europäische Gerichtshof übrigens im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das zeigt, dass die jetzige europäische Gesetzgebung soziale Standards und sozialen Schutz nicht ausreichend gewährleistet. Wir sind für Europa, aber wir sind für ein soziales Europa.
Wir erwarten, dass Sie sich dafür einsetzen, dass entsprechende Regelungen getroffen werden, die den sozialen Schutz der Menschen in Europa gewährleisten. Derzeit stehen die wirtschaftlichen Freiheiten deutlich über den sozialen Rechten der Menschen in Deutschland. Wir werden erwarten, dass Sie das ändern. Wir werden beide Anträge ablehnen und halten den Lissabon-Vertrag nicht für unterzeichnungsreif, weil dies bisher noch nicht passiert ist. Wir sind für ein soziales und für ein demokratisches Europa.
Ich verstehe die Linkspartei in dieser Frage wirklich nicht, Frau Flauger. Der europäische Einigungsprozess ist nach meiner Wahrnehmung ein ganz großes, faszinierendes Projekt. Natürlich hat es auch Mängel. Das ist gar keine Frage. Aber die Grundintention war immer eine Einigung des Kontinents.
Eigentlich war der Sozialismus immer ein internationales Projekt. Das wird ja hier Stück für Stück verwirklicht. Natürlich ist das mit Kompromissen verbunden, die nicht alle optimal sind. Aber Sie stellen sich außerhalb dieses Kompromisses. Sie sind ja sehr isoliert. Ich finde es wirklich sehr erstaunlich, dass Sie hierbei eine so große Nähe zu Herrn Gauweiler haben.
In der Bundesrepublik ist man sich ansonsten sehr breit darüber einig, dass der europäische Weg der richtige ist. Einer der großen deutschen Staatsphilosophen, der aus dem theoretischen Marxismus
kommt, Herr Habermas - den werden auch Sie vielleicht kennen -, ist ja ein vehementer Befürworter des europäischen Projektes. Auch Ihre Rechtsauffassung, dass damit das Grundgesetz ausgehebelt wird, wird - jedenfalls aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts - überhaupt nicht geteilt. Da gibt es die sogenannten SolangeBeschlüsse: Solange der Grundrechtsschutz auf europäischer Ebene genauso gut gewährleistet wird wie auf bundesdeutscher Ebene, kann man dem europäischen Einigungsprojekt zustimmen. Deswegen besteht da überhaupt keine Gefahr, dass die Grundrechte irgendwie ausgehebelt werden. Da wird das Bundesverfassungsgericht dann sofort einschreiten, wenn diese nicht mehr gewährleistet werden.
Insofern kann ich es wirklich nicht nachvollziehen, dass hier insbesondere eine Partei, die sich immer den Internationalismus auf die Fahne geschrieben hat, sagt: Nein, dem Projekt - das nun wirklich konkrete internationale Einigungspolitik betreibt - werden wir nicht zustimmen. Das finde ich, ehrlich gesagt, bedauerlich. Das muss ich wirklich sagen. Ich finde, Europa ist ein ganz tolles, faszinierendes Projekt - natürlich auch mit Mängeln.
Aber dem sollte man sich wirklich nicht verweigern. - Letzter Satz, Herr Präsident. - Ich glaube Ihnen sogar Ihre Bekenntnisse zum Grundgesetz. Die WASG ist da anders unterwegs. Ich würde mir das einmal hier von Herrn Sohn wünschen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben völlig recht: Europa ist ein faszinierendes Projekt. Wir sind für Europa; das habe ich eben gesagt und wiederhole ich gerne. Wir sind für Europa, wollen aber, dass die Rechte der Menschen gewährleistet sind. Das EuGH-Urteil im Fall Rüffert zum niedersächsischen Landesvergabegesetz hat gezeigt, dass hier eine entsprechende Rechtsprechung stattfindet. Gegen die gehen Sie an der Stelle ja auch nicht vor. Sie haben sich ja auch gleich diesem Urteil sehr gehorsam gefügt.
- Als wir gesagt haben, man müsse sich dem vielleicht nicht gleich so fügen, haben Sie gleich gesagt, wir seien undemokratisch. Also erkennen Sie offensichtlich an, dass der EuGH über dem Bundesverfassungsgericht steht. - Diese Regelung wollen wir so nicht. Wir sind für Europa, für ein soziales Europa. Dafür kämpfen wir, dafür setzen wir uns ein.
(Zustimmung bei der LINKEN - Jörg Bode [FDP]: Die akzeptieren nur die Urteile, die ihnen passen! - David McAllister [CDU]: Da klatscht noch nicht einmal der Jurist Adler!)
Zu diesem Tagesordnungspunkt hat sich Herr Adasch von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Wort zu meiner Kollegin von der Linkspartei. Das, was Sie hier heute Vormittag bieten, hätte ich 19 Jahre nach dem Fall der Mauer nicht für möglich gehalten. Das muss ich Ihnen einmal ganz deutlich sagen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Ich auch nicht, nach dem, was Sie heute gebo- ten haben!)
Meine Damen und Herren, der 13. Dezember 2007 war ein guter Tag für Europa und ein guter Tag für die Bundesrepublik Deutschland. Nach langen und schwierigen Verhandlungen haben sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf den Vertrag von Lissabon verständigt und das Haus Europa auf ein neues Fundament gestellt. Die Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ganz maßgeblich zum Zustandekommen dieses Vertrages beigetragen. Ohne das weitsichtige, kluge und konsequente Vorgehen unserer Kanzlerin wäre der Vertrag von Lissabon nicht zur Unterzeichnung gekommen.
Wir, die CDU-Fraktion, begrüßen, dass der Reformvertrag die Rechte des Europäischen Parlaments nachhaltig stärkt und damit zu mehr Demokratie, Bürgernähe und Transparenz beiträgt. Zu den wichtigsten Eckpunkten des Reformwerks gehören das Mitentscheidungsverfahren als Regelverfahren bei der EU-Rechtsetzung, die Erweiterung der Haushaltsbefugnisse und die Stärkung der Mitwirkungsrechte des Europäischen Parlaments, die Stärkung der nationalen Parlamente durch das Subsidiaritätsfrühwarnsystem und das Klagerecht der nationalen Parlamente, die Verbesserung der Kompetenzabgrenzung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten, die Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten, die Rechtsverbindlichkeit der EU-Grundrechtecharta, die Einführung eines Bürgerbegehrens, die Stärkung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Weiterhin begrüßen und unterstützen wir deshalb die Bemühungen und das Werben der Niedersächsischen Landesregierung für eine zügige Ratifizierung durch alle EU-Mitgliedstaaten, möglichst bis zum 1. Januar nächsten Jahres.
Was uns jedoch bei aller Freude über die Ergebnisse von Lissabon, nicht zuletzt im Hinblick auf die im Juni nächsten Jahres stattfindenden Wahlen zum Europäischen Parlament, bedrückt, ist der stete Rückgang der Wahlbeteiligung auf zuletzt nur noch 40,1 %. Diese steht im Lande Niedersachsen und auch bundesweit in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Politik der Europäischen Union und der durch den Vertrag von Lissabon nochmals gestärkten Bedeutung des Europäischen Parlaments.
Europa ist die zweitgrößte Demokratie der Welt. Nie zuvor in der Geschichte hat es so viel Frieden, Freiheit und Wohlstand auf diesem Kontinent gegeben.
Schon aus diesem Grunde sind alle demokratischen Kräfte in diesem Land aufgerufen, im Hinblick auf die nächsten Europawahlen für eine höhere Wahlbeteiligung einzutreten und massiv dafür zu werben. Die vom Landtag für das Frühjahr 2009 geplanten fraktionsübergreifenden Aktivitäten wie die Verabschiedung einer gemeinsamen Resolution, ein Tag der offenen Tür des Landtages zum
Thema Europawahlen, die aktive Teilnahme am Projekttag an Schulen und Bürgerforen sind gute und wichtige Schritte in die richtige Richtung.
Gleichwohl bitten wir die Landesregierung in diesem Entschließungsantrag, erstens weitere Aktionsvorschläge auf der Basis der Analyse der letzten Wahlen zum Europäischen Parlament zu entwickeln, zweitens ihre Öffentlichkeitsarbeit und ihre geplanten Projekte und Veranstaltungen, insbesondere des Europäischen Informations-Zentrums, in der ersten Jahreshälfte 2009 unter Wahrung des Neutralitätsgebotes verstärkt auf das Thema Europawahl 2009 auszurichten und hierfür auch zusätzliche Haushaltsmittel bereitzustellen. Drittens bitten wir, im Rahmen der Europaministerkonferenz der Länder Maßnahmen auf dem Gebiet der Kommunikation und der Öffentlichkeitsarbeit im Hinblick auf die Europawahlen abzustimmen. Viertens bitten wir, mit der Bundesregierung gemeinsame Maßnahmen auf dem Gebiet der Kommunikation und der Öffentlichkeitsarbeit zu den Europawahlen anzustreben. Fünftens bitten wir, eine Intensivierung der Berichterstattung über europäische Themen durch die regionalen Medien im Vorfeld der Europawahlen zu unterstützen und sich sechstens auch gegenüber den europäischen Institutionen für eine angemessene Beteiligung der Länder und eine abgestimmte Vorgehensweise bei der Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld der Europawahlen 2009 einzusetzen.
Meine Damen und Herren, das gemeinsame Haus Europa steht nach dem Vertrag von Lissabon auf einem guten Fundament. Wir werden den eingeschlagenen Kurs im Rahmen unserer landespolitischen Möglichkeiten nachhaltig unterstützen. Dazu gehört auch, das politische Interesse der Menschen an Europa zu steigern und den negativen Trend bei der Wahlbeteiligung umzukehren.
von Lissabon und wie man damit umgeht - zwei extreme Positionen hier im Haus: auf der einen Seite die Linke, die diesen Vertrag als schlecht empfindet, auf der anderen Seite die CDU, die einen Jubelantrag zu dieser Thematik vorgelegt hat. Die CDU hat wieder einmal die Problemlagen, die es in und durch Europa gibt, überhaupt nicht aufgegriffen. Die Linken negieren völlig die Erfolge, die auch dieser Vertrag bringt, insbesondere die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen, die ein Element sind, um die lähmende Langsamkeit der Entscheidungsfindung in Europa zu durchbrechen.