Protocol of the Session on April 28, 2010

Die Gewerbesteuer steht bei der Gemeindefinanzreform auf der Tagesordnung. Es ist aber klar dargestellt worden, dass die Größenordnung der Einnahmen durch die Gewerbesteuer nicht infrage gestellt werden kann. Das bedeutet, dass wir in diesem Zusammenhang eine Verstetigung brauchen. Wir müssen uns das genau anschauen. Dass es auch bei dem Thema Gewerbesteuer Diskussionsbedarf gibt, können Sie an folgendem Beispiel erkennen: Wenn zwei Krankengymnasten, die eine Gesellschaft gegründet haben, alleine tätig sind, brauchen sie keine Gewerbesteuer zu zahlen. Stellen sie aber jemanden ein, der z. B. auf 400-Euro-Basis die Abrechnungen macht, werden sie plötzlich gewerbesteuerpflichtig. Das ist ein Beispiel, bei dem man sich fragen kann, ob das sinnvoll und gerecht ist.

Demgegenüber kann ich nachvollziehen - das ist ja gerade aus Gründen der Wirtschaftsförderung sinnvoll -, dass es höhere Freibeträge im Bereich der Gewerbesteuer gibt. Das ist keine Frage. Wenn es aber in einer Gemeinde fast ausschließlich kleine Betriebe gibt, die unterhalb der Freibetragsgrenze liegen, dann hat sie überhaupt nichts von der Gewerbesteuer. Ich will damit nicht sagen, dass ich die Freibeträge abschaffen will. Ich habe nur die bestehende Problematik dargestellt.

Deshalb ist es schon sinnvoll, im Rahmen der Gemeindefinanzreform darüber nachzudenken, ob man nicht insgesamt eine Wirtschaftssteuer konstruieren sollte, die für alle gerecht ist. Das ist, glaube ich, im Steuerwesen das Wichtigste. Ich will offen zugeben: Nicht nur bei den kommunalen Finanzen, sondern in unserem Steuerrecht insgesamt ist es notwendig, Gerechtigkeit und Nachvollziehbarkeit herzustellen. Bei der Gewerbesteuer sind diesbezüglich noch einige Punkte zu besprechen.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)

Darüber hinaus wird über einen höheren Anteil an der Mehrwertsteuer für die Kommunen nachgedacht. Wir müssen aber auch prüfen, welche Folgen sich daraus für die Landesebene und Bundesebene ergeben. Ob man in diesem Zusammenhang über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer - eine weitere Möglichkeit - diskutieren kann, wage ich auch zu bezweifeln.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Artikel 28!)

Ein Hebesatzrecht auf die Einkommensteuer kann man natürlich auch in Erwägung ziehen. Dann ergibt sich zwar eine Verstetigung, aber es kommen auch negative Faktoren zum Tragen.

Ich schließe also nicht aus, dass bei der Gewerbesteuer etwas verändert wird, aber nur, wenn eine Verstetigung erreicht und das Gesamtniveau nicht infrage gestellt wird. Denn das wäre völlig inakzeptabel - nicht nur aufgrund der aktuellen Finanzsituation, sondern das wäre auch strukturell völlig falsch.

Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich im Moment nur eine Problemdarstellung geben kann. Wir haben die Arbeit in den Arbeitsgruppen gerade erst aufgenommen. Es liegen noch keine Ergebnisse vor. Ich bin gerne bereit, ausführlich zu berichten, sobald die ersten Ergebnisse vorliegen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich das aber noch nicht tun.

Meine Damen und Herren, die nächste Frage soll nach den vorliegenden Wortmeldungen von Herrn Adler gestellt werden, aber die Fraktion der Linken hat nach meiner Liste schon fünf Fragen gestellt.

(Zuruf von der LINKEN: Nein, drei!)

- Entschuldigung, der Präsident hatte die Namen schon eingetragen, aber Sie haben noch nicht gefragt. Dann sind Sie jetzt dran, Herr Adler. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe eben in dem Kommentar zur Niedersächsischen Gemeindeordnung gelesen, dass Derivatgeschäfte nicht als kreditähnliche Geschäfte im Sinne des § 92 Abs. 6 NGO gelten. Ich frage die Landesregierung: Gilt das auch für Caps? Dürfen die Kommunen diese selbstständig abschließen, oder müssen sie dafür eine Genehmigung einholen? Wenn ja bzw. auch wenn nein, würde mich interessieren, ob die Landesregierung

den Kommunen empfiehlt, zur Sicherung des Zinsrisikos Caps abzuschließen. Das hat immerhin den Nachteil, dass man dafür auch eine Prämie bezahlen muss.

(Zustimmung bei der LINKEN - Ernst- August Hoppenbrock [CDU]: Das hat er doch gerade gesagt!)

Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Regelung zu den Derivaten, die ich dargestellt habe, gilt nicht für Caps. Aber eine Übersicht darüber, wie viele Kommunen Caps abgeschlossen haben, liegt nicht vor. Wenn das Zinsniveau steigt, ist das eine gute Möglichkeit, um sich abzusichern. Das haben wir bisher nicht ausgeschlossen, und wir wollen das den Kommunen auch nicht vorgeben.

Die nächste Frage wird von Herrn Herzog von der Fraktion DIE LINKE gestellt. Bitte!

Vor dem Hintergrund, dass die Verstetigung der Einnahmesituation noch lange - voraussichtlich Jahre - auf sich warten lassen wird - wegen des steigenden Zinsniveaus wird es langfristig nicht dazu kommen -, und vor dem Hintergrund, dass finanzschwache Kommunen auch durch Kommunalaufsichten dazu gezwungen werden, ihre Hebesätze bei Grund- und Gewerbesteuern entsprechend anzuheben, frage ich die Landesregierung: Was wird die Landesregierung dafür tun, dass auf diesem Wege zwischen den Kommunen, insbesondere finanzschwachen Kommunen im ländlichen Bereich, keine Schieflage entsteht?

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In meinen einleitenden Ausführungen habe ich darauf hingewiesen, dass die Bundeskanzlerin klar dargestellt hat, dass sie mit Blick auf die Verstetigung der Einnahmen schnell, und zwar noch in diesem Jahr, Ergebnisse sehen will. Deshalb kann ich zum

jetzigen Zeitpunkt nicht bestätigen, dass das auf die lange Bank geschoben wird. Ich gehe davon aus, dass dann, wenn ein Ergebnis erzielt worden ist - im Übrigen mit den kommunalen Spitzenverbänden -, dies sehr zügig wirken wird.

Die Kommunalabteilung des Innenministeriums muss aber auch die Haushalte der Landkreise und kreisfreien Städte genehmigen. Wenn in einem Haushalt tatsächlich eine desolate Finanzsituation besteht und z. B. Bedarfszuweisungen beantragt werden, dann ist es dafür eine Grundvoraussetzung, dass sich die Steuereinnahmen zumindest auf Landesniveau bewegen. Das heißt, Gewerbesteuer- und Grundsteuereinahmen dürfen nicht niedriger sein als im Landesdurchschnitt - natürlich im Verhältnis zur Größe des Landkreises oder der Gemeinde. Das ist selbstverständlich. Denn man kann nicht verlangen, dass aus der Solidargemeinschaft Geld überwiesen wird, wenn die eigenen Einnahmemöglichkeiten nicht ausreichend ausgenutzt werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Insofern gibt es dabei überhaupt keinen Handlungsbedarf. Ich kann auch kein Gefälle erkennen; denn das ist die Mindestvoraussetzung dafür, dass überhaupt eine Unterstützung gewährt wird.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. - Die nächste Frage wird von Herrn Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mit Interesse die sehr offene Positionierung des Innenministers zur Verstetigung der gemeindlichen Steuereinnahmen vernommen und stelle im Vergleich zu früheren Äußerungen eine gewisse Bewegung fest. Deswegen versuche ich einmal, das zu konkretisieren: Wie werden Sie sich als Vertreter der Landesregierung, Herr Minister Schünemann, zu der Strategie verhalten, die Verstetigung der Einnahmen über eine Einbeziehung der freien Berufe in die Gewerbesteuer sicherzustellen?

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte dargestellt, dass zu den Ergebnissen im Moment noch nichts gesagt werden kann. Ich habe die Probleme dargestellt und gesagt, dass wir eine gerechte Besteuerung erreichen müssen. Dabei werden verschiedenste Modelle gerechnet. Insofern kann ich im Moment nichts ausschließen; das wäre völlig falsch. Wir müssen erst einmal prüfen, welche Möglichkeit wir haben.

Ich will in diesem Zusammenhang auf Folgendes hinweisen: Die Gewerbesteuereinnahmen bleiben zum Teil nur zu einem Drittel bei den Kommunen, die sie erheben. Zum einen gibt es die Gewerbesteuerumlage. Auf Initiative Niedersachsens und Bayerns wurde sie in den letzten Jahren abgesenkt und wurden die Kommunen um 300 Millionen Euro entlastet. Darauf ist heute bereits hingewiesen worden. Dieses Drittel muss bei der Gewerbesteuer abgezogen werden. Zum anderen gibt es eine Kreisumlage, die auch auf dieser Basis berechnet wird. Man kann davon ausgehen, dass davon auch ein Drittel abgeht. Das heißt, es bleibt nur noch ein Drittel übrig.

Wenn man noch Anreize schaffen will, auf der Gemeindeebene Infrastruktur vorzuhalten, dann muss man prüfen, ob der aktuelle Weg tatsächlich substanziell richtig ist oder ob man sogar darüber nachdenken muss, auf der Landkreisebene die Finanzströme so auszurichten, dass man nicht auf die Gewerbesteuer auf der Gemeindeebene zugreifen muss. Diese Fragen sind zu besprechen. Aber ich kündige hier nicht an, dass das so umgesetzt wird, sondern jetzt muss erst einmal in den Arbeitskreisen gearbeitet werden.

Ich habe deshalb ganz bewusst gesagt, dass ich mich in diese Arbeitskreise nicht nur hineinsetzen und schauen will, was dort diskutiert wird. Es ist durchaus sinnvoll, die drei kommunalen Spitzenverbände vor Ort von Anfang an mit einzubeziehen. Wir haben uns bereits das erste Mal getroffen. Auf Arbeitsebene finden entsprechende Gespräche statt. Ich habe auch gesagt, es ist sinnvoll, von Anfang an das Finanzministerium und das Wirtschaftsministerium mit einzubeziehen, damit wir eine abgestimmte Haltung entwickeln können. Aber ein Beraterkreis von unabhängigen Wissenschaftlern ist genauso wichtig, die auch einmal querdenken, um voranzukommen und vielleicht auch eine eigene Position auf Bundesebene zu erarbeiten. Das ist ein sehr komplexes Thema, zu

dem keine einfachen Lösungen präsentiert werden können. Ich kann Ihnen jetzt auch noch nicht sagen, ob wir einen eigenen Weg finden werden. Aber das Bemühen, alles ernsthaft infrage zu stellen und keine Denkverbote aufzustellen, ist aufgrund der finanziellen Situation auf kommunaler Ebene, aber auch auf Landes- und Bundesebene erforderlich.

Ich will nicht verhehlen, dass ich auf der ersten Sitzung bei einigen Äußerungen erst einmal etwas geschmunzelt habe. Ich bin ja zum ersten Mal dabei; andere waren schon dreimal dabei. Es wurde dargestellt: Ganz klar Verstetigung auf der kommunalen Ebene, aber keine Auswirkungen auf das Land und den Bund, und die Bürger dürfen auch nicht belastet werden. Man muss kein richtiger Mathematiker sein, um zu sehen, dass es wahnsinnig schwierig ist, dies alles unter einen Hut zu bringen. Ich habe Ihnen das nur dargestellt, damit Sie wissen, wie komplex das ist und unter welchem Zeitdruck gearbeitet werden muss.

Das Ziel ist klar, und Sie können sicher sein, dass ich mich als Innenminister, abgestimmt mit den anderen Ressorts, aber auch mit den kommunalen Spitzenverbänden, nachdrücklich dafür einsetze, dass wir hier eine vernünftige Lösung erreichen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Die nächste Frage wird von Herrn Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt.

Danke, Herr Präsident. - Ich habe den Innenminister jetzt so verstanden: Egal, wie die Gemeindefinanzreform in Berlin ausfallen wird, das Ergebnis für die Kommunen muss auf jeden Fall aufkommensneutral sein und darf nicht zulasten der kommunalen Finanzen gehen, sondern sollte am besten sogar noch zur Verbesserung der Gemeindefinanzen beitragen. Bedeutet dies auch, dass die Niedersächsische Landesregierung im Bundesrat allen anderen steuerpolitischen Beschlüssen, die zulasten der Kommunen gehen könnten, eine Absage erteilen wird?

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, dass wir auf jeden Fall auf allen staatlichen Ebenen und auf der kommunalen Ebene konsolidieren müssen, einsparen und Stellen streichen müssen. Es wird eine heftige Klausur im Sommer sein, wenn es darum gehen wird, das Sparziel zu erreichen; denn wir haben in den vergangenen Jahren auch schon Sparvorgänge gehabt.

Aber wir werden nicht allein mit Streichungen aus dieser Finanzkrise herauskommen können, sondern wir müssen alles daransetzen, dass wir Wachstum in unserem Land erreichen. Wenn dies nicht gelingt, wenn wir nicht mehr Wirtschaftswachstum hinbekommen, dann werden wir die ehrgeizigen Ziele nicht erreichen können, die auf Bundes- und Landesebene mit der Grundgesetzänderung betreffend das Verschuldungsverbot 2017/2020 festgeschrieben wurden. Deshalb ist es auch im Sinne der Kommunen, dass alles darangesetzt wird, Entscheidungen auch im Bundesrat so zu treffen, dass dieses Wirtschaftswachstum unterstützt wird. Insofern werden wir jeden einzelnen Vorschlag auch der Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt zu prüfen haben, ob die jeweiligen Maßnahmen geeignet sind, wirklich zu Wirtschaftswachstum zu kommen.

Nach dem Desaster im letzten Jahr mit einem Wirtschaftsrückgang von über 5 % bin ich wirklich froh, dass wir hier in Niedersachsen mittlerweile eine Prognose der IHK von 2 % für das Jahr 2010 haben. Das ist auf einem niedrigen Niveau wenigstens ein erster Anfang, zumal wir sagen können, dass wir uns sogar besser als andere Länder entwickeln. Dies hat etwas mit der Ernährungswirtschaft gerade im Westen unseres Landes zu tun. Aber ich glaube, dass wir hier in Niedersachsen wirklich gut aufgestellt sind.

Also konkret: Jede Maßnahme der Bundesregierung wird unter diesen Gesichtspunkten im Bundesrat zu prüfen sein.

(Beifall bei der CDU - Ralf Briese [GRÜNE]: Auch wenn sie zulasten der Kommunen gehen?)

Meine Damen und Herren, die nächste Frage wird von Frau Schröder-Ehlers von der SPD-Fraktion gestellt. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Wulff hat den Kommunen vor einiger Zeit schon zugesagt, dass er ihnen helfen werde. Herr Schünemann, gehört denn auch die Anhebung des kommunalen Finanzausgleichs auf 16,05 % zu diesem Maßnahmenpaket?

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe ja sehr ausführlich dargestellt, was wir in den letzten Jahren getan haben, um die Kommunen zu unterstützen. Wir haben im Zukunftsvertrag festgelegt, dass der kommunale Finanzausgleich prozentual auf diesem Niveau bleibt, dass also aufgrund der finanziellen Situation insgesamt keine Absenkung vorgesehen ist. Sie wissen, dass wir den Kommunen durch die Absenkung der Gewerbesteuerumlage tatsächlich Mehreinnahmen verschafft haben. Es sind 300 Millionen Euro pro Jahr insgesamt mehr für die kommunale Ebene, wovon übrigens 50 % das Land aufbringen muss. Das heißt, wir haben weniger Einnahmen dadurch, dass die Gewerbesteuerumlage gesenkt worden ist, und zwar in der Größenordnung, wenn ich es richtig weiß - Hälfte Bund, Hälfte Land -, von 150 Millionen Euro.