Protocol of the Session on March 18, 2010

Damit wollte er sagen: Sie haben sich doch dadurch ausgegrenzt, dass Sie für den demokratischen Sozialismus votieren!

Ihnen geht es nicht nur darum, eine Fraktion dieses Hauses auszugrenzen, was schlimm genug ist, sondern Ihnen geht es darum, linke Gesellschaftstheorien und Praktiken zu diffamieren. Das lassen wir hier in diesem Hause nicht zu!

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es gibt die spannende Debatte über die Bürgerlichkeit. Herr McAllister, Sie bilden ja die bürgerliche Gesellschaft in diesem Hause.

(David McAllister [CDU]: Genau!)

Ich sage Ihnen einmal, was Erhard Eppler dazu auf unserem Parteitag Schönes gesagt hat:

„Wir Deutschen leiden darunter, dass wir für die französischen Worte Citoyen - Staatsbürger, Souverän der Demokratie - und Bourgeois - Besitzbürger - leider nur ein einziges Wort haben, nämlich Bürger. Mit dieser Armut der deutschen Sprache wird nun seit 200 Jahren Schindluder getrieben.“

(Sigrid Leuschner [SPD]: Ja!)

Genau das ist es: Es wird Schindluder getrieben!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

In der gleichen Debatte im Februar 2008 - ich habe geredet und von der bürgerlichen Mehrheit gesprochen, die Herr McAllister vorher wieder eingeführt hatte - habe ich die - so dachte ich - rhetorische Frage gestellt: Sind denn diese 71 Abgeordneten dieses Hauses keine Bürger dieses Landes? - Da meldet sich Herr Langspecht mit dem Zwischenruf: Natürlich nicht!

(Helge Limburg [GRÜNE]: Was?)

Das dokumentiert Ihr Weltbild: Auf der einen Seite sitzen die Bürger, und auf der anderen Seite sitzen die Schmutzfinken dieser Gesellschaft.

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wenn einer in Deutschland aufwächst, dann wird er mit 18 Jahren zur Bundeswehr eingezogen und

wird 12 Monate, früher 18 Monate und in Zukunft 6 Monate Bürger in Uniform. Nach dieser Wehrpflicht muss der Bürger in Uniform sich überlegen: „Möchte ich Bürger bleiben? Dann muss ich zu CDU und FDP gehen, dann kann ich Bürger bleiben. Will ich eventuell kein Bürger mehr bleiben, dann darf ich bei der demokratischen Linken parken.“

Meine Damen und Herren, merken Sie eigentlich, welches Weltbild Sie haben? Das ist doch hirnrissig, was Sie da entwickeln!

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Das ist doch lächerlich!)

Herr Kollege Jüttner, ich nehme an, dass Sie diese Handbewegung in Richtung der CDU in der Aufregung gemacht haben. Sie sollten das unterlassen, das ist hier nicht zulässig.

Keine Zwischenfragen!

Es ging nicht um Zwischenfragen. Es ging um Ihre Handbewegung, die Sie in Richtung der CDU gemacht haben. Das ist hier nicht zulässig.

Was habe ich denn gemacht?

(David McAllister [CDU]: Du hast ei- nen Scheibenwischer gemacht!)

- Entschuldigung, das war keine Absicht, ernsthaft nicht. Das ist nicht meine Art. In der Sache hart, aber sonst konziliant.

Jetzt geht es ja um die Frage: Ist Rechtsextremismus gleich Linksextremismus?

(Glocke des Präsidenten)

Ich zitiere aus einem interessanten Artikel:

„Sicher: Gemeinsamkeiten zwischen beiden Regimen sind vorhanden; erinnert sei nur an die Praxis von Massenaufmärschen und Militärparaden, die Insignien des Führerkults, Machtrituale oder Uniformen paramilitärischer Verbände. Von zumindest gleichrangiger Bedeutung sind allerdings die Unterschiede zwischen beiden Herrschaftssystemen: ‚Der Rechtsextre

mismus strebt die Beseitigung der Demokratie, der Sozialismus jedoch die Abschaffung des Kapitalismus an’, betont Richard Stöss“

- ein bekannter Politologe in Deutschland -

„zu Recht. Er schlussfolgert, dass der Rechtsextremismus prinzipiell antidemokratisch, der Sozialismus aber nur dann gegen die Demokratie gerichtet sei, wenn er … missbraucht oder pervertiert werde.“

Das setzt allerdings intellektuelles Differenzierungsvermögen voraus. Das sollten Sie sich einmal erarbeiten. Das würde ich Ihnen dringend anraten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Glocke des Präsidenten)

Deshalb sage ich Ihnen: Die Gefahr für die Demokratie geht von Rechts- und Linksextremismus aus. Das sehe ich wie Sie, wobei ich das vielleicht inhaltlich anders gewichte. Aber die größten Gefährdungen für die Demokratie in Deutschland in den letzten drei bis fünf Jahren kommen aus der Mitte der Gesellschaft, aus dem Finanzkapital, das die legitimatorischen Grundlagen der Demokratie zerstört, wenn das, was wir gegenwärtig an den Finanzmärkten erleben, nicht ein Ende findet.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Herr Kollege Jüttner, ein letzter Satz bitte!

Meine Damen und Herren, mein letzter Satz: Nehmen Sie diese inhaltliche Debatte mit uns auf und hören Sie auf, das unter taktischen Fragen von Regierungsbildung zu machen! Ich lese Ihnen sonst gerne einmal vor, an welchen Stellen in Deutschland CDU und Linkspartei koalieren. Die Debatte sollten wir uns schenken. Lassen Sie uns in der Sache streiten.

Vielen Dank.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, da die CDU-Fraktion keine Redezeit mehr hat, hat Herr McAllister sich jetzt zu einer Kurzintervention gemeldet. Ich gebe Ihnen die Zeit noch dazu, die Herr Jüttner überzogen hat. Sie haben also insgesamt drei Minuten. Bitte!

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Was ist denn das für eine Regel?)

Herr Präsident, das ist sehr freundlich, danke. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich auf den Redebeitrag des Kollegen Jüttner zu einer Kurzintervention gemeldet. Herr Jüttner, ich habe Ihnen das schon mehrfach in persönlichen Gesprächen gesagt und wiederhole es hier: Wir als Christdemokraten werden die Fraktion DIE LINKE formell korrekt behandeln, nicht weniger, aber auch nicht mehr.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Aber menschlich unanständig!)

Warum tun wir das? - Weil wir uns in der Tradition der wehrhaften Demokratie sehen, die über viele Jahrzehnte unser Land weit über die Grenzen von CDU und FDP hinaus geprägt hat. Solange Teile der Linkspartei ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie in unserem Verständnis und solange Teile der Linkspartei ein gestörtes Verhältnis zur sozialen Marktwirtschaft haben, werden wir diese Partei konsequent und in aller Schärfe politisch ablehnen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist Ihr gutes Recht!)

Herr Dr. Sohn, es ist Ihr gutes Recht, permanent Loblieder auf die untergegangene DDR zu singen, und es ist das gute Recht auch Ihrer Kollegen, die Systeme in Venezuela, Kuba oder anderswo zu loben. Aber Sie werden bitte Verständnis dafür haben, dass wir so etwas nicht mitmachen. Wir sind dezidiert anderer Auffassung.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist Ihr Recht!)

Aber mir ging es um etwas anderes. Herr Jüttner, nach diesem Redebeitrag muss ich Sie wirklich fragen: Finden Sie es nicht peinlich, wie Sie sich heute Mittag wieder an die Linke angebiedert haben?

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Detlef Tanke [SPD]: Ist das alles, was Sie zu sagen haben?)

Ich meine, das haben Sie überhaupt nicht nötig. Natürlich haben wir uns auch gewundert, was für einen Entschließungsantrag Sie hier vorgelegt haben.

Herr Kollege McAllister, gestatten Sie Zwischenfragen?