Meine Damen und Herren, die SPD gehört von Beginn an zu den Befürwortern des BolognaProzesses. Wir wollen, dass Bologna ein Erfolg wird und das Ziel eines europäischen Hochschulraumes ohne geografische und ohne soziale Grenzen Wirklichkeit wird.
In unserem Antrag zeigen wir Wege auf, wie Bologna besser gemacht werden kann. Auf drei Punkte möchte ich kurz eingehen.
Erstens: die Qualität von Studium und Lehre. Gute Lehre - vor allem in der Bachelorphase - muss in den Hochschulen mehr Aufmerksamkeit finden. Hochschulen müssen sich um die Kohärenz ihrer Lehrangebote kümmern, die Curricula überarbeiten und den Prüfungsumfang reduzieren. Die Modularisierung muss weg von der bürokratischen Punkteverteilungsmaschinerie, und die Prüfungen müssen sich an Kompetenzen orientieren. Darüber hinaus fordern wir - das war in der Ausschussberatung ein strittiger Punkt, den wir lange diskutiert haben -, dass das von der KMK verordnete Zwangskorsett von zehn Semestern Gesamtstudiendauer aufgegeben werden muss. Wir brauchen mehr Flexibilität. Sechs-, sieben- und achtsemestrige Bachelorstudiengänge müssen genauso möglich sein wie konsekutive zwei-, drei- und viersemestrige Masterstudiengänge.
Zweitens: Übergang vom Bachelor zum Master. Hier gibt es viel Verunsicherung und Ängste bei den Studierenden. Dazu beigetragen haben nicht nur der alltägliche Wahnsinn des Bildungsföderalismus, nach dem jedes Land seine eigenen Zugangsregeln festlegt, sondern ebenso die unsinnigen Vorgaben der KMK und der Länderminister. Meine Fraktion lehnt verordnete Quoten und Notendurchschnitte als Zugangsvoraussetzung zum Master ab. Wir machen uns aber nicht die gemeinsame Position von Frau Schavan und Herrn Perli zu eigen,
die fordern, dass die Hochschule jedem Studenten einen Masterstudienplatz zur Verfügung stellen muss. Hochschulen müssen die Möglichkeit haben, je nach Anforderungsprofil der Masterstudiengänge und vorhandener Kapazität ihre Masterstudierenden auszuwählen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das anders laufen soll. Schließlich haben die Hochschulen nicht unbegrenzte Kapazitäten. Wie sollen die Studienplätze denn vergeben werden, Herr Perli? Im Losverfahren oder nach Wartezeit oder in einer Spielshow?
Leider hüllen sich Frau Schavan und Herr Perli hierüber in Schweigen. Aber vielleicht erfahren wir dazu ja gleich einiges mehr.
Viele weitere Punkte sind zu nennen. Das kann ich hier aber aus Zeitgründen nicht tun. Alles dies finden Sie in unserem Antrag.
Doch auf einen Punkt möchte ich zum Schluss noch eingehen, der im Bildungsstreik eine zentrale Rolle spielte: die soziale Dimension des BolognaProzesses. - Zukünftig sollen mehr junge Menschen in Europa studieren, und die Hochschulen sollen sich auch für jene öffnen, die aufgrund ihrer sozialen Herkunft bisher weitgehend ausgeschlossen waren. Wie weit wir noch von diesem Ziel entfernt sind, zeigte - meine Kollegin Frau Heinen hat bereits darauf hingewiesen - die am Freitag vorgelegte 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes. Einmal mehr wurde uns vor Augen geführt, wie sehr die Chancen auf ein Studium immer noch von der sozialen Herkunft abhängig sind. Kinder aus Akademikerfamilien bleiben an unseren Hochschulen weitgehend unter sich. Arbeiter- und Migrantenfamilien schaffen den Bildungsaufstieg nur selten. Die Türen der Hochschulen bleiben für sie immer noch verschlossen. Bei aller Rhetorik, Herr Nacke: Das ist die traurige Realität. Das ist beschämend. Wir werden uns damit nicht abfinden!
Eine zentrale Forderung im Bildungsstreik war die Abschaffung der Studiengebühren. Diese Forderung ist richtig und wird von uns unterstützt. Wir freuen uns, dass auch Sie, Frau Ministerin Wanka, sich gegen die Studiengebühren ausgesprochen haben. Was in Brandenburg als Forderung richtig ist, kann ja in Niedersachsen nicht falsch sein, oder?
Der beste Schlüssel zur Öffnung der Hochschulen ist aber immer noch ein leistungsfähiges BAföG. Dieses wollen wir weiter ausbauen, und allen voran das Schüler-BAföG, weil hier ein Nadelöhr ist, das aufgemacht werden muss.
Das, was wir nicht brauchen - das sage ich hier sehr deutlich -, ist das von Frau Schavan und Herrn Pinkwart geplante elitäre Stipendienprogramm. Es bringt keinen einzigen zusätzlichen Studenten an die Hochschule, es ist sozial un
Zum Schluss möchte ich aber doch noch ein persönliches Wort sagen. Ich möchte Ihnen, Herr Stratmann, auch im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss für Wissenschaft und Kultur für die langjährige Zusammenarbeit danken. Auch wenn wir selten einer Meinung waren und oft heftig stritten, so ging es doch immer in Leidenschaft um die Sache. Alles Gute!
Frau Ministerin Wanka, im Namen meiner Kollegen möchte ich auch Ihnen viel Fortune im neuen Amt wünschen. Da Sie in Brandenburg neun Jahre erfolgreich mit Sozialdemokraten regiert haben, haben Sie Erfahrung mit guter Hochschulpolitik.
Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt Frau Heinen-Kljajić das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele der Erwartungen, die wir an die Bologna-Reform geknüpft haben, haben sich nicht erfüllt. Ich nenne nur die Stichworte Verschulung, Prüfungsstress, Stofffülle oder mangelnde Mobilität. - Frau Dr. Andretta hat das ausgeführt. Das muss ich nicht wiederholen.
Wir haben daher im letzten Sommer unter dem Eindruck der bundesweiten Bildungsstreiks mit unserem Antrag versucht, eine Reform der Reform auf den Weg zu bringen.
Seit wir als Erste im August letzten Jahres einen Antrag zum Thema „Kurskorrektur auf dem Weg nach Bologna“ eingebracht haben, sind jetzt acht Monate vergangen.
lung der Ausschussmehrheit von CDU und FDP nieder, der sieht sich leider enttäuscht. Minister Stratmann brauchte zwar nur zwei Tage, um nach dem Einreichen unseres Antrags einen eigenen 10-Punkte-Plan vorzulegen - wohl um zu dokumentieren, dass es in Sachen Reform der Bologna-Reform keiner Initiativen aus den Reihen der Opposition bedürfe -, aber er hat sich leider selbst widerlegt: Außer frommen Wünschen und Appellen an die Hochschulen ist nämlich bisher nichts passiert.
Der Minister hat zwar eine Arbeitsgruppe mit Vertretern des MWK und der Landeshochschulkonferenz eingerichtet. Aber wenn wir in unserem Antrag eine Bologna-Reform-Konferenz fordern, die sich unter gleichberechtigter Einbringung der Studierenden unter Teilnahme der Akkreditierungsagenturen auf neue verbindliche Qualitätsstandards verständigt, so hat die von Herrn Stratmann eingerichtete Arbeitsgruppe außer Empörung bei den Vertretern der Studierenden, die sich nicht angemessen beteiligt fühlen, bisher nichts ausgelöst.
Im Ausschuss wurde uns seinerzeit berichtet, bis Ende März würden erste Ergebnisse vorliegen. Wir müssen heute hier feststellen: Es liegen bisher keine konkreten Umsetzungsvorschläge oder Vereinbarungen mit den Hochschulen vor, die kurzfristig wirken könnten, und die bisherige Beteiligung der Studierenden ist eher eine Alibiveranstaltung denn ein Ernstnehmen der Studierenden als Experten in der eigenen Sache.
Aber das wenig ambitionierte Vorgehen des Ministers in dieser Angelegenheit wird durch Ihren Antrag, werte Kollegen von CDU und FDP, noch getoppt. Das Aufzählen von KMK-Beschlüssen und die Bitte, die Landesregierung möge die Verbesserung der Studierbarkeit der Studiengänge vorantreiben, sind - mit Verlaub - banale Allgemeinplätze.
Mehr fällt Ihnen zu dem Thema nicht ein? - Ihr Antrag, liebe Kollegen von CDU und FDP, ist bedauerlicherweise die konsequente Fortsetzung einer langen Serie von hochschulpolitischen Anträgen, die diese Welt nicht braucht.
Sie beschränken sich in Ihren Anträgen im Prinzip immer wieder auf die Aussage: Die Landesregierung ist toll! Es lebe der Wissenschaftsminister!
Es sollte Ihnen zu denken geben, dass selbst Ihr Ministerpräsident in dieser Frage offensichtlich dezidiert anderer Meinung war.
Meine Damen und Herren, es gibt genügend Handlungsfelder, auf denen wir als Landespolitik unmittelbar Einfluss auf bessere Studienbedingungen nehmen könnten. Neben der verbindlichen Festsetzung der bereits erwähnten Qualitätsstandards stehen wir als Land in der Pflicht - jedenfalls ist so die grüne Position -, die Lehre als Schwerpunkt der Hochschulen endlich im Verhältnis zur Forschung aufzuwerten. Wir schlagen daher in unserem Antrag vor, im niedersächsischen Vorab eine Förderlinie „Gute Lehre“ einzurichten, die - schrittweise ausgebaut - in spätestens fünf Jahren 25 % der ausgeschütteten Fördermittel ausmachen soll. Mit diesem Schritt könnte kostenneutral eine Verbesserung der Studienbedingungen durch mehr Qualität in der Lehre erreicht werden.
Da die Hochschulen in den nächsten Jahren demografisch bedingt einen Aufwuchs an Studierenden aufzufangen haben, der durch den doppelten Abiturjahrgang in 2011 noch einmal dramatisch verstärkt wird, brauchen die Hochschulen außerdem flankierend zum Hochschulpakt eine Aufstockung der Etats, um die von allen Wissenschaftsverbänden geforderte Verbesserung der Betreuungsrelation zwischen Lehrenden und Studierenden auch tatsächlich zu ermöglichen. Wir haben in unserem Haushaltsantrag schon für 2010 hierfür 50 Millionen Euro mit einem entsprechenden Deckungsvorschlag abgebildet.
Außerdem muss sichergestellt sein, dass parallel zum Ausbau von Studienanfängerplätzen im Rahmen des Hochschulpaktes ein bedarfsgerechter Ausbau der Masterstudiengänge stattfindet.
Schließlich bleibt die Aufforderung an die Hochschulen - auch das hat Frau Dr. Andretta schon angesprochen -, auch sieben- oder achtsemestrige Bachelorstudiengänge anzubieten, natürlich ein frommer Wunsch, solange für konsekutive Bachelor-/Masterstudiengänge an der Regelstudienzeit von zehn Semestern festgehalten wird. Hier wäre aus unserer Sicht eine niedersächsische Initiative auf Bundesebene dringend geboten.
Wir haben uns in unserem Antrag bewusst auf die Handlungsebene der Landespolitik beschränkt, weil wir aufzeigen wollten, dass es jenseits von KMK-Beschlüssen, Bund-Länder-Vereinbarungen oder wohlfeilen Appellen an die Hochschulen durchaus eine ganze Reihe von Optionen gibt, die in Niedersachsen ungenutzt bleiben.
Bei den Anträgen von SPD und Linken teilen wir die Zustandsbeschreibung und das Gros der Forderungen; aber wir vermissen das stärkere Ausloten landespolitischer Handlungsmöglichkeiten, weshalb wir uns zu diesen Anträgen im Ausschuss enthalten haben.
Der Antrag von CDU und FDP taugt dagegen höchstens als Beleg für die Zustandsbeschreibung schwarz-gelber Hochschulpolitik in Niedersachsen, die bisher außer einer Fehlentscheidung für Studiengebühren und einiger mal mehr und mal weniger geglückter struktureller Eingriffe in die Hochschullandschaft wenig vorzuweisen hat.