Protocol of the Session on April 28, 2010

Die Politik der krisenbedingten Ausgabenprogramme ist vorbei. Einsparungen in allen Bereichen werden unausweichlich sein.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Was ma- chen Sie bei der nächsten Krise?)

Das heißt, alle Aufgaben und damit alle Ausgaben des Landes stehen nochmals auf dem Prüfstand. Die Landesregierung hat vor wenigen Wochen auf ihrer Kabinettsklausur in Vienenburg dazu erste wegweisende Projekte angeschoben, u. a. die

dritte Stufe der Verwaltungsreform oder auch die Anhebung des Pensionsalters für Landesbeamte auf 67 Jahre anlog der Regelung, die Ihr ehemaliger Bundesvorsitzender, Herr Müntefering, in Berlin für die privaten Renten umgesetzt hat.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie haben die globale Minderausgabe verges- sen!)

Gerade in der Haushaltspolitik haben wir seit 2003 altbekannte Rituale der Opposition hier im Hause erlebt. Zunächst wird die allgemeine Haushaltspolitik kritisiert, dann wird die angeblich zu hohe Nettokreditaufnahme gerügt, und dann fordert die Opposition in allen Bereichen der Landespolitik Mehrausgaben. Ich sage Ihnen eines: Das waren Rituale, die auch Christdemokraten begangen haben, als sie in der Opposition waren, und die wir seit 2003 insbesondere von Sozialdemokraten und Grünen und seit 2008 auch von einer reizenden dritten Fraktion erleben.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Spre- chen Sie den Namen ruhig aus!)

Ich sage Ihnen eines: Diese Rituale sind nicht mehr zeitgemäß; denn was wir in den nächsten Jahren brauchen, ist ein Wettbewerb um intelligente Ideen und Vorschläge. Wir müssen uns gemeinsam überlegen, wie wir dieses Land Niedersachsen so schlank und gleichzeitig so stark gestalten, dass auch künftige Generationen eine Perspektive haben.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb ist jeder Vorschlag - ich sage das nochmals in die Richtung der Oppositionsfraktionen, zumindest dieser beiden -, der intelligent ist, jeder Vorschlag, der in einen Wettbewerb mit uns tritt, wo man Ausgaben reduzieren kann, wo man Ausgaben kürzen kann, wo man Aufgaben, die bisher das Land wahrgenommen hat, möglicherweise auf Kommunen, auf Private übertragen kann, so wichtig, damit wir jetzt intelligente Sacharbeit machen. Jeder Vorschlag ist willkommen. Wir werden uns Ihren Vorschlägen nicht verschließen, aber es müssen natürlich welche kommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Kollege Jüttner ist auf die Steuerpolitik im Bund und auf die Finanznot der Kommunen eingegangen. Für die niedersächsische CDU möchte ich nur Folgendes sagen: Die

Entlastung von unteren und mittleren Einkommen ist eine klare gemeinsame Ansage von Union und FDP. Es gibt im deutschen Steuerrecht nach wie vor Ungerechtigkeiten, die nicht zu vertreten sind, insbesondere die kalte Progression und der sogenannte Mittelstandsbauch.

Meine Damen und Herren, auch internationale Begutachter des deutschen Steuerrechts sagen: Es ist unfair, dass ausgerechnet die Mitte der Gesellschaft, die am meisten dazu beiträgt, dass wir in diesem Land volkswirtschaftlichen Wohlstand haben, damit wir gemeinsam auch diesen ganzen Sozialstaat finanzieren, über Gebühr durch das Steuerrecht benachteiligt wird und damit in ihrer Leistungsentwicklung gehemmt wird. Das ist und bleibt eine Ungerechtigkeit!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb begrüßen wir, dass die neue Regierung von Angela Merkel und Guido Westerwelle angekündigt hat, eine strukturelle Reform des deutschen Steuerrechts zu beschließen. Ich glaube, es gibt viel zu tun im deutschen Steuerrecht, was seine Einfachheit, seine Klarheit und insbesondere auch die Verständlichkeit der deutschen Sprache angeht. Aber zum Volumen einer möglichen Steuerentlastung können wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nichts sagen. Dafür ist zunächst die Steuerschätzung am 6. Mai abzuwarten.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Und die Landtagswahl in NRW!)

Klar ist auch, dass bei allen weiteren Entlastungsschritten natürlich die finanzielle Lage der Länder und Kommunen mit berücksichtigt werden soll. Ich glaube, dass die Koalitionspartner in Berlin in den letzten Tagen und Wochen sehr aufeinander zugegangen sind. Und ich bin mir sicher, dass wir am Ende zu einvernehmlichen Ergebnissen im Bundestag und Bundesrat kommen werden.

Meine Damen und Herren, die erste große Herausforderung ist also eine generationengerechte Finanzpolitik.

Zum zweiten Punkt, dem demografischen Wandel und seinen ganzen Folgen für die Landespolitik, hat der Ministerpräsident ausführlich Stellung genommen. Ich möchte für meine Fraktion nur sagen, dass wir dieses Thema als die größte gesellschaftspolitische Herausforderung für das Land Niedersachsen betrachten. Nicht zuletzt deshalb haben wir zusammen mit den Kollegen der FDP in der letzten Wahlperiode eine Enquetekommission hier im Landtag eingesetzt. Der Abschlussbericht

der Enquetekommission liegt vor. Er ist meiner Meinung nach eine gute Arbeitsgrundlage für alle weiteren politischen Beratungen hier im Hause wie auch innerhalb der Landesregierung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Drittens. In der Bildungspolitik - auch eine wesentliche Herausforderung - möchte ich ebenfalls das unterstreichen, was der MP gesagt hatte. Wir dürfen bei unseren Anstrengungen in der Bildungspolitik nicht nachlassen. Aber ich sage auch: Was wir in Bildung investieren, kann nicht der einzige und ausschließliche Maßstab sein. Maßstab muss auch sein, was am Ende dabei herauskommt. Die vielen schulpolitischen Reformprojekte habe ich bereits dargestellt. Sicherlich kommt jetzt auf die Landesregierung - aber nicht nur auf die Landesregierung, sondern auch auf die ausbildende Wirtschaft und auf die Hochschulen - die einzigartige Herausforderung zu, den doppelten Abiturjahrgang zu bewältigen. Bis 2011 werden wir durch gemeinsame Anstrengungen die besondere Herausforderung bei der Unterrichtsversorgung bewältigen. Danach wollen wir uns finanziellen Spielraum erarbeiten, um die Klassenstärken zu verringern und die Schulleiter zu entlasten. Auch in diesem Punkt steht die Koalition für Verlässlichkeit und Vertrauen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, unbestritten stehen wir angesichts des demografischen Wandels vor der Herausforderung, das begabungsgerechte differenzierte Schulwesen auch bei zurückgehenden Schülerzahlen langfristig zu sichern. Wenn wir nichts täten, wäre die Entwicklung absehbar: Die absoluten Schülerzahlen nehmen ab, und in der Tendenz sinken die Übergangsquoten von der 4. in die 5. Klasse an den derzeitigen Hauptschulen. Das ist wahr. Deshalb arbeiten wir an diesen schulpolitischen Baustellen. Wichtige Schritte sind bereits eingeleitet worden, nämlich die engere Kooperation von Haupt- und Realschulen sowie die engere Kooperation von den Hauptschulen mit den berufsbildenden Schulen. Letztlich wollen wir die Schulstrukturen behutsam weiterentwickeln und auf die Zukunft ausrichten.

Aber ich möchte eine Anmerkung zum Thema Gesamtschulen machen; das war bei Herrn Jüttner zu erwarten. Sie werfen uns wiederholt eine Gesamtschulverhinderungspolitik vor. Tatsache ist allerdings, dass diese Landesregierung seit dem Regierungswechsel 2003 32 neue Gesamtschulen möglich gemacht hat. Allein 14 sind im laufenden

Schuljahr hinzugekommen. Zum nächsten Schuljahr werden noch weitere 18 Gesamtschulen ihren Betrieb aufnehmen.

Insofern ist es schlicht und ergreifend unzutreffend und falsch - Sie führen die Menschen hinter die Fichte -, wenn Sie behaupten, wir würden Gesamtschulen verhindern. Sie hatten doch bis 2003 Zeit, neue Gesamtschulen einzurichten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich sage aber auch: Die Schulstruktur entscheidet nicht über den Erfolg unserer Bildungspolitik, sondern es geht um die Qualität. Deshalb steht für uns als Koalition nach wie vor klar fest: Gesamtschulen sind eine gewollte Ergänzung des bestehenden Schulwesens. Wir alle miteinander sind fest entschlossen, die diffamierende Kampagne des schulpolitischen Linksblocks von SPD, Grünen und Linken gegen das gegliederte Schulwesen abzuwehren. Wir wollen nicht die von oben verordnete Einheitsschule für alle.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die vierte große Herausforderung: die Familienpolitik. Das stand und das steht im Mittelpunkt der Arbeit der Landesregierung. Dank der Unterstützung des Bundes werden wir bis 2013 insgesamt 1,3 Milliarden Euro für den Ausbau der frühkindlichen Betreuung in Niedersachsen bereitstellen; denn gerade auf den Anfang kommt es an. Wir streben eine Betreuungsquote von rund 35 % in 2013 an, um dann den Rechtsanspruch auf Betreuung auch in Niedersachsen umsetzen zu können, wie es Bund und Länder vereinbart haben.

Lieber Herr Jüttner, aber auch hierbei gibt es einen Unterschied zwischen der Politik dieser Koalition und der Politik der linken Opposition in diesem Hause: Wir respektieren ausdrücklich die Wahlfreiheit der Eltern dabei, wie sie Beruf und Familie vereinbaren wollen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Die gibt es aber gar nicht!)

- Herr Kollege Limburg, wir beide sind junge Familienväter. Deshalb wissen wir beide, wovon wir reden. - Eines sage ich Ihnen: Der Staat hat die Rahmenbedingungen zu setzen, was den Ausbau der Infrastruktur angeht. Dabei haben wir noch eine Menge nachzuholen. Wir sind dabei, dies zu tun. Eines sage ich Ihnen aber auch: Ob Eltern ihre Kinder in den ersten Lebensjahren in eine Betreuungseinrichtung geben oder sich für eine Betreuung zu Hause entscheiden, darüber ent

scheidet keine Regierung, darüber entscheidet erst recht keine Partei, sondern darüber entscheiden ganz allein die Eltern und niemand anders in diesem Land.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Fünftens. Niedersachsen ist ein weltoffenes und tolerantes Land.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ja, das ha- ben wir gerade gesehen!)

Diese CDU-Landtagsfraktion erträgt seit sieben Jahren einen Fraktionsvorsitzenden mit Migrationshintergrund. Verehrte Frau Özkan, ich gehöre zur kleinen Minderheit der Deutsch-Schotten in diesem Land. Wir sind vergleichsweise gut integriert und engagieren uns auch politisch. Wir sind sogar Mitglied in der richtigen Partei, der Sie auch beigetreten sind.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Wir sind nicht zuletzt deshalb ein weltoffenes und tolerantes Land, weil wir dank unserer Häfen das Tor zur Welt sind. Wir sind offen für Neues, und wir sind offen für Neue. In den letzten Jahrzehnten haben wir gezeigt, dass die Menschen in Niedersachsen zur Integration fähig sind. In kein anderes Bundesland sind seit dem Jahr 1990, prozentual gesehen, so viele Menschen aus anderen Ländern zugewandert. Das ist eine gewaltige Leistung, die alle Menschen, der Staat, die Gesellschaft, die Vereine und die Verbände vollbracht haben.

Ich sage Ihnen eines: Die Integration hat viele Facetten, und zwar in der Bundespolitik, in der Landespolitik und in der Kommunalpolitik. Diese Landesregierung hat in den letzten Jahren vorbildlich - auch im Vergleich mit den anderen 15 Bundesländern - ihre Integrationspolitik im niedersächsischen Handlungsprogramm Integration dargelegt. Das ist auch ein großer Erfolg von Uwe Schünemann. Dabei sollten wir uns nichts vormachen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In den letzten Jahren haben wir viel erreicht. In der Integrationspolitik bleibt aber noch viel zu tun. Deshalb ist es ein besonderes Signal, dass der Ministerpräsident Frau Aygül Özkan bei diesem Thema für die Landesregierung gewonnen hat. Natürlich ist gestern im Niedersächsischen Landtag ein Stück bundesdeutsche Geschichte geschrieben worden. Zum ersten Mal wurde ein Mensch mit Migrationshintergrund Landesminister. Außerdem wurde zum ersten Mal eine Muslimin

Landesministerin. Das war ein beispielloser Vorgang. In 20 Jahren werden wir uns wahrscheinlich über manche Aufregung wundern, wie es auch der Herr Ministerpräsident gesagt hat.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Aber erst musste sie zu Kreuze kriechen!)

Herr Kollege Jüttner, eines aber noch zu Ihnen in aller Freundschaft und Sympathie: Diesen Vorgang als Castingshow abzuqualifizieren, das war dem ganzen Vorgang unangemessen. So geht man nicht miteinander um!

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich weiß, dass Sie mit dem Begriff „Casting“ wahrscheinlich Schwierigkeiten haben.

(Zuruf von Heinrich Aller [SPD])