Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wulff - er ist leider nicht mehr da -, in Ihrer Regierungserklärung war viel Eigenlob enthalten - das hatten wir erwartet - und wenig Konkretes - das hatten wir befürchtet. Diese Struktur hat sich auch durch die Redebeiträge der Vertreter der die Regierung tragenden Fraktionen durchgezogen.
Herr Wulff hat uns mitgeteilt, dass Herr Althusmann als Kultusminister die Schulstruktur weiterentwickeln soll. Er hat uns aber nicht gesagt, was er damit genau meint. Ich will Ihnen sagen, was die Linke meint: Es ist unmenschlich und grausam,
neun- und zehnjährige Kinder mit einem massiven Leistungsdruck zu belasten, nur weil Sie in Ihrer ideologischen Verblendung daran festhalten, ihre Berufschancen schon nach dem vierten Schuljahr festzulegen.
Deswegen gibt es viele Kinder, die auch mit noch so viel Fleiß, der hier zitiert worden ist, längst nicht mehr alles werden können, wie es hier vomTellerwäscher-zum-Millionär-mäßig angesprochen wurde. Manche Hauptschüler antworten deshalb ganz folgerichtig auf die Frage, was sie denn einmal werden wollen: Hartz IV.
Geben Sie den Kindern endlich die Chance auf gemeinsames Lernen bis zur 10. Klasse, wie es die Linke schon lange fordert und wie es sich in vielen anderen Ländern schon lange bewährt hat! Kinder dürfen nicht durch ihre soziale Herkunft verurteilt sein, die Armut der Eltern zu erben. Als Linke fordern wir Lernmittelfreiheit und ein pädagogisch hochwertiges Ganztagsschulangebot in Integrierten Gesamtschulen. Das wäre ein echter Beitrag für Chancengleichheit und Integration.
Die Forderung nach einem gebührenfreien Studium im Landtagswahlprogramm 2009 der CDU in Brandenburg ist hier schon von Herrn Jüttner angesprochen worden. Natürlich stellt sich die Frage - dazu wird sich die CDU hier auch positionieren müssen -, ob für die CDU in Niedersachsen wirklich falsch sein kann, was für die CDU in Brandenburg richtig ist. Das wird schon ein spannendes Thema werden.
Machen Sie das Studium endlich gebührenfrei, wie es die Linke fordert! Damit erleichtern Sie ärmeren Studierwilligen den Zugang und reduzieren auch die oft geldbedingten Studienabbrüche.
Die Ernennung von Frau Grotelüschen zur Agrarministerin lässt uns nun natürlich Lobbypolitik pur und noch mehr Massentierhaltung befürchten. Das ist nicht unser Weg. Die Linke fordert, die nicht artgerechte Massentierhaltung sowie jede andere quälerische Nutztierhaltung und antibiotikahaltige Masthilfen zu verbieten.
fordern wir eine enge Zusammenarbeit zwischen einem neu ausgerichteten Landwirtschaftsministerium und dem Umweltministerium. Dies wiederum setzt natürlich auch eine weitsichtige Umweltpolitik voraus, die wir seit 2003 hier in Niedersachsen allerdings vergeblich suchen.
Jetzt wollen Sie immerhin im Windkraftbereich ein Repowering, also das Ersetzen älterer Windkraftanlagen durch neuere und leistungsfähigere. Dies halten wir für gut und richtig. Deshalb hatten wir im letzten Jahr hier einen entsprechenden Antrag eingebracht, zu dem Sie sich allerdings noch sehr spröde gezeigt haben. Nun aber sehen wir: Links wirkt. Sie setzen unsere Forderung um. Das ist auch gut so.
Gar nicht gut dagegen ist, dass Sie sich zum Thema Atomausstieg überhaupt nicht geäußert haben. Haben Sie aus dem Asse-Desaster und dem Gorleben-Streit immer noch nicht gelernt, Herr Wulff, dass von diesem Atomdreck nicht noch mehr produziert werden darf?
Wir Linke fordern den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie statt Ihrer Laufzeitverlängerung - ein Thema, das Sie hier feige umgangen haben. Bei entsprechendem ernsthaften Willen sollte der Ausstieg innerhalb weniger Jahre möglich sein.
Dieser Ausstieg ist auch eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Umstellung auf erneuerbare Energien. Laufzeitverlängerungen für AKW blockieren das nur. Herr Jüttner hat das hier dargelegt. Wenn Sie hier etwas anderes behaupten, dann tun Sie dies wider besseres Wissen und in völliger Verantwortungslosigkeit.
Wenn Sie hier behaupten, ein Ausstieg aus der Atomenergie ließe hier das Licht ausgehen und würde zu einer Versorgungslücke führen, dann tun Sie auch dies wider besseres Wissen in völliger Verantwortungslosigkeit und spielen Sie mit den Ängsten der Menschen.
Herr Wulff hat gesagt, er finde es eigentlich selbstverständlich, jemanden mit Migrationshintergrund zur Ministerin in Niedersachsen zu machen. Nun ist er leider nicht da; aber ich stelle mir vor, dass er enttäuscht gewesen sein muss, als er festgestellt hat, dass er seine Partei da deutlich überschätzt hatte.
Gucken wir uns einmal an, was eigentlich von der von Herrn McAllister angesprochenen Weltoffenheit und Toleranz der CDU zu halten ist.
Kaum, dass Frau Özkan ausspricht, was das Bundesverfassungsgericht schon 1995 ausgeurteilt hat, nämlich dass Kruzifixe nicht in staatliche Schulen gehören, ging bei diesem erstbesten Anlass ein Aufschrei der Empörung durch die CDU: Die Schülerunion fordert, dass sie gar nicht erst vereidigt wird, der Sprecher des Arbeitskreises engagierter Katholiken erklärt das Experiment für gescheitert, Wulff und Merkel distanzieren sich, Herr Große Macke erklärt, mit einer solchen Äußerung sei Frau Özkan für ihn nicht wählbar, und Herr Bley sieht das ähnlich, sodass Herr Wulff sich dann genötigt sah, bei Frau Özkan „nachzujustieren“, wie er es genannt hat. - Frau Özkan, ich könnte mir vorstellen, dass auch Sie enttäuscht waren.
und ich muss sagen: Ich war nicht überrascht. Ich erinnere an eine Debatte hier im Hause im Januar 2009. Nachdem mehrere Oppositionsabgeordnete darauf hingewiesen hatten, dass Herr McAllister eine doppelte Staatsbürgerschaft hat, und fragten, warum dieses Recht nicht auch für andere gelten solle, führte Herr Biallas hier aus:
„Herr McAllister heißt McAllister, weil er einen schottischen Vater hat. Deswegen ist er britischer Staatsbürger und deutscher Staatsbürger. Von Ihnen wird ja wohl niemand behaupten wollen, dass Herr McAllister in der Türkei geboren ist. Das ist der Unterschied zwischen Herrn McAllister und dem Sachverhalt, um den es hier geht.“
(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Norbert Böhl- ke [CDU]: Wo ist denn McAllister ge- boren?)
Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, es reicht eben nicht, sich als Partei symbolisch die Maske einer Ministerin mit türkischem Migrationshintergrund aufzusetzen, wenn damit nur die hässliche Fratze
(Beifall bei der LINKEN - Norbert Böhlke [CDU]: Was erzählen Sie denn da? Das nimmt Ihnen doch keiner ab! Das ist eine Unverschämtheit!)
Die Linke jedenfalls meint es mit der Integration von Migrantinnen und Migranten ernst und hat dazu klare Forderungen. Ich will hier nur drei davon aufführen: die Auflösung der gettoisierenden und diskriminierenden Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die doppelte Staatsbürgerschaft und das kommunale Wahlrecht für alle, die hier leben.
Sie haben hier über Sicherheit und Aufklärungsquoten gesprochen und gesagt, dass man 2020 unter Sicherheit auch soziale Sicherheit verstehen werde. Sie liegen voll daneben, wenn Sie meinen, das sei erst 2020 so. Ich glaube Ihnen allerdings sofort, dass Sie noch zehn Jahre brauchen, um das zu begreifen.
Die Menschen wollen auch heute schon soziale Sicherheit, Herr Wulff. Aber Sie tun nichts dafür. Im Gegenteil. Bis tief in die Mitte der Gesellschaft hinein haben Menschen in Deutschland und in Niedersachsen Angst: Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes, Angst, in das menschenunwürdige Hartz IV zu fallen,
das alle Bundestagsparteien außer der Linken beschlossen haben, Angst vor dem Zwang, mies bezahlte, befristete Arbeitsplätze annehmen zu müssen und nicht wieder in reguläre Beschäfti
All das betrifft große Teile der Bevölkerung, insbesondere die Mitte, die Sie angeblich vertreten. Herr Wulff, Sie müssen doch endlich einmal begreifen - er ist nun leider nicht da -, dass Menschen schon lange ein Sicherheitsbedürfnis haben, das über Schünemannsche Sicherheitsbegriffe weit hinausgeht. Die Menschen wollen ihr Leben planen können. Sie wollen Kinder haben können, ohne dass schon dies ein Armutsrisiko ist. Nehmen Sie das doch einmal zur Kenntnis, wenn Sie hier den demografischen Wandel beklagen, ohne irgendeinen Lösungsansatz zu haben.